Indische Forscher implantieren Ohr, das im Körper wächst
Im südindischen Chennai ist Forschern ein Coup gelungen: Sie haben ein Ohr gedruckt und implantiert, das im Körper weiter gewachsen ist. Allerdings nicht in einem menschlichen Körper.
Die aktuellen Zahlen zu Organspenden sind alarmierend. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation zählte im Jahr 2016 genau 857 Organspenden in Deutschland, im vergangenen Jahr sollen es laut Süddeutscher Zeitung weniger als 800 gewesen sein. Die Zahl der Organspenden nimmt damit seit Jahren kontinuierlich ab. Heute kommen auf 1 Million Menschen gerade einmal 9 Organspender. Damit zählt Deutschland neben Rumänien, Griechenland, Albanien und Bulgarien zu den Ländern mit den wenigsten Organspenden. Bioprinting soll Abhilfe schaffen und die dringend benötigten Spenderorgane bringen.
Beim Bioprinting werden mit modernen 3D-Druckern organische Substanzen hergestellt. Die lebendigen Zellen entstehen im Schichtaufbauverfahren. Durch die Stammzellengewinnung können die 3D-Biodrucker tierische und menschliche Organe verarbeiten. Zwar befindet sich die Technik am Anfang, aber es gibt Belege dafür, dass Bioprinting funktioniert und in Zukunft die Probleme des rückläufigen Organspendens lösen kann.
Menschliches Ohr mit dem Biodrucker hergestellt und erfolgreich verpflanzt
In Indien ist Forschern eine wissenschaftliche Sensation gelungen: Zum ersten Mal wurde ein menschliches Ohr mit einem 3D-Drucker hergestellt, das sich erfolgreich in einen Körper verpflanzen ließ. Das ausgedruckte Ohr hat die Verpflanzung aber nicht nur überlebt, es ist sogar gewachsen. Laut einem Bericht der Times of India erreichten die Forscher der SRM University und des SIMS-Krankenhauses diesen respektablen Fortschritt bei der Bioprinting-Technik. Nach zweijähriger Forschungsarbeit enthüllten die Forscher nun ein gedrucktes Ohr. Sie erklärten, dass zusätzlich zum Drucken von Knorpelstücken eine weitere Technologie zum Einsatz kam. Durch diese konnte der Knorpel nach der Implantation weiter überleben und sogar wachsen. Allerdings fand dieser Prozess nicht etwa am Menschen, sondern in einem Kaninchen statt. Bevor der Knorpel einem Menschen implantiert werden kann, ist es laut dem Leiter der plastischen Chirurgie im SIMS Hospital von Chennai, K. Sridhar, noch ein langer Weg. Bevor der erste menschliche Versuch in Angriff genommen werden kann, wird das Krankenhaus eine groß angelegte Studie mit Tieren aller Art durchführen. Statt Tierversuche zu ersetzen, müssen also erst einmal viele weitere Tiere für die Entwicklung künstlich hergestellter Organspenden herhalten.
Die Entstehung des künstlichen Ohrs
Die Forscher haben ihre Fortschritte bisher weder veröffentlicht noch patentieren lassen. Auf einer Pressekonferenz teilten sie der Öffentlichkeit ausschließlich Details zu ihren laufenden Forschungen mit. So wurden die Knorpelzellen aus einem Stück Ohrenknorpel eines Kaninchens genommen. Im Anschluss daran wurden die Zellen für rund drei Wochen in einer speziellen Lösung gezüchtet. Die Lösung bestand aus natürlichen und synthetischen Substanzen und versorgte die Zellen beständig mit Nahrung. Danach wurden die expandierten Zellen auf einem biokompatiblen und biologisch abbaubaren Gerüst, mit der Form eines dreidimensionalen Ohrs, gesät. Erst als 107 Zellen pro Quadratzentimeter gewachsen waren, wurde das biologische Gerüst in ein Kaninchen eingesetzt.
Die 3D-gedruckten Zellen befanden sich drei Monate lang im Bauch dieses Kaninchens. Als der Tierarzt das Gerüst aus dem Kaninchen entfernte, war das Ergebnis zwar nicht perfekt, die Knorpelzellen hatten sich jedoch ausgedehnt. Laut Shantanu Patil, dem Leiter der Abteilung „Translationale Medizin“ war ein großer Teil des Gerüstes verschwunden. Wahrscheinlich hätten noch bessere Ergebnisse erzielt werden können, wenn das Gerüst noch länger im Kaninchen geblieben wäre. Mit der gewonnenen Probe werden die Wissenschaftler nun aber die Zugfestigkeit sowie viele andere mechanische Eigenschaften überprüfen. Vom Komitee für Überwachung und Kontrolle von Tierversuchen, kurz CPCSEA, erhielten die indischen Forscher außerdem die Erlaubnis, ihr Experiment auf 18 weitere Kaninchen ausweiten zu dürfen.
Die zwei Verfahren des Bioprintings
Aktuell gibt es zwei gängige Verfahren, um Gewebe künstlich herstellen zu können. Zum einen gibt es den dreidimensionalen Druck nach dem Laserprinzip, zum anderen den 3D-Druck nach dem Prinzip des Tintenstrahldruckens. Beim Bioprinting nach dem Laserprinzip wird mithilfe eines Laserstrahls Dampfdruck erzeugt. Dieser Druck schleudert winzige Tropfen von einem mit natürlichen Zellen angereicherten Gel auf eine spezielle Unterlage. Auf der Unterlage bilden sich dadurch nach und nach Tropfen für das künstliche Gewebe.
Beim Bioprinting nach dem Tintenstrahlprinzip spritzen zwei Düsen im Wechsel Flüssigkeit auf eine spezielle Unterlage. Die erste Düse versprüht das Hydrogel, einen zähen und sich schnell festigenden Kunststoff. Die zweite Düse versprüht lebendige Zellen wie Vorläuferzellen oder reife Körperzellen. Dadurch wächst das Gewebe Stufe um Stufe nach oben. Bei beiden Verfahren kommen zusätzlich verschiedene Stützsubstanzen und Wachstumsfaktoren zum Einsatz. Diese verschaffen dem ausgedruckten Gewebe Halt. Ein fortgeschrittenes Ziel beim Bioprinting ist es nun, ein vollständiges Ohr aus den Stammzellen drucken zu können, ohne zuerst Knorpel vom Patienten entnehmen zu müssen.
Bisherige Erfolge im Bioprinting
Viele Wissenschaftler sind auf der Suche nach transplantierbaren und lebensfähigen Körperteilen aus dem 3D-Biodrucker. Wissenschaftler konnten erfolgreich Eierstöcke, Haarzellen, eine Leber und andere Organe in Mäuse implantieren. Mit Knorpeln, die aus anderen Körperteilen der Patienten entnommen wurden, konnten mit dem 3D-Drucker schon mehrfach Ohren hergestellt werden. Es wurden dicke Gewebeschichten ausgedruckt und erfolgreich implantiert. Die meisten Versuche sind daran gescheitert, dass Gewebe ab einer Dicke von 200 Mikrometern nicht mehr richtig mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden kann. Dieses Problem soll durch die Entwicklung von Mikrokanälen gelöst werden. Forscher entwarfen dazu auf Basis einer Computertomografie ein Knochenstück für den Kieferknochen und ließen es von einem Biodrucker ausdrucken. Die gedruckten Zellen konnten sich in einer Nährlösung vermehren und bildeten feste Knochen.
Weitere Erfolge: Ein ausgedrucktes Stück Schädelknochen wurde in eine Ratte verpflanzt. Dort bildeten sich vom angrenzenden Gewebe Blutgefäße. Knorpelgewebe von der Größe eines menschlichen Babyohrs wurde erfolgreich auf dem Rücken einer Maus implantiert. Bei den eingepflanzten Muskelstücken versorgten die Blutgefäße und Nervenverbindungen das künstliche Gewebe.
Biodrucker in der Zukunft
Trotz aller Erfolgsmeldungen steckt das Bioprinting noch in den Kinderschuhen. Experten gehen deshalb davon aus, dass die dreidimensionalen Biodrucker in rund 10 bis 20 Jahren ganze Organe und Hautzellen ausdrucken können. Die gedruckten Organe und Zellen sollen eines Tages die Funktionen der echten Organe und der Haut erfüllen können. Verläuft die Entwicklung erfolgreich, könnten Tierversuche in Zukunft der Vergangenheit angehören. Eine ausgereifte 3D-Drucktechnik könnte die medizinische Versorgung revolutionieren und die Gesundheitskosten deutlich reduzieren. Die Medizin könnte dann lebensrettende Organe bei Organfehlbildungen, schweren Krankheiten oder akuten Verbrennungen einfach drucken und implantieren.
Weiterführende Artikel zu Bioprinting und künstlichen Organen
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) geht davon aus, dass die Bio-Fertigung im Jahr 2030 einen großen Teil der Wirtschaftsleistung generieren wird. Wie das WEF die Zukunft sieht und wie wahrscheinlich diese Visionen aus unserer Sicht sind, lesen Sie im Artikel „Die (Technik-)Welt im Jahr 2030“.
Konkrete Forschungsergebnisse wurden zuletzt aber auch präsentiert. Etwa das erste pumpende Kunstherz, das Züricher Forscher letztes Jahr gedruckt haben. Oder eine künstliche Gebärmutter, die gefüllt mit Fruchtwasser die Überlebenschancen von Frühchen steigern soll.
Weniger anschaulich, aber dafür voll funktionstüchtig waren die Mini-Organe, die Berliner Wissenschaftler schon im Jahr 2015 kultivierten und seither weiter erforschen. Sie sollen helfen, Tierversuche in naher Zukunft zu ersetzen.
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