Enormer Fortschritt bei implantierbaren Defibrillator-Systemen
Herzspezialisten haben erstmals bei einem Patienten einen neuartigen Defibrillator mit Elektrode außerhalb des Herzens eingesetzt, der zusätzlich über eine Stimulationsfunktion verfügt. Das neue System soll das Risiko langfristiger Komplikationen weiter verringern.
Erkrankungen des Herzens können zu einem langsameren Herzschlag, einem schnelleren Herzschlag, längeren Aussetzern oder im schlimmsten Fall sogar zu einem Herzstillstand führen. Ein implantierbarer Defibrillator oder kurz ICD (implantierbarer Cardioverter Defibrillator) dient der Überwachung solcher lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen und sendet im Ernstfall elektrische Impulse, um das Herz zu stimulieren, wenn es unregelmäßig schlägt.
Das medizinische Gerät besteht aus mehreren Komponenten und wird in einem operativen Eingriff in den Körper eingesetzt (implantiert). Dabei wird der meist nur wenige Zentimeter große Defibrillator unterhalb des Schlüsselbeins platziert oder unter den Brustmuskel gesetzt. Je nach Defibrillator-Typ gehen von dem Impulsgeber eine oder mehrere Elektroden ab. Diese werden in eine größere Vene einführt und so vorsichtig bis zum Herzen vorgeschoben. Die Elektroden übertragen die elektrischen Impulse vom Impulsgeber an das Herz und leiten die Herzaktivität zurück zum Gerät, damit dieses den Herzrhythmus überwachen kann. Defibrillatoren dieser Art haben sich bewährt. Doch bergen sie auch gewisse Risiken.
Ein neues Defibrillator-System, bei dem die Elektroden nicht im Herz, sondern außerhalb des Herzens platziert werden, soll das Risiko langfristiger Komplikationen weiter verringern und eine gute Alternative zu den bisherigen implantierbaren Defibrillatoren darstellen. Die neue Medizintechnik wurde von den beiden Herzspezialisten Guram Imnadze und Thomas Eitz am Herz- und Diabeteszentrum (HDZ) nun erstmals bei einem Patienten eingesetzt – mit Erfolg.
Neuer Defibrillator verfügt über eine Stimulations-Funktion
Das neuartige Defibrillator-System namens Aurora EV-ICD wurde vorrangig für die Behandlung von sehr schnellen Herzrhythmen (Arrhythmien) entwickelt, die zu einem plötzlichen Herzstillstand führen können. Das kleine Gerät misst gerademal 6,4 mal 5,1 mal 1,3 Zentimeter und wiegt nur 77 Gramm. Im Gegensatz zu herkömmlichen ICDs wird das System unterhalb der linken Achselhöhle implantiert und die Elektrode unter dem Brustbein platziert. Eine Vollnarkose ist dafür in der Regel nicht notwendig. Das Besondere: Als einziger extravaskulärer Defibrillator verfügt das Gerät zusätzlich über eine Stimulations-Funktion. Dank dieser kann es auch kleine Pausen und kurze Aussetzer des Herzschlages behandeln. Wie ein Herzschrittmacher sendet das neuartige System elektrische Impulse an das Herz, um die Herzfrequenz so zu korrigieren.
„Mit einer schonenden Platzierung des Aggregats unterhalb des Brustbeins sowie der außerhalb des Herzens befindlichen Elektrode können wir das Risiko bestimmter Langzeitkomplikationen wie Infektionen oder Gefäßverschlüsse verringern“, erläutert Philipp Sommer, Klinikdirektor der Klinik Elektrophysiologie/Rhythmologie am HDZ NRW, unter dessen Leitung der erstmalige Einsatz der neuen Medizintechnik in Nordrhein-Westfalen erfolgreich durchgeführt wurde.
Wirksamkeit bei 356 Menschen getestet und belegt
Das Aurora EV-ICD-System ist das erste seiner Art, das die lebensrettenden Vorteile herkömmlicher, transvenöser ICDs mit einer Elektrode verbindet, die unter dem Brustbein, außerhalb des Herzens und der Venen platziert wird. Das neue Defibrillator-System wurde in einer weltweiten Zulassungsstudie getestet. Sie untersuchte die Sicherheit und Wirksamkeit des Medtronic EV-ICD-Systems bei 356 Patienten, bei denen das Risiko eines plötzlichen Herztodes bestand, an 46 Standorten in 17 Ländern. Das Ergebnis: Die Defibrillationserfolgsrate bei der Implantation lag bei 98,7 Prozent. Noch dazu waren etwa 92,6 Prozent der Patienten nach sechs Monaten frei von größeren system- oder verfahrensbedingten Komplikationen. Darüber hinaus trug das System dazu bei 33 Defibrillationsschocks zu vermeiden.
Die Lebensdauer eines „normalen“ Defibrillators beträgt im Durchschnitt fünf bis zehn Jahre. Wenn die Batterie erschöpft ist, erfolgt ein operativer Austausch des Defibrillators gegen ein neues Gerät. Das neue Defibrillator-System verspricht mit einer prognostizierten Laufzeit von knapp zwölf Jahren eine besonders hohe Patientensicherheit.
Neues Defibrillator-System als Alternative
Die bisherige Defibrillator-Technologie ist äußerst zuverlässig und effizient. Das neue System bietet jedoch eine zusätzliche Möglichkeit zur Behandlung von schweren Herzrhythmusstörungen. „Für bestimmte Patientengruppen ist dieses neue System eine gute Alternative zu den bisherigen implantierbaren Defibrillatoren, die unseren Patientinnen und Patienten bereits eine hohe Sicherheit bieten, um einen drohenden Herzstillstand zu vermeiden und im Notfall mit der Auslösung eines elektrischen Schocks zu begegnen“, sagt Sommer.
Das Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen (HDZ NRW) in Bad Oeynhausen zählt zu den größten und modernsten Zentren seiner Art in Europa. Jährlich werden hier rund 1.000 Menschen mit Herzrhythmusstörungen behandelt, beziehungsweise etwa 1.000 Defibrillator-Operationen durchgeführt.
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