Corona: Kann eine höhere Luftfeuchtigkeit die Verbreitung eindämmen?
Der Mediziner Walter Hugentobler glaubt: Ein zu trockenes Klima in Räumen und öffentlichen Gebäuden begünstigt die Ausbreitung des Coronavirus.
Seit Wochen sind wir isoliert. „Social Distancing“ heißt die Maßnahme, die die Corona-Infektionskurve abflachen und eine Überbelastung des Gesundheitssystems verhindern soll.
In den nächsten Tagen wird zudem die neue Corona-Warn-App zum Download zur Verfügung stehen: Mit ihrer Hilfe sollen sich Infektionsketten noch effektiver durchbrechen lassen.
Corona: Kann ein besseres Raumklima helfen?
Doch es gibt nach Ansicht des Mediziners Walter Hugentobler eine weitere bislang kaum beachtete Maßnahme im Kampf gegen Covid-19: Die Luftfeuchtigkeit in Räumen erhöhen.
„Luftfeuchtigkeit, Lufttemperatur und Luftbewegungen haben einen Einfluss auf die Aktivität und die Verteilung von Coronaviren in einem Raum“, so Hugentobler. Kann ein besseres Raumklima wirklich helfen, die Übertragung des Coronavirus einzudämmen?
„Wüstentrocken“ in vielen Gebäuden
Hugentobler glaubt ja. Der Mediziner war bis 2018 Lehrarzt an der Uni Zürich und forscht seit Jahrzehnten zu Interaktionen zwischen Innenraumklima und Gesundheit. Jetzt ist er Akademischer und Medizinischer Berater des Schweizer Luftbefeuchtungsanlagenbauers Condair.
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Er sagt: Räume mit einer relativen Luftfeuchtigkeit von 40 bis 60 % hätten das optimale Niveau für die menschliche Gesundheit. Erstens arbeite dann das Immunsystem am effektivsten. Zweitens könnten Viren wie das Coronavirus in trockener Luft mit einer relativen Luftfeuchtigkeit von weniger als 40 % besonders lange bestehen. Doch es sei „wüstentrocken“ in vielen Räumen, gerade auch in öffentlichen Gebäuden.
Sein Tipp: „Die meisten Wohnungen und Arbeitsplätze sind zu stark geheizt. Idealerweise sollte die Raumtemperatur 20 bis maximal 22 Grad nicht übersteigen. Das trägt auch dazu bei, dass die Luft weniger trocken ist. Höhere Heiztemperaturen sind ungesund, verbrauchen mehr Energie und senken die Luftfeuchtigkeit.“
Niedrige Luftfeuchtigkeit „Ideale Voraussetzungen für die Verbreitung von Viren“
Kann die nächste Heizperiode im Winter zu einem Wiederaufflammen von Corona führen? „Ob das Sars-Cov2-Virus oder eine Variante davon sich im nächsten Winter wieder verbreiten wird, kann niemand sicher voraussagen“, so Hugentobler. Aber er sei sich sicher, dass die sehr niedrige Luftfeuchtigkeit im nächsten Winter „ideale Voraussetzungen schaffen wird“ für die Verbreitung von Viren.
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Ähnlich wie Hugentobler sahen das auch andere Experten zu Beginn der Pandemie. Qasim Bukhari vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge etwa hatte ebenfalls vor einiger Zeit den Faktor Luftfeuchtigkeit in die Debatte eingebracht. Sein Argument: In Ländern, in denen die Erkrankungszahlen vor einigen Wochen am stärksten gestiegen waren, wie Italien und Iran, herrschen ähnliche Klimabedingungen wie in Hunan in China, wo sich das Virus zum Jahesbeginn stark ausgebreitet hatte.
Länder mit wärmerem und feuchtem Klima wie etwa Singapur beziehungsweise Malaysia oder Thailand, hätten hingegen niedrigere Wachstumsraten gehabt.
Forscher der University of Pittsburgh haben hingegen bereits vor anderthalb Jahren erklärt, dass es keinen Zusammenhang zwischen Luftfeuchtigkeit und der Aktivität von Viren gebe. Einer Studie der Wissenschaftler zufolge schützt eine Art Schleimschicht Viren in der Luft – die Luftfeuchtigkeit spiele dabei laut der Tests keine Rolle. Allerdings hatte das Team die Untersuchungen mit H1N1-Grippeviren vorgenommen. Aussagen über das Coronavirus lassen sich daraus nur bedingt ableiten.
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Insgesamt dürfte ein zu langer Aufenthalt in trockener Heizungsluft aber so oder so schaden, da sind sich die meisten Experten einig. „Der Umstand, dass wir seit den industriellen Revolutionen 90 % unserer Lebenszeit in Gebäuden verbringen und unser Immunsystem sich nicht mehr mit dem ganzen Angebot an Mikroben in der Natur auseinandersetzen kann, schadet unserem Immunsystem. Dies ist der Grund, weshalb Allergien und Immunkrankheiten stetig im Zunehmen begriffen sind“, sagt Walter Hugentobler.
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