Dieser Impfstoff macht die größte Hoffnung
In Deutschland startet eine Studie mit RNA-Impfstoffen. Sie lassen sich schnell in großer Menge herstellen und führen zu einer guten Immunantwort. Welche anderen Strategien verfolgen Wissenschaftler gegen Corona noch?
Die Zahl an neuen Infektionen mit dem Coronavirus Sars-Cov-2 geht laut Angaben des Robert Koch-Instituts in Berlin weiter zurück. Forscher warnen aber vor falscher Sicherheit. So lange es keinen Impfstoff gibt, sind weitere Infektionswellen denkbar. Das ist von der sogenannten „Spanischen Grippe“ bekannt. Sie grassierte zwischen 1918 und 1920 in mehreren, unterschiedlich schweren Phasen.
Um dies zu vermeiden, arbeiten zahlreiche Labors weltweit an Impfstoffen. Das Paul Ehrlich-Institut in Langen hat jetzt grünes Licht für eine kombinierte Phase-1- und Phase-2-Studie gegeben, um RNA-Impfstoffe an gesunden Menschen zu untersuchen. RNA steht für Ribonukleinsäuren, also Moleküle, die genetische Informationen tragen.
Klinische Studien der Phasen 1 und 2 kombinieren
Zum Hintergrund: Impfstoffe werden zuerst in Tierexperimenten überprüft. Gibt es keine Bedenken, folgen Studien der Phase 1 mit einer kleinen Zahl an Probanden. Hier geht es vor allem um die Sicherheit. Ziel von Phase 2 ist, die ideale Dosis eines Impfstoffs zu finden. Auf Nebenwirkungen wird verstärkt geachtet. Die Phase 3 umfasst dann eine größere Zahl an Teilnehmern. Das können mehrere hundert bis tausend Personen sein. Sie erbringt im Idealfall den Nachweis der erwünschten Wirkung und liefert Daten für Zulassungen bei Arzneimittelbehörden.
Um angesichts der Pandemie Zeit zu sparen, werden jetzt die Phasen 1 und 2 kombiniert. Wissenschaftler untersuchen mehrere RNA-Impfstoffe des Mainzer Biotechnologieunternehmens BioNTech an 200 gesunde Probanden im Alter von 18 bis 55 Jahren (Phase 1). Nach einer Wartezeit werden weitere Menschen eingeschlossen, die auch zu Risikogruppen gehören (Phase 2).
RNA-Impfstoffe: Immunologisch relevante Eiweiße entstehen im Körper
Zum Einsatz kommen unterschiedliche RNA-Impfstoffe. Die Moleküle tragen genetische Informationen über das ganze Spike-Protein oder über Teile davon. Diese Eiweiße sitzen außen an der Hülle von Coronaviren und sehen wie Zacken einer Krone aus. Sie haben Erregern ihren Namen verliehen. Man weiß heute, dass Spike-Proteine erforderlich sind, damit das Virus Zellen überhaupt infizieren kann.
Im Impfstoff sind genetische Daten zum Bauplan dieser Eiweiße enthalten. Nach dem Spritzen beginnen Zellen, Spike-Proteine anhand dieser Information herzustellen, ohne dass eine Erkrankung ausgelöst wird. Diese Proteine führen zum Aufbau einer schützenden Immunantwort gegen Sars-Cov-2.
Aus Labordaten und aus Tierexperimenten kennt man heute einige Vorteile der RNA-Vakzine. Diese lassen sich schnell in großer Menge herstellen. Hohe Sicherheitsvorkehrungen und lebendes Material wie bei der Produktion von Grippeimpfstoffen in Hühnereiern braucht man nicht. Hinzu kommt, dass RNA-Impfstoffe zu einer starken Immunantwort führen. Und nicht zuletzt ist die Verträglichkeit dieser Vakzine gut.
Weitere Ansätze kosten Zeit
Bislang gibt es keine RNA-Impfstoffe auf dem Markt. Hersteller betreten hier Neuland. Zeitgleich untersuchen andere Firmen etablierte Strukturen der Impfstoffentwicklung. Diese Strategien kosten aber mehr Zeit.
Bei Lebendimpfstoffen erhalten Patienten geringe Mengen eines Coronavirus. Dieser Erreger leitet sich zwar von zirkulierenden Sars-Cov-2-Erregern ab. Er wurde aber so manipuliert, dass es nicht mehr zu Erkrankungen kommt. Bekannte Beispiele von Lebendimpfstoffen sind die Vakzine gegen Mumps, Masern, Röteln oder Varizellen (Windpocken).
Auch chemisch abgetötete Viren erzeugen eine Immunantwort, falls sie biologisch aktive Eiweiße an der Oberfläche tragen: ein Prinzip, das man von Grippeviren kennt. Die Möglichkeit, nur immunologisch relevante Bruchstücke des Virus zu spritzen, wird ebenfalls erforscht. In beiden Fällen kommt es nicht zu Infektionen.
Als innovative Strategie gelten Vektor-basierte Impfstoffe. Sie werden aus Viren, die für Menschen harmlos sind, hergestellt. Dazu zählen das modifizierte Measles Virus Ankara (MVA), das Vesicular Stomatitis Virus (VSV) oder das Adenovirus (Ad). Im nächsten Schritt bringt man Teile des Erbguts von Sars-Cov-2 in diesen Vektor. Er stellt im Körper das zugehörige Eiweiß her, beispielsweise das Spike-Protein. Darauf reagiert das menschliche Immunsystem. Zugelassene Impfstoffe nach diesem Prinzip dafür gibt es nicht.
Wann kommt der Impfstoff?
Hersteller rechnen damit, in sechs bis 18 Monaten die ersten RNA-Impfstoffe zu produzieren. Die Unsicherheit ist groß, weil man noch nicht weiß, welche Menge ein Patient benötigt, damit das Immunsystem den erforderlichen Schutz aufbaut.
Damit wird es aber nicht getan sein. Schließlich sollten alle Menschen weltweit geimpft werden. Keine Firma wird das allein bewältigen; Zusammenarbeit ist gefragt. Und Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, fordert, schon jetzt geeignete Konzepte für eine gestaffelte Verteilung zu entwickeln.
„Besonders wichtig ist es, zunächst die Beschäftigten im Gesundheitswesen zu schützen, um die gesundheitliche Versorgung sicherzustellen“, so Reinhardt. Anschließend müssten Risikogruppen versorgt werden, danach die Allgemeinbevölkerung.
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