Schutz vor Wundliegen: Forschende der EMPA finden Lösung
Die Haut ist ein sensibles Organ. Sie zu lange an ein- und derselben Stelle zu belasten, kann Schäden verursachen. Betroffen von Wundliegen sind häufig Menschen, die ohnehin schon schwer erkrankt sind. Forschende der Empa haben eine Lösung davor gefunden.
Im Schlaf drehen wir Menschen uns zwischen 30- bis 80-mal. Das ist normal und unterstützt Muskeln, Sehnen, Knochen und Gelenke bei der Kräftigung. Zugleich sind die nächtlichen Bewegungen auch positiv für die Haut. Dieses sensible Organ kommt nicht gut damit zurecht, wenn über längere Zeit zu viel Druck auf derselben Stelle lastet. Dann kommt es nach einiger Zeit zu sogenannten Druckverletzungen. Nun gibt es Menschen, die sich nicht von alleine bewegen können oder bettlägerig sind. Dazu zählen zum Beispiel Neugeborene im Krankenhaus, ältere Menschen und solche, die im Rollstuhl sitzen. Gerade für sie ist eine regelmäßige Bewegung enorm wichtig. Ist diese nicht gewährleistet, entstehen schnell Wunden, Infektionen und Schmerzen.
Winzige Federn lassen Mikroroboter lebendig werden
Forschende von der Empa in der Schweiz haben herausgefunden, dass manche Erkrankungen durch Druckverletzungen, die durch falsches Liegen entstehen, sogar noch schlimmer werden können. Sie sehen die Lösung daher vor allem in der Prophylaxe. Wenn Schäden an der Haut erst gar nicht entstehen, würde dies nicht nur den Patientinnen und Patienten weniger Schmerzen bereiten, sondern auch eine hohe Summe Gesundheitskosten einsparen.
Matratze für Neugeborene, die sich anpasst
Es gibt bereits einige sinnvolle Hilfsmittel wie Wechseldrucksysteme, die den Druck in Matratzen verändern. Die meisten Lösungen für Erwachsene konzipiert. Nun hat sich eine Forschergruppe nicht nur mit diesen Patientinnen und Patienten beschäftigt, sondern auch mit Neugeborenen. Grundsätzlich sei die Haut eines Säuglings ebenso empfindlich wie die eines älteren Menschen. Dennoch unterscheiden sich die Ansprüche der Haut je nach Alter. Neugeborene, die zum Beispiel auf einer Intensivstation behandelt werden, haben eine ganz besonders empfindliche Haut, über die sowohl Wärme als auch Flüssigkeit verloren geht. Die Haut von Erwachsenen reagiert besonders empfindlich auf Reibung, das Gewebe, auf dem sie liegt und wie atmungsaktiv es ist. Hier sind es also vor allem Textilien, die im Mittelpunkt stehen.
Für Neugeborene haben sich die Forschenden deshalb mit einer besonderen Matratze beschäftigt. Das Gewicht der kleinen Menschen ist sehr unterschiedlich, ebenso auch die Erkrankungen. Um eine optimale Liegefläche zu finden, betrachteten die Forschenden vor allem die einzelnen Druckverhältnisse an den verschiedenen Körperstellen von Neugeborenen. „Unsere Drucksensoren haben gezeigt, dass Kopf, Schultern und untere Wirbelsäule die Zonen mit dem größten Risiko für Druckstellen sind“, sagt Simon Annaheim vom Biomimetic Membranes and Textiles-Labor in St. Gallen.
Drucksensoren in Matratze soll helfen
Auf Basis der Ergebnisse entwickelte das Forscherteam um Simon Annaheim eine luftgefüllte Matratze mit verschiedenen Kammern. In drei davon befinden sich Drucksensoren und ein Mikroprozessor. Dadurch kann die Matratze mithilfe einer elektronischen Pumpe optimal befüllt werden – und zwar jede einzelne Kammer für sich. Die Matratze besteht zudem aus einer flexiblen Polymermembran und aus mehreren Schichten. Das hautschonende Gewebe weist zudem keine Kanten auf.
Inzwischen gibt es einen Prototyp der Matratze, auf dem Neugeborene bereits liegen konnten. Die Ergebnisse zeigten, dass diese besondere Matratze im Vergleich zu einer herkömmlichen Schaumstoffmatratze den Druck auf die Körperstellen, die besonders gefährdet sind, um bis zu 40 Prozent reduzieren konnte. Nach dieser ersten Pilotstudie ist schon eine größer angelegte Studie geplant. Das Kinderkrankenhaus Zürich hat bereits Kooperationsbereitschaft gezeigt.
Sensoren im Gewebe sollen Erwachsenen helfen
Während es für die Kleinsten eine besondere Matratze ist, die Abhilfe schaffen soll, könnten es für Erwachsene intelligente Sensoren sein. Mit ihrer Hilfe ließen sich möglicherweise die Risiken eines Gewebeschadens reduzieren. Denn im Gegensatz zu gesunden Menschen fehlt zum Beispiel Koma-Patientinnen und -Patienten oder auch Menschen mit Querschnittslähmung ein Reflex, der bei Sauerstoffmangel im Gewebe eine Bewegung auslöst. Wer allerdings längere Zeit in gleicher Position liegt, bei dem lastet der Druck des Körpers auf den gleichen Stellen, was zu Durchblutungsstörungen und gleichzeitig auch zu einer Sauerstoffunterversorgung des Gewebes führen kann. Daraus entstehen dann schnell sogenannte Dekubitus-Gewebeschäden.
Gemeinsam mit Fachleuten der Universität Bern, der Fachhochschule OST und der Bischoff Textil AG in St. Gallen entwickelten die Empa-Forschenden ein Sensorsystem aus smarten Textilien. „Die hautverträglichen textilen Sensoren enthalten zwei verschiedene funktionelle Polymerfasern“, sagt Luciano Boesel vom Biomimetic Membranes and Textiles-Labor in St. Gallen. Gemeinsam mit dem Team kombinierte er Druck-sensitive Fasern mit lichtleidenden Polymerfasern, die eine Sauerstoffmessung ermöglichen. Sobald nun der Sauerstoffgehalt in der Haut sinkt, senden die Sensoren ein Signal, das ein steigendes Risiko für Gewebeschäden entsteht. Sowohl Patientin und Patient oder auch das Pflegepersonal können diese Daten direkt erhalten, sodass unmittelbar eine Reaktion möglich ist. Die Forschungsergebnisse entstanden im Rahmen des Projekts „ProTex“ und die Forschenden haben bereits Patente auf ihre Entwicklungen erhalten. „Die Erkenntnisse und Technologien aus ProTex werden künftig weitere Anwendungen im Bereich der tragbaren Sensorik und der smarten Kleidung ermöglichen“, sagt Boesel.
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