Covid-19 30.10.2020, 10:46 Uhr

Corona: Smartphone findet Infizierte mit KI

Amerikanische Forscher sind kurz davor, eine App auf den Markt zu bringen, die bei der Eindämmung der Pandemie eine wichtige Rolle spielen könnte. Denn sie filtert einen großen Teil der Infizierten heraus, die selbst keine Beschwerden haben, aber trotzdem andere anstecken können.

hustender Mann

Selbst künstliches Husten klingt anders, wenn das Corona-Virus im Spiel ist.

Foto: panthermedia.net / decathlon1

Experten betonen es derzeit fast jeden Tag: Die Zahl der Corona-Neuinfektionen ist auch deswegen so hoch, weil mehr getestet wird. Anders gesagt, hat es im Frühjahr vermutlich viele Infizierte gegeben, die nicht aufgefallen sind. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass Covid-19 bei einigen Betroffenen völlig symptomfrei verläuft. Deswegen sehen sie keinen Anlass, zum Arzt zu gehen. Sie tragen das Virus also unwissentlich in sich und stecken womöglich andere an. Aber gibt es das tatsächlich, völlig symptomfrei? Nach Ansicht der Wissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist das eine Illusion. Sie sind davon überzeugt, dass der Virus durchaus zu Veränderungen führen kann. Genau das haben sie in einer Studie gezeigt – und eine künstliche Intelligenz (KI) darauf programmiert, diese Unterschiede zu erkennen. Dieser neue Ansatz könnte dazu beitragen, die Ausbreitung der Pandemie einzuschränken.

Künstliches Husten als Datengrundlage

Die Forscher am MIT haben mit solchen Formen der Diagnose viel Erfahrung. Denn sie haben schon vor Covid-19 Algorithmen programmiert und sie darauf trainiert, Hustengeräusche zu analysieren, die über Smartphones aufgenommen wurden. Ursprünglich suchten sie nach Wegen, Erkrankungen wie eine Lungenentzündung oder Asthma zu bestimmen. Im nächsten Schritt brachten sie der KI bei, zur Alzheimer-Diagnose beizutragen. Denn diese ist nicht nur mit einem Gedächtnisverlust verbunden, sondern auch mit körperlichen Veränderungen. Unter anderem kann ein neuromuskulärer Abbau zu schwächeren geschwächten Stimmbändern führen. Ihre Erkenntnisse nutzten sie in der aktuellen Studie für die Covid-19-Diagnose.

Mit Corona auf der Arbeit infiziert: Ist das eigentlich ein Arbeitsunfall?

Zunächst sammelten die Wissenschaftler Zehntausende von Aufnahmen ein, neben künstlichem Husten auch Sprechproben. Die Teilnehmer reichten ihre Geräusche über Webbrowser und Geräte wie Mobiltelefone und Laptops ein, also nicht über ein standardisiertes professionelle Aufnahmegeräte. Mit diesen Daten trainierten sie die Künstliche Intelligenz. Anschließend testeten sie, ob die Algorithmen Hustenproben von 2.500 Covid-19-Patienten erkennen würden – die Trefferquote lag bei 98,5%. Dann schauten sie, wie viele der Infizierten keine Beschwerden bemerkt hatten. Dabei stellte sich heraus, dass die KI alle symptomfreien Menschen mit Covid-19 identifiziert hatte. Wie viele das waren, hat das MIT allerdings nicht bekannt gegeben.

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Alzheimer-Biomarker auf Covid-19 übertragen

Genau genommen haben die Wissenschaftler für ihre KI nicht nur einen Algorithmus programmiert, sondern mehrere. Sie orientierten sich wieder an ihren Forschungen zur Alzheimer-Diagnose. Dafür hatten sie vier Biomarker entwickelt, nämlich Stimmbandstärke, Stimmung, Lungen- und Atemleistung sowie Muskelabbau. Ihre These: Die Art und Weise, wie ein Mensch Geräusche produziert, ändert sich, wenn er Corona hat.

„Die Geräusche von Sprechen und Husten werden beide von den Stimmbändern und den umgebenden Organen beeinflusst. Dies bedeutet, dass beim Sprechen ein Teil des Gesprächs im Grunde wie Husten ist und umgekehrt. Dies bedeutet auch, dass Dinge, die wir leicht aus fließendem Sprechen ableiten, einfach durch Husten aufgenommen werden können, einschließlich Faktoren wie Geschlecht, Muttersprache oder sogar der emotionale Zustand einer Person. In der Tat ist die Stimmung darin eingebettet, wie Sie husten“, sagt Subirana. „Also dachten wir uns, warum probieren wir diese Alzheimer-Biomarker nicht für Covid aus?“

App zur Früherkennung

Aktuell sind die Forscher dabei, ihr Programm in eine benutzerfreundliche App umzuwandeln. Sie hoffen, dass sie zu einem praktischen Vorscreening-Tool werden könnte. Der Benutzer könnte jeden Morgen routinemäßig in sein Smartphone husten, um eventuelle Veränderungen analysieren zu lassen. Klar ist für die Wissenschaftler jedoch: Ein auffälliges Ergebnis müsste durch einen offiziellen Covid-19-Test bestätigt werden. „Die effektive Implementierung dieses Gruppendiagnosetools könnte die Ausbreitung der Pandemie verringern, wenn jeder es nutzt, bevor er in ein Klassenzimmer, eine Fabrik oder ein Restaurant geht“, sagt Co-Autor Brian Subirana vom MIT.

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Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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