Überraschende Studie 27.11.2024, 13:15 Uhr

CO2 zerstört das Klima, ist aber eigentlich gut für unsere Zellen

CO2 schadet der Umwelt, hilft aber unseren Zellen. Eine neue Forschung enthüllt, wie das Gas oxidativen Stress mindert und DNA-Schäden reduziert.

CO2

Kohlendioxid ist nicht nur ein wichtiger Faktor für den Klimawandel, sondern ist scheinbar auch nützlich für unsere Zellen.

Foto: PantherMedia / Hans-Joachim Bechheim

CO₂ gilt als Hauptverursacher des Klimawandels. Doch überraschende Forschungsergebnisse zeigen, dass das Gas eine schützende Rolle für unsere Zellen spielt. In bestimmten biochemischen Prozessen im Körper wirkt CO₂ wie ein unsichtbarer Schutzschild. Es mildert Zellschäden, die durch oxidativen Stress entstehen. Das haben Forschende der University of Utah herausgefunden.

Was passiert bei oxidativem Stress?

Unsere Zellen sind wahre Hochleistungsfabriken. Sie stellen Energie her, reparieren Schäden und sind unermüdlich im Einsatz. Doch diese Arbeit hat ihren Preis: Nebenbei entstehen schädliche Nebenprodukte wie Wasserstoffperoxid (H₂O₂). Dieses Molekül ist in geringen Mengen nützlich, da es als Signalmolekül dient und Ordnung im Zellhaushalt schafft. Gerät das System jedoch aus dem Gleichgewicht, etwa durch Entzündungen, hohe Stoffwechselaktivität oder Umweltfaktoren, entsteht sogenannter oxidativer Stress.

Oxidativer Stress entsteht, wenn freie Radikale – hochreaktive Moleküle – unkontrolliert in der Zelle agieren. Insbesondere die sogenannte Fenton-Reaktion ist ein Problem. Dabei reagiert Wasserstoffperoxid mit Eisen und bildet Hydroxylradikale, die wahllos DNA, RNA und Zellmembranen angreifen.

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„Oxidativer Stress ist ein Bestandteil vieler Krankheiten, darunter Krebs und neurologische Störungen“, erklärt Cynthia Burrows, Professorin für Chemie an der University of Utah. „Unser Ziel ist es, die chemischen Mechanismen hinter diesen Prozessen zu verstehen.“

Die überraschende Rolle von CO₂

Die jüngsten Forschungen des Teams um Burrows bringen eine überraschende Wende: CO₂ kann die zerstörerischen Auswirkungen der Fenton-Reaktion abmildern. Dabei wirkt CO₂ nicht direkt, sondern in Form von Bicarbonat, seiner gelösten Form im Zellmilieu. Bicarbonat verändert die Fenton-Reaktion, sodass statt der gefährlichen Hydroxylradikale weniger aggressive Carbonatradikale entstehen.

Die Wirkung dieser Carbonatradikale ist spezifisch. Während Hydroxylradikale wahllos Schäden anrichten, zielen Carbonatradikale gezielt auf das Guanin – eine der vier Basen der DNA. „Es ist, als würde man einen Dartpfeil werfen, der genau das Bullauge trifft. Guanin ist das Ziel, und der Schaden bleibt lokal begrenzt“, beschreibt Burrows die Ergebnisse.

Bicarbonat als unsichtbarer Zellschutz

Bicarbonat ist in unserem Körper vor allem als pH-Puffer bekannt. Es reguliert den Säure-Basen-Haushalt und sorgt dafür, dass wichtige biochemische Prozesse unter stabilen Bedingungen ablaufen können. Nun zeigt sich, dass Bicarbonat noch weit mehr leistet: Es bindet sich an Eisen und verändert die Chemie der Fenton-Reaktion. Dadurch schützt es die DNA vor den schlimmsten Schäden.

„Bicarbonat ist ein Schlüsselbestandteil unserer Zellchemie, der oft übersehen wird“, betont Burrows. „Es ist faszinierend, wie die Natur Mechanismen entwickelt hat, um Zellen vor den Gefahren des oxidativen Stresses zu bewahren.“

Was bedeutet das für die Forschung?

Die Entdeckung der schützenden Rolle von CO₂ und Bicarbonat könnte weitreichende Folgen für die Forschung haben. Viele Laborexperimente berücksichtigen die natürliche Zellumgebung nicht ausreichend. So werden Zellen oft in einer CO₂-reichen Atmosphäre gezüchtet, die ihre natürliche Umgebung nachahmt. Doch sobald die Experimente starten, wird das CO₂ häufig vernachlässigt, da es aus der Zellkultur entweicht.

„Es ist, als würde man eine Dose Bier öffnen. Sobald man das CO₂ entweichen lässt, verändert sich die Chemie der Zellen“, erklärt Burrows. Sie fordert, dass Bicarbonat oder CO₂ in Experimente integriert werden sollte, um realistische Bedingungen zu schaffen. „Ohne diesen Schutz können Ergebnisse verfälscht sein.“

Mögliche Anwendungen: Medizin und Raumfahrt

Die neuen Erkenntnisse könnten in verschiedenen Bereichen Anwendung finden. Zum einen könnten sie dabei helfen, neue Therapien gegen Krankheiten wie Krebs oder neurodegenerative Erkrankungen zu entwickeln. Wenn oxidativer Stress besser verstanden wird, könnten gezielte Ansätze entwickelt werden, um Zellschäden zu verhindern.

Ein weiteres spannendes Anwendungsgebiet ist die Raumfahrt. Astronautinnen und Astronauten sind in geschlossenen Umgebungen wie Raumkapseln einer erhöhten CO₂-Konzentration ausgesetzt. Burrows spekuliert, dass ein moderat erhöhter CO₂-Wert die DNA vor Strahlenschäden schützen könnte, die durch freie Radikale verursacht werden. „Es könnte sein, dass CO₂ in der Raumfahrt nicht nur ein Risiko, sondern auch ein Vorteil ist“, erklärt sie.

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Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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