Studie 24.02.2025, 11:00 Uhr

Experten raten von Spritzen bei chronischen Rückschmerzen ab

Neue Studien zeigen: Spritzen bei chronischen Rückenschmerzen sind oft wirkungslos und riskant. Experten raten daher ab.

Spritze Rücken

Spritzen sollen bei chronischen Rückenschmerzen für Linderung sorgen. In vielen Fällen ist das laut einer Studie jedoch nicht so.

Foto: PantherMedia / Arne Trautmann

Chronische Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Gesundheitsproblemen weltweit. Studien zeigen, dass etwa 20 % der Erwachsenen zwischen 20 und 59 Jahren regelmäßig unter anhaltenden Rückenschmerzen leiden. Mit zunehmendem Alter nimmt diese Zahl sogar noch zu. Die Ursachen sind oft vielfältig: Fehlhaltungen, mangelnde Bewegung, Übergewicht oder altersbedingter Verschleiß der Wirbelsäule können eine Rolle spielen. Doch häufig bleibt die genaue Ursache der Schmerzen selbst nach bildgebenden Untersuchungen wie MRT oder CT unklar.

In der Hoffnung auf schnelle Linderung setzen viele Betroffene auf Injektionen. Dabei werden Lokalanästhetika, Schmerzmittel oder Cortison direkt an die Wirbelsäule gespritzt. Die Idee dahinter: Die gezielte Applikation soll Nerven betäuben, die Schmerzweiterleitung blockieren oder lokale Entzündungen abschwächen. Doch immer mehr Forschungsergebnisse legen nahe, dass diese Behandlungen nur selten den gewünschten Erfolg bringen – bei gleichzeitig nicht zu unterschätzenden Risiken.

Die Studienlage: Spritzen kaum wirksamer als Placebo

Ein internationales Team unter der Leitung von Jason Busse von der McMaster University in Kanada hat sich die Frage gestellt, wie wirksam solche Injektionen wirklich sind. In ihrer umfassenden Analyse wurden 81 klinische Studien ausgewertet, in denen Menschen mit chronischen Rückenschmerzen entweder eine Injektion oder eine Scheinbehandlung (Placebo) erhielten. Die Studien umfassten verschiedene Methoden, darunter die Verabreichung von Lokalanästhetika, Schmerzmitteln und Cortisonpräparaten.

Stellenangebote im Bereich Medizintechnik, Biotechnik

Medizintechnik, Biotechnik Jobs
Hochschule Bielefeld (HSBI)-Firmenlogo
W2-Professur Elektrotechnische Gebiete der Biomedizintechnik Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik (IuM) Hochschule Bielefeld (HSBI)
Bielefeld Zum Job 
B. Braun Melsungen AG-Firmenlogo
Project Manager (w/m/d) Pre-Development B. Braun Melsungen AG
Melsungen Zum Job 
B. Braun Melsungen AG-Firmenlogo
R&D Manager (w/m/d) für die Entwicklung von medizinischen Kunststoffeinmalartikeln B. Braun Melsungen AG
Melsungen Zum Job 
PARI Pharma GmbH-Firmenlogo
Entwicklungsingenieur (m/w/d) Medizintechnik PARI Pharma GmbH
Gräfelfing bei München Zum Job 
B. Braun Melsungen AG-Firmenlogo
Head of (w/m/d) Portfolio Development Team Pain Therapy B. Braun Melsungen AG
Melsungen Zum Job 
PARI Pharma GmbH-Firmenlogo
Projektleiter (m/w/d) Medizintechnik eFlow Plattform PARI Pharma GmbH
Gräfelfing bei München Zum Job 

Das Ergebnis fiel ernüchternd aus: Weder bei Rückenschmerzen noch bei ausstrahlenden Nervenschmerzen, wie dem Ischias, brachten die Spritzen einen signifikanten Vorteil gegenüber Placebos. Die Forschenden kamen zu dem Schluss: „Diese Interventionen haben wahrscheinlich kaum bis keinen schmerzlindernden Effekt.“

Selbst in Fällen, bei denen kurzfristig eine Linderung festgestellt wurde, musste die Behandlung häufig alle zwei bis drei Wochen wiederholt werden, um eine Wirkung aufrechtzuerhalten. Dies erhöht nicht nur die Kosten der Behandlung erheblich, sondern setzt die Patientinnen und Patienten auch wiederholt den potenziellen Risiken der Therapie aus.

Cortison: Wirkung, Risiken und Nebenwirkungen

Cortison wird in der Orthopädie vor allem aufgrund seiner stark entzündungshemmenden Eigenschaften geschätzt. Es wird häufig lokal in die entzündeten Bereiche injiziert, um die Entzündung zu bekämpfen, Schmerzen zu lindern und eine Verbesserung der Beweglichkeit zu ermöglichen. Die Anwendung erfolgt meist nur, wenn andere konservative Behandlungen – wie Physiotherapie, Schmerzmedikation oder physikalische Maßnahmen – ausgeschöpft sind.

Doch trotz der potenziellen Vorteile ist der Einsatz von Cortison nicht ohne Risiken. Nebenwirkungen können auftreten, insbesondere wenn das Medikament versehentlich in die Blutbahn gelangt:

  • Gesichtsrötung (Flush): Ein plötzlicher Anstieg der Hauttemperatur, der sich oft durch eine unangenehme Rötung zeigt.
  • Hitzewallungen: Kurzzeitige Schübe intensiver Wärmeempfindungen.
  • Blutdruckanstieg: Erhöhter Blutdruck, der möglicherweise zu weiteren Herz-Kreislauf-Problemen führen kann.
  • Tachykardie: Eine beschleunigte Herzfrequenz, die zu Unruhe und Nervosität führen kann.
  • Schlafstörungen: Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen.
  • Wassereinlagerungen: Ödeme, die zu Gewichtszunahme und Schwellungen führen können.
  • Anstieg des Blutzuckerspiegels: Besonders kritisch für Menschen mit Diabetes.

Neben diesen direkten Nebenwirkungen birgt die Injektion selbst weitere Risiken. Bei unsachgemäßer Anwendung können Infektionen auftreten, die sich in seltenen Fällen bis auf die Wirbelsäule ausweiten. Auch Gewebeverhärtungen, Narbenbildungen und Fettgewebeschäden sind mögliche Komplikationen. Eine schwerwiegende Komplikation stellt die bakterielle Infektion eines Gelenks dar, die zu schmerzhaften Entzündungen, Schwellungen und Bewegungseinschränkungen führen kann. Diese erfordert meist eine sofortige medizinische Behandlung.

Die Kosten-Nutzen-Frage: Teuer, riskant und wenig hilfreich

Die Wirksamkeit von Spritzen bei chronischen Rückenschmerzen ist nach aktuellem Forschungsstand mehr als fraglich. Trotzdem werden diese Eingriffe weiterhin häufig durchgeführt – nicht zuletzt, weil sie für Ärztinnen und Ärzte ein lukratives Geschäft darstellen. Die Kosten für solche Behandlungen sind hoch, und die potenziellen Risiken für die Patientinnen und Patienten stehen in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen.

Jane Ballantyne, Schmerzmedizinerin an der University of Washington, bringt es treffend auf den Punkt: „Es ist nie leicht, eingefahrene Routinen zu verändern. Diese Injektionen haben sich zweifellos als Schlüsselkomponente klinischer Schmerzbehandlungen etabliert.“ Sie plädiert dafür, die finanziellen Anreize stärker an der tatsächlichen Wirksamkeit der Behandlungen auszurichten, um unnötige Spritzen zu vermeiden.

Auch interessant:

Gibt es wirksame Alternativen?

Angesichts der unklaren Wirksamkeit von Injektionen ist es entscheidend, nach alternativen Behandlungsmethoden zu suchen. Studien deuten darauf hin, dass eine Kombination aus Physiotherapie und Verhaltenstherapie wesentlich erfolgversprechender sein kann. Ziel dieser Ansätze ist es, die Muskulatur gezielt zu stärken, die Körperhaltung zu verbessern und die Schmerzverarbeitung im Gehirn zu beeinflussen.

Darüber hinaus können auch andere konservative Maßnahmen helfen, die Beschwerden zu lindern:

  • Schmerzmittel: Entzündungshemmende Medikamente (z. B. NSAR) können die Schmerzen reduzieren und die Mobilität verbessern.
  • Wärme- und Kälteanwendungen: Diese einfachen Maßnahmen helfen, Verspannungen zu lösen und Entzündungen zu reduzieren.
  • Bewegungstherapie: Regelmäßige, gezielte Übungen können die Beweglichkeit verbessern und die Rückenmuskulatur stärken.
  • Ergonomische Anpassungen: Eine angepasste Sitz- und Arbeitsplatzgestaltung kann Rückenschmerzen vorbeugen und lindern.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

Themen im Artikel

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.