Dieser Corona-Nachweis stellt Antigen-basierte Tests in den Schatten
Forschende aus den USA haben mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen einen neuartigen Sensor entwickelt, der SARS-CoV-2 ohne Antikörper nachweisen kann und innerhalb von Minuten ein Ergebnis liefert. Ihre neue Technologie führt zu schnellen und genauen Diagnosen – nicht nur bei Corona, sondern auch bei anderen Viren.
Der Winter naht, und viele Virologinnen beziehungsweise Virologen rechnen mit der nächsten Corona-Welle. Schon jetzt steigt die Sieben-Tage-Inzidenz laut Robert Koch-Institut deutlich an, zuletzt auf 118 Fälle pro 100.000 Einwohner, Stand 27. Oktober 2021. Impfungen schützen vor schwerem Covid-19 mit Behandlung im Krankenhaus. Durchbruchsinfektionen können dennoch vorkommen. Und so bleiben auch am Ende des zweiten Corona-Jahrs Antigen-basierte Schnelltests eine wichtige Strategie der Pandemie-Bekämpfung.
Sie haben jedoch zwei entscheidende Schwachstellen. Antigen-Schnelltests sind nicht so sensitiv wie PCR-Tests und damit weniger aussagekräftig. Außerdem liegen Ergebnisse erst nach 15 Minuten vor. Das erschwert Untersuchungen direkt vor dem Werkstor, dem Flugzeug, dem Kino oder dem Fußballstadion. Bislang gibt es keine Technologie, die Ergebnisse in wenigen Minuten bereitstellt. Jetzt ist es einer internationalen Forschergruppe gelungen, Sensoren auf Basis von Kohlenstoff-Nanoröhren zu entwickeln. Sie liefern akkurate Ergebnisse in kurzer Zeit.
Corona-Totimpfstoff Valneva: Was hinter dem großen Missverständnis steckt
Strategien der molekularen Erkennung von Corona-Viren
Bereits vor einigen Jahren arbeiteten Forschende an einem neuen Sensor für Moleküle aller Art. Ihre Technik beruht auf Kohlenstoff-Nanoröhren, sprich hohlen, nanometerdicken Zylindern aus Kohlenstoff, die unter Bestrahlung mit Laserlicht fluoreszieren. Mehrere Arbeitsgruppen haben gezeigt, dass sich durch Umhüllen dieser Röhren mit Polymeren Sensoren bauen lassen, die auf bestimmte Zielmoleküle reagieren, indem sie diese chemisch erkennen.
Grundlage der Sensoren sind amphiphile Polymere. Sie haben hydrophobe, lipophile Bereiche, die wie Anker an den Röhren binden. Hinzu kommen hydrophile Bereiche, die eine Reihe von Schleifen bilden und sich von den Röhren weg in den Raum strecken. „Hydrophil“ steht für die Eigenschaft, mit polaren Stoffen zu wechselwirken, und „lipophil“ beziehungsweise „hydrophob“ steht für Interaktionen mit unpolaren Medien.
Je nach Art und Anordnung der Polymere können sich verschiedene Arten von Zielmolekülen zwischen den Schleifen verkeilen. Bei der Bindung des Zielmoleküls verändert die Intensität oder Spitzenwellenlänge der von der Kohlenstoffnanoröhre erzeugten Fluoreszenz.
Pandemie: Das kostet ein Corona-Test ab heute
Rasche Entwicklung eines Sensors für SARS-CoV-2
Die innovative Technologie zielte ursprünglich nicht auf Covid-19 ab. Als im Zuge der Pandemie aber klar wurde, welche Nachteile Antigen-basierte Tests haben, kontaktierte ein Hersteller von Diagnostika die Forschenden.
Innerhalb von nur zehn Tagen konnten sie Sensoren sowohl für das Nukleokapsid als auch für das Spike-Protein des Coronavirus herstellen. Unter Nukleokapsid versteht man die Hülle eines Virus aus Eiweißen inklusive des Erbguts. Das Spike-Protein, ein Eiweiß an der Oberfläche, ermöglicht es SARS-CoV-2, an menschliche Zellen zu binden und diese zu infizieren.
In dieser kurzen Zeit gelang es auch, Sensoren in einen Prototyp mit einer faseroptischen Spitze einzubauen, um Fluoreszenzveränderungen in der Probe in Echtzeit zu erkennen. Das Gerät liefert innerhalb von fünf Minuten Resultate und kann Konzentrationen von nur 2,4 Pikogramm viraler Proteine pro Milliliter Probe nachweisen. In weiteren Experimenten haben die Forschenden eine Nachweisgrenze erreicht, die niedriger als bei Schnelltests liegt. Außerdem lässt sich das SARS-CoV-2-Nukleokapsidprotein im Speichel nachweisen, was Rachen- oder Nasenabstriche überflüssig machen könnte. Ihre neue Strategie bezeichnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Corona Phase Molecular Recognition (CoPhMoRe). Sie haben bereits ein Patent dafür angemeldet.
Nach der Pandemie ist vor der Pandemie
Die Geschwindigkeit, mit der Forschende einen funktionsfähigen Prototyp für ein neues Molekül entwickeln konnten, spricht für sich. Sensoren, die auf Antikörpern basieren, um virale Proteine zu erkennen, benötigen mehr Zeit für die Entwicklung. Denn spezifische Antikörper lassen sich nicht von heute auf morgen herstellen. Die biotechnologische Synthese ist aufwändig. Mit der Nanotechnologie dauert das nur etwas mehr als eine Woche: ein Pluspunkt für künftige Pandemien.
Dass neue Viren auftreten, gilt bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als wahrscheinlich. Zwei Beispiele: Schleswig-Holstein meldete vor einer Woche den ersten Fall mit Geflügelpest. Und bereits im Frühjahr soll sich ein Jugendlicher mit dem Influenza-A-Virus H1N1, es kommt normalerweise in Schweinen vor, infiziert haben. Bislang ist eine neue Katastrophe ausgeblieben; die Viren haben sich dem menschlichen Körper nicht angepasst. Wann dies geschieht, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Und es muss keine Grippevirus sein, siehe Corona.
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