Das leistet Medizintechnik beim neuen Coronavirus
Rund 15.000 Menschen haben sich mit 2019-nCoV bisher infiziert, und mehr als 300 sind gestorben. In Deutschland ist ein Autozulieferer betroffen. Jetzt setzen Forscher auf moderne Medizintechnik, um Infektionen zu kontrollieren.
Ende Dezember 2019 beobachteten Ärzte in Wuhan, einer chinesischen Stadt mit elf Millionen Einwohnern, gehäuft Fälle von Lungenentzündungen mit zunächst unklarer Ursache. Die saisonale Grippe schied als Erklärung aus. Relativ rasch konnte ein neuartiges Coronavirus mit dem vorläufigen Namen 2019-nCoV aus Erkrankten isoliert werden. Zwar sind Coronaviren in der wissenschaftlichen Welt schon lange bekannt; 2019-nCoV wurde aber vor dem Ausbruch nicht nachgewiesen.
Angesichts rapide steigender Fallzahlen und fehlender Therapien steigt der Druck von Tag zu Tag. Medizintechnik und künstliche Intelligenz tragen dazu bei, die Erkrankung zu kontrollieren. Dazu gehören neben der Diagnostik auch die Suche nach Arzneistoffen zur Behandlung – und die Prävention über Impfungen.
Epidemien modellieren
Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen haben bereits zu Zeiten der SARS-Pandemie ein mathematisches Modell entwickelt, das jetzt erneut zu Ehren kommt. Damals zeigten sie anhand der Reiseroute von online erfassten US-Geldscheinen, dass die lokale Infektionsdynamik zu 95 % mit dem weltweiten Flugreiseverkehr übereinstimmt. Knotenpunkte sind internationale Flughäfen, während Straßen oder Bahnverbindungen nicht die Rolle spielen.
Die Erkenntnis veranlasste Behörden früh dazu, mehrere Regionen Chinas unter Quarantäne zu stellen und den internationalen Flugverkehr einzuschränken – nur mit teilweisem Erfolg: Eine chinesische Mitarbeiterin des Starnberger Automobilzulieferers Webasto hatte unwissentlich bei ihrem Besuch Kollegen infiziert; bis Samstag meldeten die Behörden sieben Erkrankungsfälle. Das Fatale daran: Die Kollegin wäre bei keiner Kontrolle aufgefallen. Sie hatte zum Zeitpunkt ihrer Anreise keine Beschwerden, übertrug aber trotzdem das neue Coronavirus. So kam es zu den ersten Infektionen auf deutschem Boden. Alle Patienten wurden isoliert, sind aber gesundheitlich in guter Verfassung.
Diagnostik im Labor
Erschwerend kommt bei der Diagnostik hinzu: Viren sind in Nasen- oder Rachen-Abstrichen zu stark verdünnt, um sie direkt nachzuweisen. Deshalb arbeiten Ärzte mit der RT-PCR-Diagnostik (Echtzeit-PCR oder Real-Time PCR), einer Polymerase-Kettenreaktion, um genetisches Material zu vermehren und erst dann zu detektieren.
Im Labor wird die Probe erhitzt. Dabei entstehen aus doppelsträngigen Strukturen des viralen Erbguts einzelne Stränge. Dann setzt man spezielle Startermoleküle (Primer) zu. Sie haben einen kurzen genetischen Code, der zum neuen Coronavirus passt wie zwei Puzzlestücke ineinander. Nach dieser Bindung setzt man das Enzym Polymerase und Bausteine von Nukleinsäuren zu. Das virale Erbgut wird künstlich vermehrt und anhand einer Fluoreszenzreaktion nachgewiesen. Das diagnostisches Verfahren liefert gute Ergebnisse, nimmt aber mehrere Stunden Zeit in Anspruch.
Antikörper-basierte Testkits gibt es derzeit noch nicht. Mehrere Labors arbeiten jedoch daran. Solche Systeme könnten sich dann für Arztpraxen ohne Labor oder für private Anwender eignen.
Auf der Suche nach Therapien
Von der Diagnostik zur Therapie. Forscher wählten angesichts der Notlage nicht den klassischen Weg, über Zellkulturen oder Tierexperimente Tausende Wirkstoffe zu untersuchen. Denn das kann Jahre dauern. Vielmehr arbeiteten sie mit molekularer Modellierung (Molecular Modelling) und mit Systemen der künstlichen Intelligenz.
Im ersten Schritt wurde das Erbgut des neuen Coronavirus bestimmt. Diese Sequenzierung liefert Informationen zur Abfolge der Basen, also des genetischen Alphabets. Diese Daten verglichen Forscher mit anderen, schon bekannten Viren. Sie fanden nicht nur heraus, dass 2019-nCoV vermutlich von Schlangen oder Fledermäusen abstammen. Vielmehr entdeckten sie im Erbgut Baupläne für ein spezielles Enzym, nämlich eine Protease. Sie ist erforderlich, damit Corinaviren menschliche Zellen überhaupt infizieren.
Am Computer wurde die Raumstruktur des interessanten Enzyms modelliert. Dann suchten Forscher nach Molekülen, um das Enzym zu hemmen. Bei diesem Verfahren simulierte ein Rechner die Wechselwirkung von mehreren hundert bekannten Molekülen und verbesserten Ergebnisse anhand von KI. Vier davon erwiesen sich als aussichtsreiche Kandidaten für klinische Studien. Der Pluspunkt: Sie sind bereits zur Behandlung anderer Erkrankungen zugelassen und müssen nicht mehr toxikologisch untersucht werden. Außerdem könnte sich die Protease zur Entwicklung von Impfstoffen eignen.
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