Infektionsschutzgesetz 23.08.2021, 14:40 Uhr

Corona-Inzidenz wird abgeschafft – das bedeutet die grundlegende Änderung

Die Bundesregierung hat sich auf die Abschaffung der Corona-Inzidenz als Richtwert geeinigt. Was jetzt gilt.

Mann Corona Test nasal

Mann beim Corona-Test – die Inzidenzwerte sind zukünftig nicht mehr relevant.

Foto: panthermedia/netronstik

Corona-Inzidenzen wurden länger kontrovers diskutiert. Nun sollen sie als Richtwert wegfallen. Stattdessen beschließt das Bundeskabinett die Hospitalisierungsrate als wichtigsten Indikator.

Inzidenzwerte explodieren seit Tagen wieder vielerorts. Vor allem Nordrhein-Westfalen ist Hotspot in Deutschland. Laut neusten Zahlen des Robert-Koch-Instituts liegt sie am 23. August bei 103,3. Spielt das nun keine Rolle mehr? Das Corona-Kabinett ist sich einig und schafft die Infektions-Inzidenzwerte ab. Als neuer Indikator für die Belastung des Gesundheitssystems greift die Hospitalisierungsrate. Sprich: Es wird gewertet, wie viele Covid-19-Patienten behandelt werden müssen.

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Corona: Sieben-Tage-Inzidenzen entfallen

35, 50, 100: Diese Richtwerte haben monatelang unser Leben bestimmt. Die Zahlenwerte der Sieben-Tage-Inzidenz entfallen nun. Im Anschluss soll es eine Formulierungshilfe seitens Regierung für die Änderung des Infektionsschutzgesetzes geben.

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„Die 50er-Inzidenz im Gesetz hat ausgedient“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montagmorgen im ZDF. „Der neue Parameter ist die Hospitalisierung.“

Darunter versteht man die Covid-19-Patienten, die ins Krankenhaus aufgenommen werden.

Parallel betonte Spahn, dass die Abschaffung der Inzidenzwerte als Richtwert keine Entwarnung sei. Die 50er-Inzidenz habe aber für eine noch ungeimpfte Bevölkerung gegolten. Trotz steigender Impfquoten sei das Gesundheitssystem immer noch belastet.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hält die im Infektionsschutzgesetz festgeschriebene Schwelle von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche ebenfalls für verzichtbar. „Wir brauchen diese Inzidenzzahl nicht“, sagte sie.

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So bewertet das RKI die Gefahr für Geimpfte und Ungeimpfte

Das RKI stuft die Gesundheitsgefahr für Geimpfte als moderat ein. „Für Geimpfte ist die Situation weiterhin vergleichsweise entspannt“, sagt auch Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie.

Anders wird die Lage der Ungeimpften eingeschätzt – sie machten zuletzt den Großteil der im Krankenhaus Behandelten aus. Die meisten Fälle gibt es demnach in der Gruppe der 35- bis 59-Jährigen. Die Zahl der Menschen, die sich innerhalb einer Woche nachweislich mit dem Coronavirus anstecken, steigt rasant. Sie hat sich seit Anfang August verdreifacht.

2G-Regel statt 3G?

Ab 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche sei mit „einer erheblichen Belastung der Intensivstationen“ zu rechnen.  Mehr als 3.000 Intensiv-Patienten seien laut Analysen deutscher Mediziner zu erwarten, sofern die Impfquote nicht deutlich gesteigert werde.

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Indes merken Kritiker an, dass die aktuelle 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet) nun nicht mehr weit genug greift. Derzeit gilt: Wer nicht vollständig geimpft ist oder nicht als genesen gilt, muss in einen Antigen-Schnelltest oder einen PCR-Test vorlegen, wenn er an bestimmten Veranstaltungen teilnehmen oder bestimmte Bereiche betreten will. Tests werden zur Voraussetzung etwa für den Zugang zu Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, zur Innengastronomie, zu bestimmten Veranstaltungen und Festen wie Konzerten, oder zum Besuch beim Friseur. Auch Sport im Innenbereich oder Hotelübernachtungen sind von der 3G-Regel betroffen.

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SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach merkte an, dass mit der 3G-Regel der Kontrollverlust in der Pandemie drohe. Denn parallel zu den Inzidenzwerten steigt die Hospitalisierungszahl deutlich an. „Das ist so und war zu erwarten“, schreibt Lauterbach bei Twitter. „Auch in Israel und US stieg die Hospitalisierung als die Inzidenz stieg. Auch im Wahlkampf müssen unpopuläre Entscheidungen wie 2G möglich sein, wenn sonst die Kontrolle verlieren. In NRW droht der Kontrollverlust vor der Wahl noch.“ Eine 2G-Regel würde bedeuten, dass nur noch Geimpfte und Genesene bestimmte Bereiche des öffentlichen Raums betreten dürfen – ein Test würde dann nicht mehr ausreichen.

Ethikrat-Mitglied: Mehr Rechte für Geimpfte „prinzipiell angemessen“

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) allerdings hält das Konzept einer 2G-Regel für verfassungswidrig. Derartige Eingriffe in Freiheitsrechte müssten „gut begründet und verhältnismäßig sein“, sagte Lambrecht in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“. Eine derart schwerwiegende Beschränkung für Ungeimpfte könne man aus ihrer Sicht mit dem Infektionsschutz kaum rechtfertigen, so Lambrecht. Es mache einen Unterschied, ob ein Gastronom im Rahmen seiner Vertragsfreiheit nur Geimpfte und Genesene bediene, oder ob der Staat so etwas vorgebe. Hamburg plant derweil als erstes Bundesland die Einführung der 2G-Regelung im Herbst.

(mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Peter Sieben

    Peter Sieben schreibt über Forschung, Politik und Karrierethemen. Nach einem Volontariat bei der Funke Mediengruppe war er mehrere Jahre als Redakteur und Politik-Reporter in verschiedenen Ressorts von Tageszeitungen und Online-Medien unterwegs.

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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