Coronavirus: Jetzt sind Medikamente in Sicht
Mit Hilfe von Supercomputern haben US-Forscher vermutlich Wirkstoffe gefunden, die das Virus in Schach halten. Deutsche Kollegen wollen dagegen ein Enzym lahmlegen, das dem gefährlichen Mikroorganismus das Eindringen in Körperzellen ermöglicht.
Gleich 77 Wirkstoffe, die das Coronavirus, das den wissenschaftlichen Namen SARS-CoV-2 trägt, hemmen, haben amerikanische Forscher mit Hilfe von Supercomputern identifiziert, allerdings lediglich in Simulationen. Ob sie in der Praxis halten, was sie versprechen, muss sich noch herausstellen. Kollegen in Göttingen und Berlin haben dagegen schon ein konkretes Medikament im Visier, das in Japan bereits zur Behandlung von Entzündungen der Bauchspeicheldrüse zugelassen ist. Auch hier ist eine direkte Anwendung nicht möglich. Zuvor sind klinische Studien nötig. Doch die Chancen, das Virus bekämpfen zu können, stehen nicht schlecht.
Körper des Angegriffenen hilft dem Virus
Um in Körperzellen eindringen zu können braucht SARS-CoV-2 ausgerechnet von dem Hilfe, den es angreift. Ohne TMPRSS2, ein Enzym, das im menschlichen Körper gebildet wird, scheitert der Angriff des Virus. Diesen Mechanismus haben Forscher am Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen zusammen mit Kollegen der Charité – Universitätsmedizin Berlin und 5 weiteren Institutionen gewonnen. Die Wissenschaftler glauben, dass das Virus neutralisiert werden kann, wenn die Bildung des Enzyms mit Hilfe des Medikaments Camostat Mesilate verhindert oder wenigstens gedrosselt wird.
Im Labor hat die Behandlung schon funktioniert
Die Wissenschaftler untersuchten im Labor die Wirkung des Medikaments.
„Wir haben SARS-CoV-2 aus einem Patienten getestet und festgestellt, dass Camostat Mesilate das Eindringen des Virus in Lungenzellen blockiert“, sagt Markus Hoffmann, der Erstautor der Studie. Stefan Pöhlmann, Leiter der Abteilung Infektionsbiologie am Deutschen Primatenzentrum, ist sicher: „Damit haben wir einen Ansatzpunkt zur Bekämpfung des Virus gefunden.“ Hoffmann ist der gleichen Meinung: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Camostat Mesilate auch vor der Krankheit COVID-19 schützen könnte“, sagt Hoffmann. COVID-19 ist die wissenschaftliche Bezeichnung der Krankheit, die das Coronavirus auslöst.
Verwandt mit dem Auslöser der SARS-Pandemie
Weltweit zirkulieren verschiedene Coronaviren, die ständig Menschen infizieren und normalerweise nur milde Atemwegserkrankungen hervorrufen. SARS-CoV-2 ist jedoch von anderem Kaliber, auch wenn die Erkrankung meist glimpflich verläuft. Weltweit gibt es 90.000 Infizierte und mehr als 3.000 Tote. SARS-CoV-2 ist mit dem SARS-Coronavirus verwandt, das 2002/2003 die SARS-Pandemie ausgelöst hat. Für die Bekämpfung beider Viren stehen gegenwärtig weder Impfstoffe noch Medikamente zur Verfügung.
325 Billiarden Gleitkommaoperationen pro Sekunde
Wie lange es dauert, ehe das vielversprechende Medikament zur Bekämpfung von COVID-19 zugelassen wird – vorausgesetzt, die klinischen Tests verlaufen positiv –, ist noch offen. Ebenso der Einsatz des einen oder anderen Wirkstoffs, den US-Forscher als möglicherweise hilfreich ansehen. Mit Supercomputern, die zu den leistungsfähigsten auf der Welt gehören, rücken Forscher am Oak Ridge National Laboratory (ORNL) und am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in den USA dem Coronavirus zuleibe. Die Rechner schaffen pro Sekunde 325 Billiarden Gleitkommaoperationen. Ein Simulationsprogramm deckt auf, wie sich der Übertäter unter dem Einfluss von tausenden Wirkstoffen verhält.
Corona: Auf manchen Oberflächen bleibt das Virus lange ansteckend
Summit und Sierra heißen die Großrechner, die mit Power9-Prozessoren von IBM und Nvidias Beschleunigerkarten Tesla V100 bestückt sind. Im Summit des ORNL stecken 9216 IBM-Prozessoren mit je 22 Rechenkernen und 27.000 Tesla-V100-Beschleuniger. Sierra dient eigentlich dem US-Militär zur Atomwaffenforschung. Er beherbergt 8640 Power9-CPUs sowie 17.280 Tesla V100.
8.000 Simulationen in nur zwei Tagen
Mit Summit haben Micholas Smith und Jeremy C. Smith innerhalb von nur zwei Tagen das Verhalten von 8.000 Wirkstoffen auf SARS-CoV-2 getestet. Als Basis diente die Sequenzierung des Virus durch chinesische Forscher. Bei diesem Verfahren wird die Nukleotid-Abfolge in einem DNA-Molekül bestimmt. 77 dieser Wirkstoffe schwächten des Virus oder verhinderten gar dessen Andocken, sodass es nicht in die Körperzellen gelangen konnte.
Was in der Simulation gelang lässt sich nicht ohne weiteres auf die Wirklichkeit übertragen. Aus diesem Grund starten die Forscher weitere Simulationsläufe mit einem verbesserten Modell von SARS-CoV-2. Der Großrechner Sierra hat eine andere Aufgabe. Er simuliert das Verhalten von Antikörpern, wenn diese mit SARS-CoV-2 in Kontakt kommen. Letztlich müssen die Wirkstoffe, die das Virus in Schach zu halten scheinen, jedoch noch in der Praxis überprüft werden.
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