Telemedizin 01.07.2011, 12:09 Uhr

IFAT: Mehr Lebensqualität für Herzpatienten

Am Institut für angewandte Telemedizin in Bad Oeynhausen versuchen Ärzte, Herzpatienten mehr Sicherheit zu bieten und den Alltag zu erleichtern. Wenn das Modell Schule macht, könnten Krankenkassen damit sogar Kosten sparen.

Der Schock kam plötzlich. Als Michael Oligschläger im Sommer 2009 nach einer Frühschicht die Treppe hochsteigt, bricht er zusammen. „Bei der letzten Stufe fiel ich meinem Sohn in die Arme“, erinnert sich der heute 48-Jährige, der im Warmwalzbereich tätig war. Ärzte in verschiedenen Kliniken taten sich damals schwer mit der richtigen Diagnose. Die Aussagen reichten von „es ist nicht so dringend“ bis hin zu „Sie brauchen sofort ein neues Herz“.

Erst im Herz- und Diabeteszentrum NRW Bad Oeynhausen (Ostwestfalen) erhielt er Gewissheit: Herzmuskelversteifung, eine seltene Krankheit. Oligschläger kämpft mit Wassereinlagerungen, die Niere versagt, er ist kaum belastbar.

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Oligschläger: „Ich warte eigentlich jeden Tag darauf, dass es schlechter wird.“ Denn der Iserlohner fühlt sich zwar gesundheitlich „komplett eingeschränkt“, doch sein Zustand ist nicht bedrohlich genug, um sich Hoffnung auf die Transplantation eines Spenderherzens machen zu dürfen. So wird der Alltag des dreifachen Familienvaters vom Warten bestimmt.

Das IFAT betreut Herzpatienten telefonisch und per Datenfunk

Erleichtert wird dieser Alltag nun durch „HerzAs“, eines von verschiedenen Programmen des Instituts für Angewandte Telemedizin (IFAT) in Bad Oeynhausen, an dem Oligschläger seit Januar teilnimmt.

„Gesund wird man zu Hause“ – aus dieser Überzeugung heraus hat Heinrich Körtke das IFAT gegründet. Im Schichtbetrieb betreuen zwölf kardiologisch erfahrene Mediziner Herz-Kreislaufkranke telefonisch und per Datenfunk. „Wir wollen die Krankenhausdauer verkürzen und den Patienten zu Hause annähernd eine vergleichbare Sicherheit wie in der Klinik bieten“, erklärte Körtke das Konzept.

Vor allem Reha-Maßnahmen könnten durch die virtuelle Hilfe verkürzt werden, schließlich würden hier mindestens die Kosten des „Hotelcharakters“ gespart. Dabei sei das IFAT „kein Callcenter, sondern ein Medical-Servicecenter, das mit hochqualifizierten Ärzten rund um die Uhr besetzt ist“, betonte Körtke. Mitglieder seines Teams sollten „gute Diagnostiker und Experten in der Anamneseerhebung sein“. Auch die Familie muss mitmachen, „das soziale Umfeld ist involviert“, erklärte Körtke.

Je nach Diagnose und Abstimmung mit dem behandelnden Hausarzt oder Kardiologen erhalten die Patienten verschiedene Geräte an die Hand – je nachdem, ob es um Gewichtsreduktion, häusliche Rehabilitation oder chronische Herzleiden geht.

IFAT-Telemedizin kann die Sterblichkeit senken

Michael Oligschläger ist bei HerzAs etwa mit einer Waage, einem Blutdruckmessgerät und einem 1-Kanal-EKG ausgerüstet. „Einmal die Woche schicke ich mein EKG ans IFAT“, so Oligschläger. Die Handhabung der Technik beschreibt er als „ganz einfach“, die aufgenommenen Daten werden in akustische Signale umgewandelt. Fühlt er sich ungewöhnlich schlecht, kann er auch sofort messen und die Daten checken lassen. Wer bei diesem Programm mitmachen möchte, aber dafür keine Kassenleistung erhält, muss die Kosten selbst tragen.

Im IFAT werde „jedes ankommende EKG sofort vom Arzt angeschaut“, sagte Körtke. „Wir können so die Sterblichkeitsrate senken, Krankheitsverläufe positiv beeinflussen und diejenigen herausfiltern, die akut nicht gefährdet sind“, berichtete der IFAT-Chef.

Das weiß Oligschläger aus eigener Erfahrung: „Sobald es größere Schwankungen gibt, kommen sofort Nachfragen.“ Im Ernstfall alarmieren die IFAT-Ärzte sogar den Rettungswagen. Zur telemedizinischen Betreuung kommt die ambulante, Patient Oligschläger ist jedes halbe Jahr in Bad Oeynhausen zur Kontrolle.

Das IFAT kooperiert eng mit der Ruhr-Uni Bochum. Und nach dem Motto: „Bewege die Information, nicht den Patienten“ arbeitet das Institut mit dem städtischen Krankenhaus in Herford an einem virtuellen Krankenhaus und einer gemeinsamen elektronischen Krankenakte.

„Die Telemedizin ist in der Lage, erheblich Kosten einzusparen, aber nur unter der Voraussetzung einer guten Auslastung“, sagte Körtke. „Für dieses Ziel ist eine intensivere Ein- und Zuweisung der Patienten durch die Ärzte erforderlich.“

„Telemedizin ohne die federführende Beteiligung der Ärzte funktioniert nicht“

Bislang beteiligen sich am Modell des IFAT rund 160 niedergelassene Praxen. „Telemedizin ohne die federführende Beteiligung der Ärzte funktioniert nicht“, weiß Körtke. Der älteste IFAT-Patient ist 94 Jahre alt, die Technik funktioniert überall dort, wo Handys funken können – und so ist auch ein Urlaub oder Aufenthalt im Ausland kein Problem.

„Viele Mediziner haben noch Vorbehalte gegen die Technik, aber die Einsicht der Ärzte wächst“, beobachtete Körtke, der sich selbstbewusst als „Pionier eines neuen Zeitalters“ sieht. „Das Ziel muss eine neu strukturierte medizinische Kultur sein. Der Faktor Lebensqualität bekommt für Patienten und Kassen eine höhere Bedeutung“, meint Körtke, der gern einen Lehrstuhl für angewandte Telemedizin schaffen würde.

Für Oligschläger ist die telemedizinische Betreuung im IFAT eine „wesentliche Erleichterung, ich fühle mich viel sicherer“. Und außerdem, so sagt der Ruhrgebietler, „kennt man dort schon alle“. Doch so angenehm und hilfreich der Kontakt zu den HerzAs-Experten auch sein mag: „Eine Transplantation kann all das natürlich nicht ersetzen.“

Ein Beitrag von:

  • Simone Fasse

    Freie Journalistin und der Kopf hinter der Kommunikationsagentur Verbia in München. Simone Fasse besuchte die Georg-von-Holtzbrinck-Schule und arbeitete als Volontärin und Redakteurin bei VDI Nachrichten, bevor sie als in die Unternehmenskommunikation des Pay-TV-Senders Premiere (heute Sky Deutschland) wechselte. Seit 2007 schreibt sie freiberuflich mit den inhaltlichen Schwerpunkten Digitalisierung, Neue Technologien, New Work, Diversity/Women in Tech. Sie wurde mit dem „Medienpreis Technik“ ausgezeichnet und moderiert Events und Paneldiskussionen.

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