Chirurg will Kopf eines Menschen auf anderen Körper verpflanzen
Es wäre die umstrittenste Operation der Geschichte: Der italienische Neurochirurg Sergio Canavero plant 2017 eine Kopftransplantation. Er will die lebensfähigen Teile von zwei dem Tode geweihten Menschen zusammenfügen, um ein Leben zu retten. Fachleute bezweifeln die Machbarkeit. Und im Netz kursiert eine Verschwörungstheorie, die ebenso haarsträubend ist wie das medizinische Projekt.
„Stell dir vor, du tauschst mit deinem Freund den Kopf“, fordere ich meinen 10-jährigen Sohn auf. „Wer von beiden bist du hinterher?“ – „Na, beide“, antwortet Sohnemann spontan. Doch dann legt er eine Denkpause ein. „Nein, der mit meinem Kopf“, stellt er fest, scheint jedoch unsicher und grübelt weiter. „Aber unsere Lehrerin hat gesagt, dass alles von uns überall in unserem Körper ist. Also geht das ja eigentlich gar nicht mit dem Kopftauschen. Weil mein Freund und ich nicht zusammenpassen.“
Lebensfähige Körperteile von zwei Menschen für ein Leben
Die Zweifel, die schon das Kind an der Machbarkeit von Kopftransplantationen hegt, sind aus der aufgeklärten Sicht des Erwachsenen nicht nur ethischer, ja philosophischer Natur, sondern auch biologischer und medizinischer. Und doch behauptet der Neurochirurg Sergio Canavero aus Italien, dass bis 2017 die Chirurgie so weit sein könnte, den Kopf eines Menschen mit einem unheilbar kranken Körper auf den Körper eines anderen Menschen mit unheilbarer Kopfverletzung transplantieren zu können. Der Arzt will also die lebensfähigen Körperteile von zwei dem Tode geweihten Menschen zusammenfügen, um ein Leben zu retten. Nicht nur in Italien spricht man von einem Frankenstein-Projekt.
Für den gesunden Kopf hat Canavero von der Turin Advanced Neuromodulation Group bereits einen möglichen Spender gefunden: Der 30-jährige Russe Valery Spiridonov leidet an einer seltenen Muskelschwund-Krankheit, die ihn das Leben kosten wird. Wie es heißt, hat er sich bereits bei Sergio Canavero als Freiwilliger gemeldet.
Chirurgie ist in zwei Jahren soweit
Bereits im Jahr 2013 hatte Canavero sein Vorhaben öffentlich gemacht. Nach einem Bericht im „New Scientist“ geht er heute davon aus, dass die Chirurgie in zwei Jahren die größten Hürden einer Kopftransplantation bewältigen kann.
Dann werde man zum einen die Enden des durchtrennten Rückenmarks mit seinen unzähligen Nervensträngen korrekt miteinander verbinden können. Das ist wichtig, damit die Befehle vom Kopf unterhalb des Rumpfes im anderen Körper ankommen und die Empfindungen und Signale des Körpers im Gehirn. Zum anderen werde man verhindern können, dass das Immunsystem des Körpers den fremden Kopf abweist.
Canavero will sein Projekt im kommenden Juni auf der jährlich stattfindenden „Conference of the American Academy of Neurological and Orthopaedic Surgeons (AANOS)“ in Annapolis in Maryland vorstellen, heißt es im New Scientist weiter. Im Februar veröffentlichte er im Fachblatt „Surgical Neurology International“ medizintechnische Details zur geplanten Operation.
PEG klebt Nervenstränge zusammen
Mit Hilfe einer Chemikalie namens Polyethylenglykol (PEG) soll die korrekte Fusion des mit einem sauberen Schnitt durchtrennten Rückenmarks der beiden Spender gelingen. Im New Scientist werden die Enden des Rückenmarks mit zwei dicht gepressten Packungen Spaghetti verglichen, die miteinander verbunden werden müssen. Wie heißes Wasser, das trockene Spaghetti zusammenhefte, fördere PEG die Verschmelzung der Nervenzellen. Polyethylenglykol habe die Kraft, durchtrennte Axone, also die Fortsätze von Nervenzellen (Neuronen) miteinander zu verschmelzen und verletzte oder undichte Neuronen abzudichten, schreibt Canavero bei Surgical Neurology International.
Muskeln und Blutbahnen sollen einfach miteinander vernäht werden. Drei bis vier Wochen solle der Patient nach der Operation im künstlichen Koma liegen, um Bewegung zu verhindern. Implantierte Elektroden würden regelmäßige das Rückenmark elektronisch stimulieren, was die neuen Nervenverbindungen stärken würde. Wenn der Patient erwache, werde er in der Lage sein, das Gesicht zu bewegen und zu fühlen und mit gleicher Stimme zu sprechen, sagt Canavero voraus. Physiotherapeutisch unterstützt könne er innerhalb eines Jahres auch wieder laufen lernen.
Vermutung: Nur eine Marketing-Strategie
Unterdessen wird im Internet emsig an einer haarsträubenden Verschwörungstheorie gebastelt: Keine medizinische Sensation soll die Kopftransplantation von Sergio Canavero sein, sondern Virales Marketing für einen neuen Shooter namens „Metal Gear Solid 5: Phantom Pain“. Mitglieder des Gamerforums NeoGAF haben entdeckt, dass die Figur eines Doktors im Spiel Canavero wie aus dem Gesicht geschnitten ist.
Und auch im Spiel soll es um eine Kopftransplantation gehen. Die Entdeckung weiterer Parallelen boomt im Netz. Ein Redakteur des Blogs „Kotaku“ soll den Neurochirurgen zu seiner Rolle im Spiel befragt haben. Demnach habe Canavero aber so gewirkt, als habe er das Spiel vorher gar nicht gekannt, jegliche Zusammenarbeit mit dem Spieleentwickler verneint, und sich im Übrigen über seine Ähnlichkeit mit dem Doktor im Spiel geärgert.
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