Haptik-Innovation 19.12.2024, 10:11 Uhr

Haptischer Ärmel überträgt Gefühle wie eine zweite Haut

Forschende arbeiten an einem Strickärmel, der ganz sensibel auf Berührungen reagiert und sogar Gefühle übertragen kann.

Haptiknit-Manschette, die am Arm getragen wird, einschließlich des Kontrollsystems am Oberarm.

Haptiknit-Manschette, die am Arm getragen wird, einschließlich des Kontrollsystems am Oberarm. Sie soll Berührungen übertragen können.

Foto: Susan Williams, MIT Self-Assembly Lab

Ein Forschungsteam der Stanford University hat einen innovativen gestrickten Ärmel entwickelt, der realistische, druckbasierte haptische Rückmeldungen bietet. Das tragbare und bequeme Gerät mit dem Namen Haptiknit ermöglicht neue Anwendungen in Bereichen wie Virtual Reality, Rehabilitation und Kommunikation. Der Prototyp nutzt pneumatische Druckaktoren in Kombination mit flexiblen Textilien, um ein nahtloses und effizientes Feedback zu liefern.

Die Idee hinter Haptiknit

Haptische Technologien bieten eine vielversprechende Möglichkeit, realistischere taktile Erfahrungen zu schaffen. Insbesondere in der virtuellen Realität oder bei Rehabilitationsanwendungen können diese Geräte von unschätzbarem Wert sein.

Bisher basierten die meisten Geräte jedoch auf vibrierenden Elementen – eine Lösung, die oft als weniger natürlich empfunden wird. Eine echte Herausforderung bestand darin, ein druckbasiertes Feedback ohne klobige Exoskelette oder sperrige Strukturen zu realisieren. Hier setzt der Haptiknit-Ärmel an.

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Flexibles Design für realistische Berührung

Haptiknit, entwickelt von einem Team um Professorin Allison Okamura von der Stanford University, denkt druckbasierte Haptik ganz neu. Statt auf vibrierende Elemente setzt der gestrickte Ärmel auf pneumatische Druckaktoren. Die kleinen, aufblasbaren Beutel füllen sich schnell mit Luft und erzeugen so ein präzises Druckgefühl auf der Haut.

Die textile Basis des Ärmels ist das Herzstück der Innovation. Durch die Kombination von flexiblen und steifen Strickbereichen bleibt der Ärmel angenehm zu tragen, während die Druckaktoren sicher an ihrem Platz gehalten werden. „Eine Herausforderung in der Soft-Robotik besteht darin, etwas Hartes mit etwas Weichem zu verbinden – sie neigen dazu, sich voneinander zu lösen“, erklärt Okamura. Durch die Verwendung von thermoplastischen Fasern, die durch Hitze gehärtet werden, ist es den Forschenden gelungen, diesen Übergang nahtlos zu gestalten.

Praxistests und Ergebnisse

In ersten Tests wurde der Prototyp von 32 Personen ausprobiert. Die Ergebnisse waren vielversprechend: Die Nutzerinnen und Nutzer konnten die Position einzelner Berührungen durch die Druckaktoren genauer wahrnehmen als bei einem ähnlich aufgebauten Vibrationssystem.

Zusätzlich experimentierte das Forschungsteam mit verschiedenen Aufblasgeschwindigkeiten der Aktoren, um unterschiedliche taktile Empfindungen zu erzeugen – vom sanften Streicheln bis hin zu gezielten Druckpunkten. Dabei zeigte sich, dass schnellere, überlappende Impulse als angenehmer empfunden werden.

In einem weiteren Test ging es darum, emotionale Botschaften durch Berührungsmuster zu vermitteln. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten Gefühle wie Liebe, Dankbarkeit oder Beruhigung erkennen. Obwohl einige Emotionen ähnlich wahrgenommen wurden, lag die Erkennungsrate über dem Zufallsniveau. Diese Ergebnisse zeigen das Potenzial von Haptiknit für die stille Kommunikation.

Tragekomfort als Pluspunkt

Ein entscheidender Vorteil des Haptiknit-Designs ist laut Forschungsteam sein Tragekomfort. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschrieben den Ärmel als bequem und einfach zu nutzen – ein wichtiger Faktor für den Einsatz im Alltag. Interessanterweise bewerteten Nutzer, die bereits Erfahrungen mit anderen haptischen Geräten hatten, den Komfort des Ärmels deutlich höher. „Dies zeigt, dass unser Ansatz eine klare Verbesserung darstellt“, kommentiert Cosima du Pasquier, Erstautorin der Studie.

Blick in die Zukunft

Die Forschenden sehen in Haptiknit eine breite Palette möglicher Anwendungen. Ob Navigation, militärische Kommunikation oder sogar Hundetraining – der flexible Ärmel könnte in vielen Bereichen zum Einsatz kommen. Um die Alltagstauglichkeit zu erhöhen, soll die Technologie weiter miniaturisiert und optimiert werden.

Langfristig plant das Team die Entwicklung größerer Geräte, wie eines kompletten haptischen Anzugs für Virtual-Reality-Interaktionen. Auch im Bereich der Rehabilitation könnte die Technologie eine wichtige Rolle spielen, etwa zur Unterstützung bei Bewegungsübungen oder als Assistenz für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

„Ob für Unterhaltung, Kommunikation oder Training – diese tragbaren Geräte könnten bald ein fester Bestandteil unseres Alltags werden“, prognostiziert Okamura.

Hier geht es zur Originalpublikation

 

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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