Bluttest soll Leben von Schockpatienten retten
Dänische Forschende haben einen Schnelltest entwickelt, der anhand von Bernsteinsäure im Blut die ideale Behandlung für Patientinnen und Patienten im kritischen Schockzustand ermittelt. Mit nur einem Tropfen Blut und einer neuen Nanotechnologie könnte der Test schon bald Hunderte von Menschenleben retten.
In kritischen medizinischen Situationen wie Traumata, Sepsis oder Herzstillstand geraten Betroffene oft in einen kritischen Schockzustand. Bisher greifen Ärztinnen und Ärzte in solchen Fällen oft zur Adrenalinspritze, um die Patientin oder den Patienten zu stabilisieren. Doch nicht immer ist das die richtige Entscheidung. Hunderte von Patienten haben in einem solchen Notfall bereits einen kritisch hohen Adrenalinspiegel im Blut, der durch zusätzliches Adrenalin noch weiter erhöht wird. Die Folge: Das Herz gerät unter Hochdruck, das Sterberisiko steigt. Um die bestmögliche Therapie einzuleiten, benötigen Behandelnde ein zuverlässiges Diagnosewerkzeug.
Genau an diesem Punkt setzt die Entwicklung eines Forscherteams der Technischen Universität Dänemark (DTU) in Zusammenarbeit mit dem Rigshospitalet an. Sein neuer Schnelltest misst den Gehalt an Bernsteinsäure im Blut der Patientin oder des Patienten und zeigt dem behandelnden Notfallteam innerhalb von Sekunden, ob eine Gabe von Adrenalin oder aber von Betablockern, die im Gegenteil die Wirkung des körpereigenen Adrenalins hemmen, notwendig ist.
Bernsteinsäure als entscheidender Biomarker
Grundlage für den neuen Test ist eine Entdeckung von Pär Johansson. Er fand heraus, dass der Gehalt an Bernsteinsäure im Blut als Biomarker dienen kann, um den Schweregrad eines Schockzustands zu beurteilen. Patienten mit besonders hohen Adrenalinspiegeln weisen demnach auch erhöhte Bernsteinsäurewerte auf. Winnie E. Svendsen von der DTU Bioengineering griff diese neue Erkenntnis auf und machte sie zur Basis für die Entwicklung des Schnelltests.
Das Herzstück des Tests bilden winzige elektronische Schaltkreise in Form von Chips. Mithilfe eines Lasers brennen die Forschenden ein Muster in einen Polyimidfilm – einen hoch belastbaren Kunststoff, der auch in der Raumfahrt zum Einsatz kommt. Die so entstandenen Spuren aus Kohlenstoff-Graphen leiten Elektrizität und werden mit einer patentierten Schicht aus Nanostrukturen überzogen. Diese spezielle Beschichtung ist in der Lage, Elektrolyte aus der im Blut enthaltenen Bernsteinsäure freizusetzen und einen messbaren Strom zu erzeugen.
Nanostrukturen ermöglichen sekundenschnelle Ergebnisse
Der Clou des neuen Tests liegt in eben diesen Nanostrukturen, die auf Bernsteinsäure reagieren. Diese Schicht vergrößert die Sensoroberfläche deutlich, sodass der aufgetragene Blutstropfen nicht nur über eine glatte Fläche gleitet, sondern mit einer vielfach größeren Oberfläche in Kontakt kommt. Das macht die enorm schnelle Reaktionszeit des Tests von nur zehn Sekunden möglich, die für den Einsatz bei schwerkranken Patienten unerlässlich ist. „Jede Minute zählt, wenn es um Leben und Tod geht“, sagt Svendsen.
Zudem zeigt sich der auf Nanostrukturen basierende Test als deutlich robuster im Vergleich zu anderen Sensoren, beispielsweise solchen, die auf Enzymen beruhen. Letztere sind nicht nur empfindlicher, sondern auch zeitaufwendiger in der Herstellung, da sie als zusätzliche Schicht auf den Chip aufgetragen werden müssen.
Neue Hoffnung für Betroffene im Schockzustand
Bisher waren Medizinerinnen und Mediziner oft gezwungen, in Notfällen unter hohem Zeitdruck eine Entscheidung über die bestmögliche Therapie zu treffen – ohne objektive Anhaltspunkte dafür zu haben, ob Patientin oder Patient eher von Adrenalin oder anderen Maßnahmen wie Betablockern profitieren. Der Bernsteinsäure-Test schafft dafür erstmals eine verlässliche Entscheidungsgrundlage. Anhand des gemessenen Wertes lässt sich schnell erkennen, ob der Adrenalinspiegel bereits kritisch erhöht ist und somit eine Behandlung mit Betablockern angezeigt wäre.
Die enge Zusammenarbeit zwischen der DTU und dem Rigshospitalet belegt zudem die Relevanz interdisziplinärer Kooperationen bei der Lösung komplexer medizinischer Probleme. Bis zur routinemäßigen Anwendung des Bernsteinsäure-Tests in der klinischen Praxis gibt es aber noch einige Herausforderungen zu meistern: In den kommenden zwei Jahren wird das Forscherteam der DTU das finale Testkit entwickeln, bestehend aus einem Chip für den Blutstropfen und einem Lesegerät zur Auswertung. Künftig soll das Ergebnis auch per Bluetooth auf ein Mobiltelefon übertragen werden können. Nach erfolgreicher Validierung und Zulassung für eine klinische Studie wird der Test an 200 Patientinnen und Patienten in den drei dänischen Krankenhäusern Herlev, Bispebjerg und Nordsjællands erprobt. Die mit elf Millionen Kronen vom dänischen Innovationsfonds geförderte Studie trägt den Titel „COMBAT-TOX“ und könnte schon bald viele Menschenleben retten.
Ein Beitrag von: