„Bill, bitte auf die Waage“ – Herzpatienten zu Hause überwachen
Statt ständig zum Arzt zu gehen, stellt man sich morgens einfach auf eine spezielle Waage. Sie überprüft wichtige Krankheitsanzeichen und schützt Patienten mit Herzinsuffizienz durch regelmäßige Überwachung. Forscher stellten in einer neuen Studie erste Erfolge vor.
„Guten Morgen Bill. Bitte treten Sie auf die Waage und berühren die Metallflächen.“ So stellen sich die Forscher des Georgia Institute of Technology (Georgia Tech) die Zukunft für Patienten mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz) vor. In einer Studie war es ihnen gelungen, die Daten von 43 Patienten mit einer Spezialwaage zu erfassen und zu verarbeiten. Sobald eine marktfähige Version dieser Art der medizinischen Überwachung an den Start geht, soll die Waage im Idealfall automatisch einen Arzt benachrichtigen, der sich bei Bedarf mit dem Patienten in Verbindung setzt. Ziel ist es, dann die Medikamente entsprechend anzupassen, um einen möglichen Krankenhausaufenthalt sowie unnötige Beschwerden beim Patienten zu verhindern.
Bislang: Überwachung nach invasivem Eingriff
Herzinsuffizienz ist eine langsam fortschreitende Krankheit, bei der das Herz immer schwächer wird und deshalb immer weniger effektiv arbeitet. In Deutschland sind etwa drei Millionen Menschen betroffen. Zahlreiche Patienten kämpfen mit einem Symptom, das besonders häufig auftritt: Flüssigkeit in der Lunge. Sie behindert die Atmung und kann unter Umständen zum Tod führen. Diese Erkrankung ist für die Patienten mit zahlreichen Krankenhausaufenthalten verbunden. Meistens geht es dabei um die Anpassung der Medikamente. Das ist für die Patienten unangenehm und verursacht zugleich hohe Kosten für das Gesundheitssystem.
Ein erstes System zur Überwachung der betroffenen Menschen für die Anwendung im eigenen Haus gibt es bereits. Allerdings beinhaltet es aktuell noch ein invasives Verfahren, das heißt, es findet ein Eingriff in den Körper statt. Die Forscher des Georgia Tech haben auch diese Methode entwickelt, die sich bereits seit 2011 im Einsatz befindet. Mit ihrer neuen Lösung wollen sie eine Möglichkeit schaffen, auf das invasive Verfahren zu verzichten. Davon versprechen sie sich einerseits weniger Kosten und eine einfachere Bedienbarkeit, andererseits mehr Patienten, die sich für diese Form der Überwachung entscheiden.
Neu: Überwachungsform ohne Eingriff
Die Wissenschaftler nutzen für ihre Datenerfassung das sogenannte Ballistokardiogramm (BKG). Dabei werden die Bewegungen des Körpers erfasst, die der Herzschlag verursacht. Diese Messmethode ist nicht neu, es gibt sie bereits seit rund 100 Jahren. Sie rückte jedoch in den Hintergrund, als zunehmend bildgebende Verfahren entwickelt wurden. In Kombination mit modernen Berechnungen kommt sie nun wieder zum Einsatz. „In unserer Arbeit werden erstmals BKGs verwendet, um den Status von Patienten mit Herzinsuffizienz zu klassifizieren“, sagt Omer Inan, Professor an der School of Electrical and Computer Engineering der Georgia Tech.
Zugleich bedienten sich die Forscher des Elektrokardiogramms (EKG), das die elektrischen Aktivitäten aller Herzmuskelfasern in Summe aufzeichnet. Diese Methode ist zwar Standard in der Kardiologie, sagt aber, für sich genommen, wenig über die Herzschwäche aus. Das BKG wiederum erschien den Forschern für die Überwachung nützlich, ist jedoch schwierig aufzuzeichnen und zu interpretieren. Deshalb entschieden sie sich für eine Kombination, um bessere Werte zu erhalten.
Algorithmen für die Auswertung der Daten
Während das EKG also ein elektrisches Signal liefert, ist es beim BKG ein mechanisches. Beim ersten leitet der Körper die Signale gut, sodass sich klare Aufzeichnungen ergeben. Das BKG-Signal hingegen wird gedämpft durch das Körperfett und muss zugleich dem unterschiedlichen Gewebe im Körper und den Bewegungen der Muskeln trotzen. Zugleich sind sie bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen lauter. Die Forscher befürchteten, dass Patienten bei den Heimtests auf der Waage wackeln, was den BKGs noch mehr Lärm verleihen würde. Doch die Sorge stellte sich als unberechtigt heraus, die Aufnahmen funktionierten.
Zu der Kombination der einzelnen Methoden kamen nun noch Algorithmen für maschinelles Lernen hinzu. Damit verarbeiteten die Forscher die BKGs. Sie entdeckten unterschiedliche Muster und konnten so feststellen, bei welchen Patienten die Herzinsuffizienz stärker oder schwächer ausgeprägt war. „Bei Menschen mit dekompensierter Herzinsuffizienz kann das Herz-Kreislauf-System die verminderte Herzfunktion nicht mehr ausgleichen. Der Blutfluss durch die Arterien ist dadurch unregelmäßiger, was wir im mechanischen Signal des BKG erkennen“, so Inan. „Dieser Unterschied wird im EKG nicht angezeigt.“ Als wichtigstes Merkmal untersuchten sie die Variabilität des BKG – was auf eine nicht durchgängige Durchblutung hinweist – indem sie die Aufzeichnung in 20-Sekunden-Intervalle zerlegten. „Weichen die einzelnen Segmente stark voneinander ab, ist dies ein guter Indikator für die Verschlechterung der Erkrankung“, sagt Inan.
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