Gelähmte lernen wieder laufen
Neue Hoffnung für Rückenmarksverletzte: Durch das Training mit so genannten Exoskeletten können Heilungserfolge erzielt werden. Das haben Bochumer Forscher jetzt nachgewiesen.
Herausragendes Beispiel ist ein 34-Jähriger, der nach einem schweren Unfall querschnittsgelähmt war und sich jetzt wieder selbstständig bewegen kann. Das erreichte er durch zwölfwöchiges Üben in einem Anzug, den er mit seinen eigenen Gehirnströmen steuerte.
Menschen, die wegen einer Verletzung des Rückenmarks kaum noch oder gar nicht mehr laufen können, gewinnen einen Teil ihrer Bewegungsfähigkeit zurück. Dazu müssen sie regelmäßig mit dem japanischen Exoskelettsystem HAL trainieren. Die positiven Fortschritte der Patienten bestätigt jetzt die Studie eines Forscherteams des Universitätsklinikums Bergmannsheil in Bochum. Das Training findet im benachbarten Zentrum für Neurorobotales Bewegungstraining (ZMB) statt.
Japaner entwickelte Exoskelett HAL
Die Patienten tragen einen Anzug, Exoskelett genannt, den Yoshiyuki Sankai entwickelt hat, Professor an der Tsukuba University in Japan. In Deutschland wird HAL von Cyberdyne Care Robotics eingesetzt, der Tochter eines japanischen Unternehmens, das ZMB vor gut zwei Jahren gegründet hat. Gesteuert wird der Anzug von den Elektromyografie-Signalen (EMG), die vom Gehirn ausgehen und normalerweise die Muskeln reizen, sodass sie die gewünschten Bewegungen machen. Bei Patienten mit verkümmerten Muskeln reichen die natürlichen EMG-Signale nicht aus, sie zu mobilisieren.
Deutliche Fortschritte bei untersuchten Patienten
In einer Pilotstudie mit acht Patienten mit Rückenmarksverletzungen, die vor einiger Zeit angeschlossen wurde, konnten die Forscher deutliche Fortschritte nachweisen. Jetzt präsentierten sie den bisher spektakulärsten Erfolg. Ein 34-Jähriger, der nach einem Arbeitsunfall querschnittsgelähmt war, aber noch geringe Restfunktionen in puncto Bewegung und Berührungsempfinden hatte, kann heute mit Hilfe von zwei Unterarmstützen wieder selbstständig gehen.
Zunächst wurde die Verletzung der mittleren Brustwirbelsäule und der rechten Hüftgelenkspfanne operativ behandelt. Nachdem diverse Knochenbrüche verheilt waren nahm der Patient 77 Tage nach seinem Unfall das Training im Exoskelett auf. Nach weiteren zwölf Wochen konnte er wieder laufen.
Auch Schlaganfallpatienten soll geholfen werden
„Aktuell erweitern wir die klinischen Untersuchungen mit dem HAL-Exoskelett zum Einsatz für die Behandlung Rückenmarkverletzter“, sagte Professor Thomas A. Schildhauer, Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik und Leiter der Forschergruppe. „In Zusammenarbeit mit der Neurologischen Klinik initiieren wir außerdem Studien für Patienten nach Schlaganfall oder neuromuskulärer Erkrankung.“
Miguel Nicolelis, brasilianischer Neurowissenschaftler und Professor an der amerikanischen Duke University, und Gordon Cheng, Professor am Institut für Cognitive Systeme an der Technischen Universität München, haben ebenfalls ein Exoskelett entwickelt, das Patienten allerdings dauerhaft tragen sollen. Seine öffentliche Premiere hatte es bei der jüngsten Fußballweltmeisterschaft in Sao Paulo. Der querschnittsgelähmte Patient Juliano Pintos schaffte es allerdings nicht, wie geplant zum Anstoßpunkt zu laufen. Aber er trat vom Spielfeldrand immerhin leicht gegen den Ball, sodass dieser ein paar Meter weit kullerte.
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