Dieser Anzug registriert jede Bewegung und Muskelregung
Einseitig gelähmt? Der Arm will nicht mehr so richtig? Die meisten Menschen haben nach einem Schlaganfall Probleme. Doch wie entwickelt sich die Beweglichkeit nach der Reha? Was kann man besser machen? Den Antworten darauf sind niederländische Ingenieure mit einem Ganzkörperanzug auf der Spur, der mit seinen Sensoren jede Zuckung registriert.
Der Anzug ist eng anliegend, eher funktional als kleidsam und sieht ein wenig aus wie Funktionsunterwäsche. Darum handelt es sich genau genommen auch: 41 Sensoren stecken im Stoff, die jede Bewegung des Trägers aufzeichnen. Auf den Händen, auf den Streckmuskeln des Rückens, selbst an den Fußsohlen registrieren die empfindlichen Stückchen Technik alle Regungen des Trägers, speichern sie und leiten sie weiter.
Sensoren übernehmen Monitoring nach der Reha
Was sich wie die Ausrüstung eines Animations-Filmstudios anhört, gehört vielmehr in die Produktpalette eines Sanitätshauses: Der sensible Anzug namens Interaction-System stammt aus dem Labor des niederländischen Wissenschaftlers Bart Klaassen von der Fachgruppe „Biomedical Signals and Systems“ des Forschungsinstitutes MIRA an der Universität Twente im niederländischen Enschede.
Er dient der Überwachung von Schlaganfall-Patienten. Und davon gibt es immer mehr: Rund 280.000 Menschen erleiden allein in Deutschland einen Schlaganfall – jedes Jahr. Doch obwohl dank medizinischen Fortschritts und einer erhöhten Sensibilität in der Bevölkerung viele der Betroffenen gerettet werden können: Der Anfall beeinträchtigt die motorischen Fähigkeiten gewaltig, oft für immer.
Während die Patienten in der Reha in der Regel intensiv betreut werden und die Forschung auf diese Weise viele Informationen zur Beweglichkeit der Betroffenen erhält, ist damit Schluss, sobald die halbwegs mobilisierten Patienten wieder zuhause sind. Niemand weiß wirklich, wie diese Menschen mit den Herausforderungen des Alltags umgehen und ob sich die Bewegungsabläufe weiter verändern.
Forscher, Pflegeexperten und Ingenieure im Team
Diesen Informationsabriss soll der Sensoranzug der Niederländer verhindern. Gemeinsam mit einem großen Team aus Ingenieuren und Pflegeexperten baute Klaassen das Hightech-Kleidungsstück im Rahmen eines europäischen Forschungsprojektes.
Neben den bereits erwähnten 41 Sensoren enthält es die komplette Infrastruktur, die für das Speichern, Verarbeiten und Übermitteln der Informationen nötig ist – einschließlich Batterien und Sender. Damit können die Daten jederzeit per Internet an Datenverarbeitungsserver der Universität Twente geschickt werden.
Noch ist der Anzug in der Erprobungsphase: Drei Monate lang haben ihn freiwillige Probanden unter der Kleidung getragen, ihre Bewegungsdaten zur Verfügung gestellt und – im Sinne eines benutzerzentrierten Design-Ansatzes – ihr persönliches Feedback gegeben, um das System auch noch in diesem Stadium verbessern zu helfen.
Bart Klaassen, der das Projekt für seine Promotion nutzt, ist zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen. „Es ist uns gelungen, alle relevanten Bewegungen zu modellieren und die Daten heraus zu filtern, die für den Therapeuten relevant sind“, erklärte er. „Unser Projekt hat neue Techniken und Methoden geliefert, die es möglich machen, den Patienten über einen längeren Zeitraum hinweg zu monitoren und Abweichungen mit strukturierten klinischen Daten zu erfassen.“
Technischer Fortschritt macht Projekt erst möglich
Dass der Anzug erst jetzt gebaut wurde, obwohl der Bedarf schon länger bestehe, liegt nach Angaben der Niederländer schlicht am technischen Fortschritt. Der Anzug nutze neueste Technik aus den Bereichen Batterietechnologie, Wearable Computing, smarte E-Textilien und Big-Data-Analyse – allesamt Gebiete, in denen sich gerade in letzter Zeit viel getan hat.
Und wie ein ganz besonderer Handschuh Motorik und Tastsinn der Hand nach einem Schlaganfall verbessert, das lesen Sie hier.
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