Weltgesundheitstag – Der Fachkräftemangel zeigt sich deutlich
Der heutige Weltgesundheitstag ist Pflegekräften und Hebammen gewidmet. Dass medizinisches Personal in Corona-Zeiten besonders dringend gebraucht wird, ist ein Zufall. Das Motto steht schon länger fest. Gerade jetzt wird der Fachkräftemangel aber besonders offensichtlich.
Fachkräftemangel ist in vielen Branchen zu einem gängigen Begriff geworden, zumindest in Deutschland. Und natürlich betrifft er bei Weitem nicht nur die technischen Berufe, in denen unter anderem hoch qualifizierte Ingenieure händeringend gesucht werden. Auch im Pflegebereich ist das Thema nicht neu. Für den Berufsstand der Hebammen hat sich die Schere zwischen Angebot und Nachfrage erst in den vergangenen Jahren so richtig zugespitzt, weil der Beruf sich für viele immer weniger lohnt, vor allem die hohen Prämien für eine Berufshaftpflichtversicherung machen den Hebammen zu schaffen.
Trotz einiger Vorstöße von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, zusammengefasst unter dem Begriff „Konzertierte Aktion Pflege“, hat sich bislang eher wenig getan. Denn die Zahl an ausländischen Pflegefachkräften ist in Deutschland noch nicht wesentlich gestiegen, und Personaluntergrenzen in einigen Fachbereichen wie der Intensivpflege helfen wenig, wenn die Kliniken keine Mitarbeiter finden, die sie einstellen könnten. Das wird in der aktuellen Corona-Krise offensichtlich. Viele Kliniken haben die vorhandenen Intensivbetten zuletzt nicht mehr vollständig genutzt, weil ihnen das Personal fehlte, um die Patienten entsprechend zu versorgen.
Hohe Dunkelziffer: Pflegekräfte fehlen
Wie viele Pflegekräfte in Deutschland tatsächlich fehlen? Da weichen die Meinungen voneinander ab. Als unterste Grenzen können wohl die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit dienen: 2018 waren dort im Durchschnitt 23.900 Stellen in der Altenpflege unbesetzt und in der Gesundheits- und Krankenpflege immerhin 15.700. Nur ist der Bedarf ohne Frage weit höher. Denn viele Kliniken melden ihre offenen Stellen schon gar nicht mehr, weil sie nicht erwarten, auf diesem Weg an Arbeitskräfte zu kommen. Außerdem wäre selbst bei voller Besetzung die Personaldecke in vielen Kliniken immer noch arg dünn.
Konzepte, wie es möglich sein kann, den Personalbedarf in Krankenhäusern und Pflegeheimen richtig zu bemessen, werden gerade erarbeitet. Das ist offensichtlich dringend nötig. Denn eine Umfrage der Gewerkschaft Verdi unter 13.000 Pflegekräften in Klinken (2018) hatte ergeben: Das Maß an Überstunden ist voll. Die Krankenhäuser müssten eigentlich 22 % mehr Personal einstellen. Ohne die große Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter müssten die Kliniken eigentlich jeweils einige Tage vor Monatsende schließen, weil die normale Arbeitszeit der Pflegenden aufgebraucht wäre. Und jetzt: Corona.
Wertschätzung in bar
Applaus hallt von den Balkonen, für einen Berufsstand, der zwar positiv angesehen wird, aber hoffnungslos unterbezahlt ist. Immerhin etwas. Denn für viele Pflegekräfte ist bislang genau das ein nicht zu unterschätzendes Problem gewesen – die fehlende Anerkennung.
Am Wochenende haben sich Verdi und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) zusätzlich auf eine Sonderzahlung geeinigt. 1.500 Euro soll jede Pflegekraft als Sonderprämie für die besondere Belastung während der Corona-Krise erhalten. Das ist auch dringend nötig, denn natürlich breitet sich das Virus auch unter dem medizinischen Personal aus. Hohe Krankheitsstände zerren also zusätzlich an der ohnehin dünnen Personaldecke, und ein Ende ist nicht abzusehen. In dieser Situation wird umso deutlicher, dass das beste Atemgerät nicht hilft, wenn das Fachpersonal fehlt, um es zu bedienen.
Langfristig Pflegenotstand beseitigen
Wie treffend, dass ausgerecht 2020 das Motto des Weltgesundheitstages lautet, Pflegekräfte und Hebammen zu unterstützen. Ziel ist es, die Aufmerksamkeit bewusst auf diese Berufsgruppen zu lenken. Und damit nicht genug. Zusätzlich hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Jahr 2020 als das „Jahr der Pflegekräfte und Hebammen“ ausgerufen („International Year of the nurses and the midwives“). Die Kampagne soll zu Investitionen im Gesundheitswesen ermutigen und die öffentliche Wertschätzung für diese Berufsgruppen erhöhen. Unter anderem werden Bürger dazu aufgefordert, Dankeskarten zu schreiben oder sich in den sozialen Netzwerken entsprechend positiv zu äußern.
In dieser Hinsicht hat die Praxis diese Ideen längst überholt. Umso besser ist es aber wohl, dass das ganze Jahr den Pflegekräften und Hebammen gewidmet ist. Denn wenn die aktuelle Pandemie weitestgehend überstanden ist, werden noch viele Fragen im Raum stehen. Dann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um den Pflegenotstand ernstzunehmen und zu handeln. Ein wichtiger Schlüssel wird ohne Frage die Bezahlung sein – wer sicher sein möchte, dass er im Notfall gut versorgt wird, muss auch in guten Zeiten bereit sein, ein angemessenes Gehalt mitzufinanzieren. Vielleicht hat die Corona-Krise in dieser Hinsicht ein Gutes und treibt die dringend notwendigen Reformen voran.
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