Molekularbiologie 21.05.2024, 14:30 Uhr

Alzheimer: Wie sich die gefährlichen Plaques an Nervenzellen auflösen lassen

Es gibt Hoffnung für viele Alzheimer-Kranke: Ein Team der Hochschule Coburg fand im Labor eine Methode, wie die gefährlichen Plaques im Gehirn aufgelöst werden können. Noch allerdings handelt es sich dabei um Grundlagenforschung.

Alzheimer-Forschung

Susanne Aileen Funke forscht an der Hochschule Coburg zur Alzheimer-Krankheit.

Foto: Hochschule Coburg

Wenn Menschen an Alzheimer erkranken, dann kann man – im Gegensatz zu vielen anderen neurodegenerativen Erkrankungen – dies heutzutage genau diagnostizieren. Eine Untersuchung des Nervenwassers, die sogenannte Liquoruntersuchung, gibt Aufschluss darüber, ob die für diese Krankheit typischen Eiweiße – Amyloid-beta und Tau – vorliegen. Denn beide Eiweißtypen lagern sich bei den Patientinnen und Patienten im Gehirn ab.

Amyloid produziert jeder Mensch von Geburt an, normalerweise wird es aber auch wieder abgebaut. Tragisch wird es erst, wenn dessen Konzentration mit zunehmendem Alter steigt und der Abbau gestört ist. Dann lagert es sich im Gehirn ab, setzt sich zwischen die Nervenzellen und verklumpt zu Plaques. Diese stören die Signalübertragung von Neuron zu Neuron. Doch Amyloid alleine löst die Krankheit nicht aus. Dafür ist noch ein zweites Protein nötig: das Tau-Peptid. Dessen Ansammlung wird erst durch die Anwesenheit von Amyloid ausgelöst. Es ist das eigentliche Protein, das die Nervenzellen im Gehirn absterben lässt und das für den Gedächtnisverlust verantwortlich ist.

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 Die Bildung von Plaques lässt sich im Labor bereits verhindern

Eine Methode, die diese gefährlichen Ablagerungen verhindern soll, hat nun Susanne Aileen Funke von der Hochschule Coburg gefunden. „Als einzelnes Protein ist Tau sehr wichtig für den Körper“, erklärt Funke. „Aber sobald es mit sich selbst aggregiert, wird es sehr giftig.“ Dann gehen die betroffenen Nervenzellen zugrunde. Die Betroffenen verlieren ihre kognitiven Fähigkeiten, erst wird das Kurzzeitgedächtnis gelöscht, dann verschwinden die Langzeiterinnerungen und im Zuge dessen geht die Persönlichkeit verloren.

Funkes Arbeitsgruppe forscht nun an kleinen Eiweißwirkstoffen, die an das Tau-Protein binden – mit dem Ziel, das Verklumpen zu verhindern. „Im Reagenzglas funktioniert das und wir haben inzwischen erste Zellkulturversuche durchgeführt.“ Allerdings, so räumt Funke ein, sei diese Entwicklung von einem fertigen Medikament gegen Alzheimer noch weit entfernt. „Da müssen noch einige Zellkulturversuche folgen und für die weitere Entwicklung braucht es Kooperationspartner.“ Es könnten Jahre vergehen, bis die Wirkstoffe in der Pharmaindustrie entwickelt worden und für die Behandlung von Menschen zugelassen sind.

Erste Therapien gegen Alzheimer in den USA bereits zugelassen

Obwohl es sich also noch um Grundlagenforschung handelt, scheinen die Forschungsergebnisse aus Coburg dennoch sehr vielversprechend zu sein. Auf der 18th International Conference on Alzheimer’s and Parkinson’s Diseases (AD/PD), einer der wichtigsten europäischen Tagungen zum Thema mit 4700 Teilnehmenden aus über 70 Ländern, erzeugte Funkes Vortrag ein großes Echo. „Die Atmosphäre war diesmal anders, es herrscht eine Art Aufbruchstimmung“, sagt sie. „Es ist ja so, dass sehr, sehr lange keine neuen Medikamente zugelassen worden sind.“ Nur die Symptome von Alzheimer konnten bisher behandelt werden. „Jetzt sind aber beispielsweise in den USA erste Therapien zugelassen worden, die den Krankheitsverlauf verändern können.“

Allerdings sind die Effekte des neuen Wirkstoffs weniger deutlich als erhofft. Dem stehen hohe Kosten für das Medikament sowie starke Nebenwirkungen gegenüber. Und: Damit es wirkt, muss das Medikament schon recht früh nach Ausbruch der Erkrankung verabreicht werden. Hier aber liegt die Crux, denn gerade Alzheimer lässt sich häufig erst in fortgeschrittenem Stadium von der normalen Altersvergesslichkeit abgrenzen. Dann aber könnten schon erhebliche Schädigungen an den Nervenzellen entstanden sein.

Dennoch will Funke Mut machen, denn auch bei der Biomarker-Forschung, die für die frühzeitige Diagnose wichtig ist, seien Fortschritte spürbar. Ihre eigene Forschung spielt hier hinein: Das Coburger Team fand mit Methoden wie dem sogenannten Phagen-Display-Verfahren zwei D-Peptide, die an genau den richtigen Stellen des Tau-Proteins andocken. D-Peptide bestehen aus D-Aminosäuren, diese sind das räumliche Spiegelbild natürlicher L-Aminosäuren.

In der Natur kommen sie nicht vor, deshalb werden sie nicht so schnell wie natürliche Peptide durch körpereigene Abwehrsysteme angegriffen. Entscheidend für die gefährliche Verbindung mehrerer Tau-Proteine sind die Hexapeptid-Motive PHF6* (Aminosäuren 275 bis 280 von Tau, Sequenz VQIINK) und PHF6 (Aminosäuren 306 bis 311 von Tau, Sequenz VQIVYK). Funkes Arbeitsgruppe fand dafür zwei ideale D-Peptide: MMD3 bindet an PHF6* und ISAD1 an PHF6. Diese können das Zusammenlagern und Verkleben von Tau-Proteinen beeinflussen.

Die Coburger Peptide verhindern die giftige Reaktion

„Wir haben die Fähigkeit der D-Peptide, an Tau zu binden und dessen Fibrillierung zu verändern, durch biochemische, biophysikalische und bioinformatische Methoden untersucht“, erklärt Funke. Außerdem wurde in ersten Zellkulturexperimenten gezeigt, dass die D-Peptide von den Zellen effizient aufgenommen werden und in der Praxis tatsächlich die giftige Reaktion der Tau-Peptide hemmen. „Das kann sehr interessant für eine Therapie von Alzheimer sein“, sagt die Coburger Professorin.

Dennoch will Funke keine falschen Hoffnungen wecken: „Es kann immer ein Punkt kommen, an dem es kippt, an dem man merkt: Hier funktioniert es doch nicht.“ Trotzdem gibt es bereits Erfolge zu vermelden: Eine Reihe von D-Peptide konnte bereits die Blut-Hirn-Schranke überwinden – ein wichtiger Punkt, damit ein Medikament in den Hirnzellen wirken kann. Alle Tests, alle Versuche, alle Ergebnisse sind bisher positiv gelaufen. Jetzt sucht die Professorin erst einmal die richtigen Partner, um das Thema weiter voranzutreiben. Wenn aus der Forschung ein Medikament entwickelt wird, dauert das vielleicht dann noch zehn, 15 Jahre. „Aber es sieht wirklich aus, als könnte was draus werden.“

Ein Beitrag von:

  • Bettina Reckter

    Bettina-Reckter

    Redakteurin VDI nachrichten
    Fachthemen: Forschung, Biotechnologie, Chemie/Verfahrenstechnik, Lebensmitteltechnologie, Medizintechnik, Umwelt, Reportagen

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