Botox gegen Schmerzen: Wie das Nervengift gezielt wirkt
Neue Erkenntnisse zeigen, wie Botox in Nervenzellen eindringt. Mit diesem Wissen kann das Nervengift gezielt zur Schmerztherapie genutzt werden.
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Botox kommt in der ästhetischen Medizin zum Glätten von Falten zum Einsatz. Das Nervengift lässt sich jedoch auch in der Schmerztherapie verwenden.
Foto: PantherMedia / focusandblur
Botulinum Neurotoxin A1, bekannt als Botox, wird nicht nur in der ästhetischen Medizin eingesetzt, sondern auch zur Behandlung verschiedener neurologischer Erkrankungen. Forschende des Paul Scherrer Instituts (PSI) haben nun herausgefunden, welche Strukturveränderungen dem Eindringen des Toxins in Nervenzellen vorausgehen. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die therapeutische Anwendung von Botox zu verbessern und gezielter gegen Schmerzen einzusetzen.
Inhaltsverzeichnis
Ein hochwirksames Nervengift mit medizinischem Potenzial
Botox ist eines der stärksten bekannten Nervengifte. Bereits in kleinsten Mengen kann es die Signalübertragung zwischen Nervenzellen und Muskeln blockieren. In der ästhetischen Medizin hilft es, Falten zu glätten, indem es Muskelkontraktionen reduziert. Doch Botox kann auch schwere Leiden lindern, etwa Spastiken, unkontrollierte Muskelkrämpfe oder chronische Schmerzen.
Zu hohe Dosen sind jedoch gefährlich: Wenn das Gift die Atemmuskulatur lähmt, kann es zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Eine bakterielle Lebensmittelvergiftung, bekannt als Botulismus, kann eine solche Vergiftung auslösen. Daher ist eine präzise Dosierung in der medizinischen Anwendung essenziell.
Das Geheimnis des Zell-Eindringens
Um die therapeutischen Einsatzmöglichkeiten von Botox zu erweitern, muss genau verstanden werden, wie das Toxin in Nervenzellen eindringt. Forschende am PSI haben nun mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie neue Erkenntnisse gewonnen.
Bislang war unklar, wie die Struktur des gesamten Toxin-Rezeptor-Komplexes aussieht. „Das liegt hauptsächlich daran, dass wir bisher keine vollständigen Strukturdaten hatten, wenn das Toxin an den Rezeptor gebunden ist“, erklärt Richard Kammerer vom PSI-Zentrum für Life Sciences.
Hochpräzise Untersuchungen bei -160 Grad
Um diese Wissenslücke zu schließen, arbeitete das Team von Kammerer mit der Forschungsgruppe von Volodymyr Korkhov zusammen. Diese Forschenden sind auf die Strukturaufklärung von Membranproteinen spezialisiert. Die Untersuchungen erfolgten mit einem Kryo-Elektronenmikroskop. Dabei werden die Proben auf -160 Grad Celsius schockgefroren. „So bleibt die Struktur erhalten, und wir können sie präzise analysieren“, erklärt Basavraj Khanppnavar, einer der Hauptautoren der Studie.
Mit dieser Methode konnten die Forschenden erstmals die vollständige Struktur des Neurotoxins sowie seine Wechselwirkungen mit dem Rezeptor in verschiedenen pH-Umgebungen untersuchen. Besonders spannend war der Einfluss des pH-Werts innerhalb der Nervenzellen auf das Toxin.
Wie der pH-Wert die Wirkung beeinflusst
Nach dem Andocken an den Rezeptor wird das Toxin in ein sogenanntes synaptisches Vesikel aufgenommen. Dort herrscht ein niedriger pH-Wert, der entscheidend für die nächste Phase des Prozesses ist: die Freisetzung des Toxins ins Zellinnere.
Bei neutralem pH-Wert (etwa 7) liegt Botox in einer länglichen Form vor, in der es kaum mit der Vesikelmembran interagieren kann. Sinkt der pH-Wert jedoch auf etwa 5,5, verändert das Toxin seine Struktur. „Es nimmt eine kompakte, kugelförmige Form an, wodurch seine entscheidenden Bereiche näher an die Membran gelangen“, beschreibt Korkhov. Erst in dieser Form kann das Toxin in das Zellinnere, das sogenannte Zytosol, gelangen und seine Wirkung entfalten.
Neue Erkenntnisse für die Schmerztherapie
Die PSI-Forschenden sind die ersten weltweit, die detaillierte Strukturdaten des vollständigen Toxin-Rezeptor-Komplexes vor der entscheidenden Translokation gewinnen konnten. „Damit haben wir jetzt eine viel realistischere Vorstellung von den entscheidenden Mechanismen“, erklärt Kammerer.
Bis die vollständigen Abläufe entschlüsselt sind, sind weitere Studien notwendig. Doch die neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Botox noch gezielter für die medizinische Behandlung von Schmerzen einzusetzen. So ließen sich vielleicht neue therapeutische Ansätze entwickeln, die Botox sicherer und wirksamer machen.
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