So misst die Smartphone-Kamera den Sauerstoffgehalt im Blut
Statt umständlicher Messungen, die nur in einer Arztpraxis oder einem Krankenhaus durchgeführt werden können, übernimmt künftig das Smartphone diese Aufgabe. Zumindest, wenn es nach einer US-amerikanischen Forschergruppe geht. Sie erzielte erste Erfolge, den Sauerstoffgehalt im Blut per Smartphone-Kamera zu messen.
Bei einem gesunden Menschen sollte der Sauerstoffgehalt im Blut mindestens bei 95% liegen. Das liegt daran, dass der Körper sehr viel Sauerstoff benötigt, um gut zu funktionieren. Sinkt der Wert unter 90%, kann das ein erstes Anzeichen sein, dass der Mensch medizinische Hilfe benötigt. Zum Beispiel verschiedene Lungenerkrankungen wie Asthma oder auch COVID-19 sorgen dafür, dass die Aufnahme des Sauerstoffs erschwert wird. Deshalb messen Medizinerinnen und Mediziner dem Wert einerseits so viel Bedeutung zu und nutzen ihn andererseits als Indikator, um Krankheiten und Problemen auf die Spur zu kommen.
Befinden sich Menschen in einem Krankenhaus, überwachen Ärztinnen und Ärzte den Sauerstoffgehalt mit sogenannten Pulsoximetern. Das ist in der Regel ein kleiner Clip, den Patientinnen und Patienten entweder über die Fingerspitze stülpen oder am Ohrläppchen festklemmen. Forschende der Universitäten Washington und Kalifornien San Diego haben nun herausgefunden, dass die Sauerstoffsättigung auch mit dem Smartphone messbar ist. Setzt sich diese Methode durch, würde das die Überwachung von erkrankten Menschen deutlich erleichtern. Nahezu jeder Mensch hat heute ein Smartphone und es meistens sogar immer bei sich. Das heißt, es entstehen keine zusätzlichen Kosten, weil das Gerät schon vorhanden ist. Außerdem können Nutzerinnen und Nutzer so den Sauerstoffgehalt im Blut überall messen. Sie müssen dafür weder in eine Arztpraxis noch in ein Krankenhaus.
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Smartphone misst Sauerstoffgehalt im Blut: Forschende trainieren passenden Algorithmus
Im Rahmen einer sogenannten „Proof-of-Principle-Studie“ kam heraus, dass Smartphones die Sättigungswerte des Blutsauerstoffs von bis zu in 70% erkannt haben. Das entspricht dem niedrigsten Wert, den auch ein Pulsoximeter erkennen muss – vorgegeben von der US-amerikanischen Food and Drug Administration. Doch wie funktioniert die Messung mit dem Smartphone? Das geht relativ einfach: Die Teilnehmenden der Studie mussten dafür ihren Finger auf die Kamera und den Blitz des Smartphones legen. Ein sogenannter Deep-Learning-Algorithmus entschlüsselt dann den Blutsauerstoffgehalt. Insgesamt sechs Menschen nahmen an der Studie teil. Sie bekamen dafür eine bestimmte Mischung aus Stickstoff und Sauerstoff verabreicht. Das sollte ihren Blutsauerstoffspiegel künstlich reduzieren. Bei den Messungen erkannte das Smartphone in 80% der Fälle die zu niedrigen Werte.
Den Algorithmus trainierten die Forschenden entsprechend. Deshalb führten sie die Messungen an den Teilnehmenden parallel mit dem Smartphone und einem Standard-Pulsoximeter durch. „Die Kamera nimmt ein Video auf. Jedes Mal, wenn das Herz schlägt, fließt frisches Blut durch den vom Blitz beleuchteten Teil“, sagt Edward Wang, Assistenzprofessor am Design Lab der UC San Diego und am Department of Electrical and Computer Engineering. „Die Kamera zeichnet auf, wie stark das Blut das Licht des Blitzes in jedem der drei Farbkanäle, die sie misst, absorbiert: rot, grün und blau. Die Ergebnisse fließen dann in das Deep-Learning-Modell.“ Insgesamt erfasste das Team mehr als 10.000 Blutsauerstoffwerte zwischen 61 und 100%.
Einfach zu handhaben und praktisch im Alltag: Smartphone als Messgerät
Es ist nicht der erste Versuch, mit einem Smartphone solche Messungen durchzuführen. Doch die Apps, die es gibt, fordern die Nutzerinnen und Nutzer meistens dazu auf, den Atem sehr lange anzuhalten. Das ist wenig praktikabel. Denn es dauert relativ lange, bis der Sauerstoffspiegel im Blut sinkt und man relevante klinische Daten erhält. Die Luft so lange anzuhalten, ist für gesunde Menschen schon kaum möglich, für Lungenkranke nicht zu schaffen. Der neue Test ermögliche es dagegen, in 15 Minuten Daten von jedem Teilnehmenden zu sammeln.
Die Forschenden wurden sogar mit ungewöhnlichen Voraussetzungen konfrontiert: Einer der Studienteilnehmer hatte dicke Schwielen an den Fingern. Das war für den Algorithmus dann deutlich schwieriger, die richtigen Werte zu ermitteln. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen deshalb, die Studie ausdehnen zu können. Das gäbe ihnen die Möglichkeit, den Algorithmus weiter zu trainieren, zum Beispiel auch mit mehr Menschen unterschiedlicher Hautfarben. Denn nur so ließe sich herausfinden, ob der Algorithmus ausreichend Komplexität habe, all diese Unterschiede erkennen und verarbeiten zu können. Grundsätzlich seien die Ergebnisse ein erster Schritt in Richtung der Entwicklung biomedizinischer Geräte, die durch maschinelles Lernen unterstützt werden.
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