Ein Mikrochip im Auge
Mit Funkkamera und Mikrochips wollen Forscher Blinde wieder sehend machen. Verschiedene Systeme sind entwickelt worden. Erste Versuche am Tier sind geplant.
Warum als Blinder nicht eine Brille aufsetzen, um zu sehen? Für wen das nach Science-Fiction klingt oder nach Schlaraffenland-Märchen, der täuscht sich. Noch in diesem Jahr, versprechen Forscher, werden die ersten Prototypen an Tieren getestet.
Wissenschaftler der Universität Karlsruhe entwickeln eine Sehhilfe für jene Menschen, bei denen die Hornhaut durch Unfälle wie Verätzungen oder Verbrennungen getrübt ist, der Rest des Auges aber intakt. Eine kleine Kamera an der Brille sendet Bilder an einen daumennagelgroßen Bildschirm, der an Stelle der natürlichen Linse ins Auge gepflanzt wird. Der Mini-Monitor projiziert das Bild der Kamera auf die Zellen der Netzhaut im Hintergrund des Auges.
„Wir wollen noch in diesem Jahr einen Prototyp im Tierversuch testen“, sagt der Physiker Wilhelm Stork vom Institut für Technik der Informationsverarbeitung der Universität Karlsruhe, einer der Initiatoren des Projektes. Im Prototyp-Display werden vorerst nur 16×16 Leuchtdioden das Bild liefern, später sollen dann 500×500 eingebaut werden – „das ist dann schon Fernsehbildqualität“, sagt Stork.
Mit einer elektronisch bestückten Netzhaut-Folie wollen deutsche Forscher Blinden helfen, deren Sehzellen der Retina zerstört sind, etwa bei Retinitis pigmentosa oder der Makula-Degeneration, der häufigsten Erblindungsursache in den Industrieländern. Seit acht Jahren schon bemühen sich Wissenschaftler in Deutschland, eine elektronische Netzhautprothese zu entwickeln, die die Funktionen der Netzhautzellen übernehmen soll.
Verschiedene Arbeitsgruppen von Hochschulen und Instituten haben sich zum Forschungsverbund „Retina-Implantat“ zusammengeschlossen. Die Wissenschaftler gehen mit zwei verschiedenen Ansätzen ins Rennen. Die Gruppe um Rolf Eckmiller, Universität Bonn, befestigt Implantate an der Netzhautoberfläche. Das Sehsystem soll nicht nur die Funktion ausgefallener Fotorezeptoren übernehmen, sondern auch die Arbeit der Nervenzellen gleich mit erledigen.
Auch hier nimmt eine winzige Videokamera die Bilder auf. Von außen unsichtbar, kann die Minikamera in einen Brillenrahmen oder eine künstliche Linse eingebaut werden. Per Computer werden die Bilder in Impulse für die Nervenzellen verwandelt und an eine auf der Netzhaut befestigten Folie gesendet. Diese stimuliert über winzige Elektroden Zellen des Sehnerven. In Tierversuchen hat das Team eine Stimulation nachgewiesen. An eine klinische Anwendung sei aber erst in einigen Jahren zu denken.
An der Tübinger Augenklinik wird der andere Weg gegangen: Forscher um Direktor Prof. Eberhart Zrenner pflanzen einen lichtempfindlichen hauchdünnen Chip in die Netzhaut. Fällt Licht auf dessen Fotodioden, sollen Elektroden die benachbarten Nervenzellen reizen. Aus den Nervenimpulsen muss das Gehirn das passende Bild zusammensetzen.
Besonders stolz sind die Forscher auf die Produktion des Reizstroms. „Ursprünglich sollten Solarzellen das einfallende Licht umwandeln. Das klappte jedoch nur bei gleißendem Licht“, sagt Zrenner. Die Fotodioden des neuen Chips müssen keine nervenstimulierende Energie mehr erzeugen. Die Infrarotstrahlen der Sonne liefern durch die Pupille ständig genug Energie, um die Nervenzellen an Ort und Stelle reizen zu können. ELKE BODDERAS
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