Genmanipulierte Bierhefe könnte den Schlafmohn ersetzen
Schlafmohn gilt als eine der weltweit wichtigsten Arzneipflanzen. Ritzt man die unreife Samenkapsel an, tritt ein Milchsaft aus, der getrocknet zu Opium wird. Inhaltsstoffen wie Morphin und Codein werden weltweit vor allem in der Schmerztherapie angewendet. An der Universität Stanford ist es nun gelungen, die wirksamen Hauptbestandteile des Opiums auf natürliche und halbsynthetische Weise herzustellen – in gentechnisch veränderten Bierhefezellen.
Die Genforscherin Christina D. Smolke, die Biotechnikerin Kate Thodey und die Chemikerin Stephanie Galanie programmierten Zellen von Bierhefe darauf, Morphin, Codein, Thebain und andere Opioide herzustellen. Sie und ihr Team fügten den Zellkernen der Hefezellen Gene aus zwei Organismen hinzu, die in der Natur für die Produktion von Opioiden verantwortlich sind: Gene aus Mohnzellen selbst und Gene aus einem Bakterium, das auf den Mohnpflanzenstengeln lebt.
Herstellung mit veränderter Bierhefe gelungen
Durch die Genmanipulation erhielten die Hefezellen die Anleitung zur Herstellung der Opioide Kodein, Morphin und Thebain, Hydromorphon, Oxycodon und Hydrocodon. Es gelang den Forscherinnen bis zu 131 Milligramm pro Liter Morphin und anderer Opioide zu gewinnen. Die Ergebnisse ihrer Forschungen fasste Smolke jetzt im Fachmagazin Nature Chemical Biology zusammen.
Die nun mittels Bierhefe hergestellten Opioide sind in der Schmerztherapie häufig angewandte Wirkstoffe. Morphin ist ein stark wirkendes Schmerzmittel, das zum Beispiel bei Tumoren und chronischen Schmerzen verabreicht wird. Codein wird ebenfalls in der Schmerztherapie eingesetzt und wirkt außerdem als Hustenreizstiller. Thebain ist der Ausgangsstoff zur Herstellung höherwertiger therapeutischer Schmerzmittel wie Hydrocodon und das in Deutschland verschreibungspflichtige Oxycodon. Hydrocodon-Präparate werden als Schmerzmittel und als Hustenmittel angewendet.
Vision: Opioide aus Zucker
Die Vision der Wissenschaftlerinnen ist die Hefe, die Opioide aus Zucker herstellen kann. Doch dieser Prozess setzt sich aus einer ganzen Reihe von biochemischen Reaktionen zusammen, die es noch nachzubilden gilt. Bislang ist es Smolke und ihrem Team nur gelungen, in ihren zellulären Fabriken einen Teil des gesamten Prozesses nachzuvollziehen.
In einer ersten Projektphase hatten sie bereits mit Hilfe von gentechnisch veränderten Hefezellen aus einer Vorläufersubstanz Thebain herstellen können. Für ihre aktuellen Versuche verwendeten die Wissenschaftlerinnen nun natürliches Thebain aus Mohnpflanzen.
Ihren Erfolg bewerten die Forscherinnen als einen wichtigen Schritt hin zur vollständigen Biosynthese der wertvollen Arzneimittelmoleküle ganz ohne die Pflanze. Bierhefe wäre demnach eine nachhaltige und sichere Alternative zum Anbau und zur Verarbeitung hunderttausender Tonnen Mohn weltweit. Es werde jedoch noch Jahre dauern, bis die Arzneimittelindustrie biotechnische Opioide produzieren könne, die pharmakologisch identisch seien mit den heutigen Wirkstoffen.
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