KI in der Medizin 24.10.2024, 07:00 Uhr

Fehler bei der Medikamentenabgabe? Die KI deckt sie auf

Forschende entwickeln ein tragbares Kamerasystem mit künstlicher Intelligenz (KI) zur Erkennung potenzieller Fehler bei der Medikamentengabe. Das System könnte die Patientensicherheit erheblich verbessern, insbesondere in kritischen medizinischen Bereichen wie Operationssälen und Intensivstationen.

Eine Spritze steckt in einer Ampulle.

Spritzen und Ampullen bergen im medizinischen Alltag das höchste Fehlerpotenzial.

Foto: PantherMedia / Tino Neitz

Ein interdisziplinäres Forscherteam hat ein neuartiges Kamerasystem entwickelt, das mithilfe künstlicher Intelligenz potenzielle Fehler beim Verabreichen von Medikamenten erkennen soll. In einem kürzlich durchgeführten Test zeigte das System eine sehr gute Leistung: Mit einer Sensitivität von 99,6 Prozent und einer Spezifität von 98,8 Prozent konnte es Fehler beim Austausch von Ampullen in hektischen klinischen Umgebungen präzise feststellen. Die Ergebnisse dieser Studie wurden in der Fachzeitschrift npj Digital Medicine veröffentlicht und könnten einen großen Schritt in Richtung verbesserter Patientensicherheit bedeuten.

Kelly Michaelsen, Co-Hauptautorin der Studie und Assistenzprofessorin für Anästhesiologie und Schmerzmedizin an der University of Washington, School of Medicine, erläutert die potenziellen Vorteile des Systems. Insbesondere in Operationssälen, auf Intensivstationen und in der Notfallmedizin könnte das KI-gestützte Kamerasystem zu einem wichtigen Sicherheitsfaktor werden. Die Möglichkeit, Patienten und Patientinnen in Echtzeit zu überwachen und Medikationsfehler zu verhindern, bevor sie überhaupt auftreten, sei ein vielversprechendes Ziel.

Obwohl eine 100-prozentige Genauigkeit kaum erreichbar ist, streben die Forschenden eine Leistung von mehr als 95 Prozent an – ein Ziel, das sie bereits erreicht haben und das von der Mehrheit der befragten Anästhesisten als wünschenswert genannt wurde.

Medikationsfehler sind oft Ursache für kritische Zwischenfälle

Fehler bei der Medikamentengabe stellen ein nicht zu unterschätzendes Problem im medizinischen Alltag dar. Sie sind die häufigsten kritischen Vorfälle in der Anästhesie und die häufigste Ursache für schwerwiegende medizinische Fehler auf Intensivstationen. Schätzungen zufolge sind 5 bis 10 Prozent aller Medikamentengaben fehlerhaft. Besonders oft kommen Fehler durch vertauschte Spritzen und Ampullen oder bei intravenösen Injektionen vor, bei denen das Medikament von Arzt oder Ärztin aus einer Ampulle aufgezogen werden muss.

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Obwohl es bereits Sicherheitsmaßnahmen wie Barcode-Systeme gibt, durch die sich der Inhalt eines Fläschchens schnell überprüfen lässt, wird das in Stresssituationen manchmal vergessen. Das Ziel der Forschenden war es daher, ein Deep-Learning-Modell zu entwickeln, das in Kombination mit einer GoPro-Kamera den Inhalt von Ampullen und Spritzen erkennt und eine entsprechende Warnung ausgibt, bevor das Medikament verabreicht wird. Durch den Einsatz von KI sollen zusätzliche Schritte im Arbeitsablauf der Mediziner und Medizinerinnen vermieden und somit die Sicherheit erhöht werden.

KI-Modell: Training mit realen Videoaufnahmen

Das Training des KI-Modells war ein langwieriger Prozess, der mehrere Monate in Anspruch nahm. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sammelten 4K-Videos von 418 Medikamentenabgaben durch 13 Anästhesistinnen und Anästhesisten in verschiedenen Operationssälen mit unterschiedlichen Aufbauten und abweichender Beleuchtung. Diese Videoausschnitte wurden später protokolliert. Der Inhalt der Spritzen und Fläschchen wurde gekennzeichnet, um das Modell darauf zu trainieren, Inhalt und Behälter zu erkennen. Mit die größte Herausforderung war, dass die Fachleute in den Videos die Spritzen und Fläschchen in den Händen hielten und sich schnell bewegten, wodurch nicht immer alle Objekte vollständig sichtbar waren.

Die KI liest nicht direkt den Text auf den Fläschchen, sondern sucht nach visuellen Hinweisen wie Größe und Form von Fläschchen und Spritze, Farbe des Verschlusses und Größe des Etiketts. Darüber hinaus musste das Rechenmodell lernen, sich auf die Medikamente im Vordergrund des Bildes zu konzentrieren und Fläschchen und Spritzen im Hintergrund zu ignorieren. Shyam Gollakota, Mitautor, betont die Leistungsfähigkeit der künstlichen Intelligenz: „Die KI erledigt all das: Sie erkennt die spezifische Spritze, die der Arzt aufhebt, und erkennt keine Spritze, die auf dem Tisch liegt.“

Potenzial von KI zur Verbesserung der Patientensicherheit

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz und Deep Learning zur Verbesserung der Sicherheit verschiedenen medizinischen Situationen auf. Die Forschenden haben jedoch erst begonnen, das volle Potenzial dieser Technologie zu untersuchen. An der Studie waren neben der University of Washington auch Forscher der Carnegie Mellon University und der Makerere University in Uganda beteiligt. Das Toyota Research Institute hat das System entwickelt und getestet, während die Washington Research Foundation, die Foundation for Anesthesia Education and Research und ein Zuschuss der National Institutes of Health die Arbeit finanzierten.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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