Herz- und Hirnströme mit Magnetfeldsensoren messen
Vitalparameter lassen sich nicht nur über elektrische, sondern auch über magnetische Signale detektieren, berichten Forscher. Sie hoffen auf kleine, dauerhaft einsetzbare Sensoren zur Langzeitüberwachung von Patienten.
Um zu sehen, wie das menschliche Herz arbeitet, haben sich Elektrokardiogramme (EKGs) seit Jahren bewährt. Und bei der Gehirndiagnostik kommen Elektroenzephalogramme (EEGs) zum Einsatz. Die Verfahren arbeiten mit elektrischen Signalen, die abgeleitet, verstärkt und über eine Software interpretiert werden. Die Elektroden muss man am Körper festkleben (EKG) oder mit einer Haube (EEG) befestigen. Das ist für Patienten störend – und erschwert Langzeitmessungen.
Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben deshalb ein neues, berührungsloses Sensorkonzept entwickelt. Sie arbeiten mit magnetischen Signalen des menschlichen Körpers. Diese sind recht schwach und werden leicht von Mobiltelefonen oder vom Erdmagnetfeld überlagert: ein Grund, warum es bislang keine praktische Anwendung gab. Deshalb ist eine spezielle Messtechnik erforderlich.
Aus Schwingungen werden Signale
Basis der Sensoren sind Kompositmaterialien. Sie bestehen aus magnetisch und elektrisch aktiven Stoffen. Unter dem Einfluss körpereigener Magnetfelder werden elektrische Signale abgegeben, gemessen und interpretiert.
Daraus haben Forscher um Franz Faupel, Professor in der CAU-Arbeitsgruppe für Materialverbunde, Biegebalken-Sensoren entwickelt. Diese bestehen aus einem dünnen Siliziumstreifen mit 2 unterschiedlichen Schichten an den Oberflächen. Einer reagiert auf Magnetfelder, während der andere elektrische Signale abgibt. „Tritt ein Magnetfeld auf, verformt sich die erste Schicht und verbiegt damit den ganzen Balken“, erklärt Faupel. So entsteht eine Schwingung, vergleichbar mit einem Sprungbrett im Schwimmbad. Und die zweite Schicht setze dabei elektrische Signale frei. Je stärker der Balken schwingt, desto größer ist das elektrische Signal.
Kleine Dimensionen für die Sensortechnik
Doch der Weg zur Umsetzung war beschwerlich. Weiche Materialien wie Kunststoffe schwingen mit niedriger Frequenz. Die Bewegung wird schnell gedämpft, und das elektrische Signal ist zu schwach für praktische Anwendungen. Harte Werkstoffe schwingen mit deutlich geringerer Dämpfung. Aber es wird eine größere Materialmasse benötigt, die sich in den kleinen Sensoren kaum einbauen lassen.
„Mit unserem Ansatz konnten wir einen kleinen Biegebalken aus hartem Material dazu bringen, sich wie ein weiches Material zu verhalten und bei niedrigen Frequenzen zu schwingen – und das sogar noch mit größerer Amplitude“, sagt Rainer Adelung, Professor in der CAU-Arbeitsgruppe Funktionale Nanomaterialien.
Das Signal vom Rauschen trennen
Elektrete erwiesen sich als perfekte Lösung. Darunter versteht man elektrisch isolierendes Material, das quasi dauerhaft gespeicherte elektrische Ladungen enthält und somit ein nahezu permanentes elektrisches Feld in seiner Umgebung erzeugt.
Dieses Material brachten Faupel und seine Kollegen unter ihren Biegebalken an. Normalerweise würde das Bauteil beim Schwingungsvorgang in seine Ausgangslage zurückkehren. Der Elektret zieht es durch seine Eigenspannung jedoch in die Gegenrichtung und vergrößert seine Schwingungsamplitude. Das führt zu wünschenswerten Eigenschaften des Systems: Stärkere Schwingungen führen zu stärkeren elektrischen Signalen und geringeren Messfehlern. Hinzu kam ein Trick, um störende Signale zu eliminieren. Mit einer extrem schnellen Messung lassen sich einzelne Signale zwischen dem Rauschen erfassen.
Ideal für mobile Anwendungen
Darüber hinaus zeigten Elektrete noch weitere gute Eigenschaften. Ähnlich wie ein Dauermagnet, der ohne Strom arbeitet, erzeugen sie ein permanentes elektrisches Feld ohne Energiezufuhr. Damit arbeitet beispielsweise ein EKG-Sensor ohne externe Stromversorgung und lässt sich kompakt verbauen.
Nach ersten erfolgreichen Experimenten läuft ein Kooperationsprojekt mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT). Ziel ist, noch bessere Elektrete zu entwickeln. Dabei kommt die chemische Gasphasenabscheidung zum Einsatz.
Langzeitmessungen entlarven Erkrankungen
Noch sind magnetische Sensoren zwar in der Entwicklung. Sie passen aber nahtlos in ein Konzept der modernen Medizin: Derzeit erfassen Ärzte Vitalparameter punktuell, etwa im Krankenhaus oder in der Arztpraxis. Sie sehen nur eine recht kurzfristige Entwicklung, aber keine langfristigen Trends.
Das kann gefährlich werden, wie folgendes Beispiel zeigt. Allein in Deutschland leiden etwa 300.000 Menschen an Vorhofflimmern. Etwa 70 % der Attacken bleiben unbemerkt, weil Patienten keine Symptome zeigen. Es drohen Schlaganfälle oder Herzinsuffizienzen, sprich Herzschwäche. Die Erkrankung lässt sich auch ohne Beschwerden mit Langzeitmessungen nachweisen.
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