Hanf hilft heilen: Wirkmechanismus von Cannabinoiden entschlüsselt
Dass Cannabis schmerzlindernd, krampflösend und entzündungshemmend wirkt, ist seit langem bekannt. Woher die entzündungshemmende Wirkung kommt, war bisher jedoch weitgehend unklar. Forschende aus Jena haben nun den Wirkmechanismus aufgeklärt.
Die Bundesregierung hat kürzlich eine umstrittene Entscheidung getroffen: Der Erwerb und Besitz geringer Mengen Cannabis soll künftig nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Stimmt der Bundestag dem Kabinettsentwurf zu, tritt das sogenannte „Cannabisgesetz“ im kommenden Jahr in Kraft. Während die einen in der Reform einen längst überfälligen Fortschritt sehen, warnen andere weiterhin vor den gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsums.
Eine neue Studie, die Forscher der Universität Jena in Zusammenarbeit mit internationalen Kollegen aus Italien, Österreich und den USA veröffentlicht haben, bietet eine andere Perspektive auf Cannabis als traditionelle Heilpflanze. Die in der Fachzeitschrift „Cell Chemical Biology“ erschienene Studie des Instituts für Pharmazie untersucht, wie bestimmte Inhaltsstoffe der Cannabispflanze entzündungshemmende Eigenschaften besitzen.
Eine der ältesten Nutzpflanzen der Erde
Die Hanfpflanze ist vielseitig verwendbar, allerdings wird der Begriff „Hanf“ oft ungenau für verschiedene Teile der Pflanze verwendet, darunter Fasern, Samen, Blätter und Blüten. Diese verschiedenen Pflanzenteile können zur Herstellung einer Vielzahl von Produkten verwendet werden. Zum Beispiel:
- Aus den Fasern der Stängel werden Seile, aber auch Dämmstoffe oder Dichtungsmassen hergestellt
- Aus den Samen wird Speiseöl gewonnen
- Ätherisches Öl wird den Blättern und Blüten destilliert
- Haschisch und Marihuana werden aus getrockneten Blättern, Blüten und Blütenständen gewonnen.
Die Cannabinoide, um die es hier geht, werden von der Hanfpflanze in Form eines Harzes produziert, das sich in Drüsen an der Oberfläche der Pflanze befindet. Vor allem die Blütenstände der weiblichen Pflanzen sind reich an diesen Harzdrüsen. Ursprünglich dienten die Cannabinoide der Pflanze als Abwehrmechanismus gegen pflanzenfressende Tiere. Darüber hinaus besitzen einige Cannabinoide auch antimikrobielle Eigenschaften, die der Pflanze einen zusätzlichen Schutz gegen Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze bieten.
Inhaltsstoffe das Cannabis Hanfs sind zweifach wirksam
Die Wirkstoffe der Cannabis-Pflanze, insbesondere Cannabidiol (CBD), haben eine doppelte entzündungshemmende Wirkung. Sie reduzieren nicht nur die Freisetzung von entzündungsfördernden Botenstoffen, sondern regen auch die Produktion von immunregulierenden Enzymen an. Diese Enzyme wirken überschießenden Entzündungsreaktionen entgegen und unterstützen zudem die Gewebeheilung, wie wissenschaftliche Studien belegen. Daraus könnten sich neue Therapieansätze für entzündliche Erkrankungen ergeben.
Neben CBD, das keine psychoaktiven Wirkungen hat, binden auch andere Cannabinoide wie das berauschende Tetrahydrocannabinol (THC) an spezielle Rezeptoren im Körper und können so gesundheitsfördernde Wirkungen entfalten. Einige dieser Cannabinoide wirken nicht nur appetitanregend und schmerzstillend, sondern können auch Krämpfe lösen, Übelkeit lindern und sogar das Wachstum von Krebszellen hemmen.
Wie reagieren die Cannabinoide auf Immunzellen?
Wie bereits erwähnt, gibt es bereits seit längerem Hinweisen darauf, dass bestimmte Inhaltsstoffe von Cannabis entzündungshemmende Eigenschaften haben könnten. Die genauen Mechanismen und die beteiligten Cannabinoide waren bisher jedoch unklar. Ein Forscherteam um Lukas Peltner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist dieser Frage nun nachgegangen. In ihrer Studie analysierten die Wissenschaftler zunächst die Wirkung von acht verschiedenen Cannabinoiden, darunter CBD und THC, auf Immunzellen und die von diesen Zellen produzierten Botenstoffe in Zellkulturen.
Das Ergebnis war eindeutig: Alle acht untersuchten Cannabinoide wirkten entzündungshemmend. „Wir konnten feststellen, dass alle acht von uns untersuchten Cannabinoide eine entzündungshemmende Wirkung aufweisen“, sagt Lukas Peltner, Doktorand und Erstautor der Studie. „Es zeigte sich, dass sämtliche untersuchten Substanzen die Bildung von entzündungsfördernden Botenstoffen in den Zellen hemmen und zugleich die Bildung von entzündungsauflösenden Botenstoffen verstärken.“
CBD besonders wirksam
Die stärkste positive Wirkung besitzt CBD, wie das Forschungsteam herausgefunden hat. Dieses Cannabinoid wirkte bereits in geringen Dosen entzündungshemmend auf bestimmte Enzyme, die Entzündungen fördern. Weitere Analysen zeigten zudem, dass CBD seine Wirkung nicht über die üblichen Cannabinoid-Rezeptoren des Körpers entfaltet. Stattdessen beeinflusst es unabhängige Enzymreaktionen. Unter anderem aktiviert CBD das immunregulatorische Enzym 15-Lipoxygenase-1 (15-LOX), was zu seiner entzündungshemmenden Wirkung beiträgt.
„Damit legt CBD in den betroffenen Zellen quasi einen Schalter um, der das Entzündungsgeschehen von der fördernden zur hemmenden Seite lenkt“, erklärt Seniorautor Dr. Paul Jordan von der Universität Jena. Im Unterschied zu herkömmlichen entzündungshemmenden Medikamenten wie Aspirin, Ibuprofen oder Paracetamol hat CBD eine doppelte Wirkung: Es reduziert nicht nur die Freisetzung von entzündungsfördernden Botenstoffen, sondern fördert auch aktiv die Produktion von Substanzen, die regulatorische Funktionen im Immunsystem haben.
Diese besondere Eigenschaft könnte laut dem Forschungsteam auch erklären, warum Cannabinoide wie CBD potenziell zur Wundheilung und Geweberegeneration beitragen können.
THC hat zu viele Nebenwirkungen und ist entbehrlich
Laut Peltner und seinem Forscherteam legen ihre Ergebnisse nahe, dass Cannabinoide, insbesondere CBD, ein großes Potenzial für neue Therapieansätze bei entzündlichen Erkrankungen haben könnten. CBD könnte beispielsweise bei entzündlichen Darmerkrankungen, Hautproblemen oder auch bei Alzheimer und anderen neurologischen Erkrankungen, die mit Entzündungen im Gehirn einhergehen, eingesetzt werden.
Die Wissenschaftler betonen, dass vor allem CBD im Mittelpunkt künftiger Therapieansätze stehen sollte. Dieser Inhaltsstoff der Hanfpflanze zeigte in ihren Untersuchungen die stärkste entzündungshemmende Wirkung von acht getesteten Cannabinoiden. Das psychoaktive Cannabinoid THC war dagegen deutlich weniger wirksam. Therapeutika, die nur CBD enthalten, könnten also auch ohne den potenziell problematischen Inhaltsstoff THC wirksam sein.
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