Heilen winzige Mikroroboter bald Wunden oder Krebs?
Sie sind nur halb so dick wie ein Haar und sollen vielleicht schon bald helfen, Krebs zu behandeln oder Wunden zu heilen. Forscherinnen und Forscher der TU München haben weltweit erstmals einen Mikroroboter entwickelt, dem solche heilenden Kräfte zugetraut werden.
Einem Forscherteam der Technischen Universität München (TUM) ist ein Durchbruch in der Mikrorobotik gelungen: Sie haben den weltweit ersten Mikroroboter entwickelt, der innerhalb eines Zellverbandes navigieren und einzelne Zellen gezielt stimulieren kann. Berna Özkale Edelmann, Professorin für Nano- und Mikrorobotik an der TUM, sieht in dieser Innovation das Potenzial für die Entwicklung neuartiger Behandlungsmethoden in der Medizin.
Mikroroboter bewegen sich mit Hilfe von Laserlicht
Die winzigen Roboter, halb so dick wie ein menschliches Haar und mit Goldstäbchen und fluoreszierendem Farbstoff ausgestattet, sind eine besondere technologische Errungenschaft. Umhüllt von einem Biomaterial, das aus Algen gewonnen wird, können sie sich mit Hilfe von Laserlicht zwischen Zellen bewegen.
Die Entwicklung des Roboters geht auf die Bioingenieurin Prof. Berna Özkale Edelmann zurück, die das Labor für Mikrorobotik an der TUM leitet. Zusammen mit ihrem Forschungsteam hat sie eine technologische Plattform geschaffen, die es ermöglicht, diese Mikroroboter in großen Stückzahlen herzustellen. Derzeit werden die Roboter in Versuchen außerhalb des menschlichen Körpers, also in vitro, eingesetzt.
Arbeiten nur unter Mikroskop möglich
Die „TACSI-Mikroroboter“ unterscheiden sich grundlegend von herkömmlichen Robotern, wie sie als humanoide Modelle oder als Roboterarme in Fabriken bekannt sind. Die spezialisierten Mikroroboter haben eine Größe von etwa 30 Mikrometern und arbeiten in einem hochkomplexen System, das ein Mikroskop zur Visualisierung der Mikroumgebung, einen Computer zur Steuerung und einen Laser zur Fortbewegung benötigt.
Ein besonderes Merkmal dieser Mikroroboter ist ihre Fähigkeit, ihre eigene Temperatur kontinuierlich anzuzeigen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die Roboter nicht nur für die präzise Navigation zu einzelnen Zellen, sondern auch für die lokale Erwärmung spezifischer Zellen oder Zellgruppen konzipiert sind.
Was bedeutet TACSI?
TACSI steht für „Thermally Activated Cell-Signal Imaging“ und bezeichnet ein bildgebendes System, das auf die Erwärmung und Aktivierung von Zellen spezialisiert ist. Interessanterweise klingt die Aussprache des Akronyms wie „Taxi“, was durchaus passend ist: Der Mikroroboter ist darauf ausgelegt, präzise zu den zu untersuchenden Zellen zu navigieren.
„Wir haben zum ersten Mal weltweit ein System entwickelt, mit dem sich nicht nur Mikroroboter durch Zellverbände navigieren lassen, sondern Zellen auch gezielt, über Veränderungen der Temperatur, stimulieren lassen“, sagt Prof. Özkale Edelmann.
So werden die Mikroroboter gebaut
Die Forschenden erklären, wie der Bau eines solchen Mikroroboters abläuft: Die Herstellung der Mikroroboter erfolgt auf einem so genannten Mikrofluidik-Chip, der als Miniaturfabrik dient. Dabei wird das Biomaterial durch einen Kanal auf der linken Seite des Chips zugeführt. Anschließend werden spezielle Ölkomponenten von oben und unten durch weitere Kanäle mit einer Dicke von 15 bis maximal 60 Mikrometern hinzugefügt. Am rechten Ende des Chips entstehen die fertigen Mikroroboter.
Für den Bau des TACSI-Mikroroboters haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgende Bestandteile dazugegeben:
- Fluoreszierender Farbstoff: Der Mikroroboter enthält orange Rhodamin-B, einen Farbstoff, dessen Intensität abnimmt, wenn die Temperatur steigt. Dies ermöglicht es dem Mikroroboter, als ein Art Thermometer zu fungieren.
- Gold-Nanoteilchen: Diese extrem kleinen Edelmetallzylinder, mit Abmessungen von 25 mal 90 Nanometern, können sich durch Laserbestrahlung in nur wenigen Millisekunden um fünf Grad Celsius erwärmen und auch rasch wieder abkühlen. Mit den Nanoteilchen lassen sich Temperaturen bis zu 60 Grad Celsius erreichen. Durch einen Prozess, der als Konvektion bekannt ist, beginnen die Nanoteilchen, die Wärme auszugleichen, wodurch der Mikroroboter sich mit einer Höchstgeschwindigkeit von 65 Mikrometern pro Sekunde bewegt.
„Bis zu 10.000 Mikroroboter können so in einem Produktionslauf hergestellt werden“, erläutert Wissenschaftler Philipp Harder aus dem Forschendenteam.
Zellen reagieren auf Temperaturveränderungen
Leichte Temperaturveränderungen können einen signifikanten Einfluss auf zelluläre Prozesse haben. Wie Prof. Berna Özkale Edelmann erklärt, wird das Immunsystem bei Hautverletzungen, wie etwa einer Schnittwunde, durch eine leichte Erhöhung der Körpertemperatur aktiviert. In diesem Zusammenhang interessiert sich die Forscherin unter anderem dafür, inwieweit diese „thermische Stimulation“ gezielt eingesetzt werden könnte, um die Wundheilung zu fördern.
Auch im Zusammenhang mit Krebszellen gibt es nach Einschätzung des Forscherteams noch offene Fragen: So ist noch nicht umfassend erforscht, ob Zellen durch Temperaturveränderungen aggressiver werden können oder nicht. Aktuelle Studien weisen jedoch darauf hin, dass hohe Temperaturen (bis zu 60 Grad Celsius) Krebszellen abtöten und sogar Herzrhythmusstörungen und Depressionen behandeln können.
Neue therapeutische Ansätze durch weitere Forschung erhofft
Die Forschungen unter der Leitung von Prof. Berna Özkale Edelmann haben gezeigt, dass die Aktivität von Ionenkanälen in Nierenzellen durch gezielte Temperaturveränderungen beeinflusst werden kann. Dazu näherten sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Zellen mit den speziell entwickelten TACSI-Mikrorobotern. „Über den Infrarotlaser haben wir die Temperatur erhöht und über die Intensität von Rhodamin-B die Temperatur bestimmt“, erläutert Wissenschaftler Harder.
Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Ionenkanäle der Zellen bei bestimmten Temperaturen öffnen und beispielsweise Kalzium in die Zelle einströmen lassen. „Wir haben an diesem konkreten Beispiel gezeigt, dass Wärme konkrete Änderungen in der Zelle bewirkt, und zwar schon bei leichten Temperaturerhöhungen“, sagt Özkale Edelmann. Sie hofft nun, dass diese Erkenntnisse den Weg für neue therapeutische Ansätze ebnen könnten, etwa durch das gezielte Einschleusen von Wirkstoffen in die Zelle.
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