Vorbild Natur 18.12.2024, 12:30 Uhr

Kraken-Saugnäpfe als Lösung für lose Zahnprothesen?

Inspiriert von der Natur – haben Forschende der Fakultät für Zahnmedizin, Mund- und Kieferwissenschaften des King’s College in London kleine „Saugnäpfe“ in 3D-gedruckte Zahnprothesen integriert, um deren Halt zu verbessern.

Saugnäpfe

Von Kraken inspiriert: Saugnäpfe halten Zahnprothesen fest.

Foto: PantherMedia / surabhi25

Zahnprothesen sind die häufigste Lösung für Menschen, die ihre Zähne verlieren, besonders im Alter. Zahnimplantate sind zwar eine Alternative, aber teuer und nicht für jeden zugänglich. Viele Prothesenträger haben das Problem, dass die Prothesen nicht an ihrem Platz bleiben – das nennt man „Retention“. Oft verwenden die Betroffenen Haftmittel aus dem Supermarkt, um die Prothesen zu fixieren, aber diese sind unhygienisch und wenig beliebt.

Vorbild Krake

Um das Problem zu lösen, untersuchte ein Team vom King’s College London einen Mechanismus, der Kraken hilft, an glatten Oberflächen zu haften. Sie prüften, wie dieser Mechanismus auf Zahnprothesen angewendet werden könnte.

Kraken nutzen die Saugnäpfe an ihren Tentakeln, um durch Unterdruck an glatten Oberflächen zu haften. Diese Technik der Haftung übertrugen britische Forschende, wie bereits erwähnt, auf 3D-gedruckte Ober- und Unterkieferprothesen. Sie fügten Saugnäpfe hinzu, die an der weichen Schleimhaut im Mund haften können.

Saugnäpfe verbessern Halt von 3D-gedruckten Zahnprothesen

Denn: Das Team vermutete, dass ähnliche Saugnäpfe auch in Zahnprothesen eingebaut werden könnten, um diese an der weichen Mundschleimhaut haften zu lassen. Sie entwarfen 3D-gedruckte Modelle der oberen und unteren Prothesen mit CAD-Software. Bei der Analyse zeigte sich tatsächlich, dass diese Modelle besser haften als herkömmliche Zahnprothesen, jedoch nicht so stark, dass sie sich nicht mehr entfernen ließen. Die Haftung war doppelt so stark wie bei normalen Prothesen.

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Sie fanden heraus, dass eine dünne Keratinbeschichtung auf Kunststoffprothesen mit dem Keratin der Mundschleimhaut verbindet. Das verbessert die Haftung, ohne das Aussehen der Prothese zu verändern.

Die erste Idee war ein Pfirsich

Der Hauptautor der Untersuchung Dr. Sherif Elsharkawy vom King’s College London kommentierte: „Nachdem ich jahrelang mit Zahnprothesenträgern gearbeitet habe, die ich häufig in meiner Klinik sehe, wollte ich ihre Erfahrungen wirklich verbessern“
Die Idee, klebrige Oberflächen in der Natur nachzubilden, hatte der Forscher zum ersten Mal, als er in einen Pfirsich biss. Er bemerkte, wie die pelzige Haut an seinem Gaumen klebte, und beschloss, weitere klebrige Oberflächen in der Natur zu untersuchen. Die Saugnäpfe von Tintenfischen schienen dabei der perfekte Ausgangspunkt zu sein.

Neue Generation von Zahnprothesen

„Diese Forschung überbrückt die Natur und die Technologie, um eine langjährige Herausforderung für Zahnprothesenträger zu lösen. Indem wir die genialen Haftstrategien der Saugnäpfe nachahmen, haben wir einen Prototyp entwickelt, der besseren Halt und Komfort selbst in den anspruchsvollsten Mundumgebungen bietet. Unsere Ergebnisse ebnen den Weg für eine neue Generation von Zahnprothesen, die die Lebensqualität von Millionen von Menschen weltweit verbessern können“, freuen sich die Forschenden.

„Es ist inspirierend zu sehen, wie Erkenntnisse aus der Natur in Kombination mit modernsten Fertigungstechniken zu Innovationen führen können, die sowohl die Funktionalität als auch die Zufriedenheit der Patienten verbessern. An diesem Projekt mitzuarbeiten, war eine unglaubliche Gelegenheit, die Grenzen der Zahnmaterialwissenschaften zu erweitern“ erklärte auch Dr. Eda Dzinovic, Forscherin für Zahnmaterialien, King’s College London.

Tentakel-Prothese wie bei einem Oktopus

Kraken dienen nicht nur als Vorbild für Zahnprothesen, sondern auch in anderen Forschungsbereichen. Ein Forscherteam hat es geschafft, einen künstlichen Krakenarm zu entwickeln, der mit Saugnäpfen und flexibler Elektronik ausgestattet ist. Dieser Arm wird über einen speziellen Handschuh gesteuert.

Der künstliche Krakenarm, den die Forscher E-SOAM („electronics-integrated soft octopus arm“) nennen, besteht aus fünf Segmenten und 16 pneumatischen Elementen. Am Ende des Arms befindet sich ein Greifmechanismus mit Saugnäpfen. Der Arm kann Informationen über die Biegung, die Saugkraft und die Temperatur von Objekten erfassen und verarbeiten.

Kraken-Saugnäpfe inspirierten neuen Werkstoff für feuchte Flächen

Forschende haben die feine Struktur der Kraken-Saugnäpfe nachgebildet, um ein neues bionisches Haftmaterial zu entwickeln, das auch bei Feuchtigkeit funktioniert. In der Fachzeitschrift „Nature“ berichten sie, dass ihr Material selbst auf feuchter Haut gut haftet und sich für innovative Wundpflaster eignen könnte. Dafür untersuchten sie zunächst die Saugnäpfe von Kraken der Art Octopus vulgaris und entdeckten winzige Auswölbungen in den napfförmigen Mulden. Diese Mikrostruktur ermöglicht es Kraken, sich an glatten Oberflächen wie Steinen festzuhalten oder Beutetiere zu greifen. Anschließend kopierten die Materialforscher diese Struktur mit einer flexiblen Kunststofffolie, um ein neues bionisches Material zu schaffen.

Mehr Infos zu der Forschung zum Thema Zahnprothesen

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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