Krebstherapie: Superkleber für eine bessere Wirkung
Forschende haben einen molekularen Klebstoff für ein neues Krebsmedikament entwickelt. Die sogenannte P5-Technologie stabilisiert das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat im Medikament, sodass es die Krebszellen unversehrt erreicht und sie dort gezielt und lange bekämpfen kann. Viele andere Wirkstoffe zerfallen vorher und können ihre Wirkung nur begrenzt entfalten. Das Medikament geht jetzt in die klinische Erprobung.
Forschende des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin haben einen molekularen Klebstoff, die sogenannte P5-Technologie, entwickelt. Der Klebstoff ist die Grundlage für die Entwicklung eines neuen Krebsmedikaments aus der Klasse der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs). Die P5-Technologie ermöglicht einen sicheren Transport des Wirkstoffs zu seinem Ziel und eine langanhaltende Wirkung.
Ihre potenziell wegweisende Innovation wird nun im Rahmen einer Phase-I/IIa-Studie an Menschen mit Eierstockkrebs und Lungenkrebs getestet. Sie könnte ein grundlegendes Problem lösen, dass einige Krebsmedikamente haben: Sie verlieren den an den Antikörper gebundenen Wirkstoff, bevor der die Krebszelle erreicht und diese töten kann. Dabei büßt das Medikament nicht nur an Wirksamkeit ein. Es verursacht auch mehr Nebenwirkungen, weil der giftige Wirkstoff gesunde Zellen schädigen kann.
Moderne Krebsmedikamente: zielgerichtet und lang wirksam
Um Krebserkrankungen effektiv zu bekämpfen, braucht es Wirkstoffe, die Krebszellen gezielt angreifen und vernichten, ohne das umliegende gesunde Gewebe oder andere Körperfunktionen zu schädigen. Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) erfüllen diese Anforderungen, indem sie toxische Wirkstoffe direkt zu den Tumorzellen transportieren. Allerdings sind herkömmliche ADCs oft begrenzt wirksam, da die Wirkstoffe ihr Ziel nicht erreichen und vorzeitig abfallen.
Hackenberger und sein Team am FMP haben dieses Problem mit der Entwicklung der P5-Technologie gelöst. Hackenberger forscht seit fast 20 Jahren an chemischen Verfahren zur gezielten Funktionalisierung von Proteinen und Antikörpern und entdeckte dabei Reaktionen, die stabile und lösliche Konjugate von Wirkstoffen und Antikörpern liefern.
Hochstabile, lösliche Antikörper-Konjugate
“Mit der P5-Technologie lassen sich hochstabile, lösliche Antikörper-Konjugate herstellen, die sich hervorragend als potenzielle Therapeutika eignen. Dabei fungiert der Antikörper, auf dem der Wirkstoff sitzt, als eine Art Spürhund, der die Krebszelle findet”, erklärt Marc-André Kasper, der die Reaktion in seiner Doktorarbeit am FMP entwickelt hat und nun die chemische Forschung im Unternehmen Tubulis leitet. Tubulis ist eine gemeinsame Ausgründung des FMP und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München.
Ein weiterer Vorteil der potenziellen neuen Krebstherapie ist die langanhaltende Wirksamkeit. Präklinische Vorstudien zeigten bereits bei einmaliger Gabe einen kompletten und anhaltenden Rückgang des Tumors. Im Gegensatz dazu lösten frühere ADCs häufig mehr unerwünschte Nebenwirkungen aus, da der Wirkstoff den Antikörper verließ, bevor der die Zielzelle erreichen konnte.
Großes Potenzial für andere, neue Krebsmedikamente
“Unser Labor und besonders ich, sind sehr stolz, dass wir mit unserer aus der Grundlagenforschung entwickelten Technologie einen wichtigen Beitrag zu einem ADC-Kandidaten liefern konnten, der jetzt in Krebspatientinnen und Krebspatienten erprobt wird, und dabei helfen könnte, ihre Krebserkrankungen effektiv zu bekämpfen”, ergänzt Hackenberger. Er ist Leiter der Forschungsgruppe am FMP, die die Basis für die P5-Technologie geliefert hat. Hackenberger betont auch das große Potenzial der Technologie für die Entwicklung anderer Krebsmedikamente aus der Gruppe der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate.
Neues Krebsmedikament mit P5-Technologie bereits in der Entwicklung
Die Firma Tubulis hat die P5-Technologie angewendet, um einen Topoisomerase-1-Wirkstoff mit einem spezifischen Antikörper für Eierstockkrebs und Lungenkrebs zu koppeln. Beide Krebsarten haben bis heute vergleichsweise schlechte Heilungschancen. Das entstandene ADC TUB-040 wird nun durch Tubulis in einer Phase-I/IIa-Studie bei Krebspatientinnen und Krebspatienten in den USA, Deutschland, Spanien und dem Vereinigten Königreich getestet. In naher Zukunft wird ein weiteres ADC-Molekül (TUB-030) ebenfalls in Phase-I/IIa-Studien erprobt.
Tubulis plant den Einsatz der Technologie in weiteren ADC-Produktkandidaten. Währenddessen will das FMP die Technologie weiterentwickeln und auf andere Gebiete der Grundlagenforschung ausweiten. Der schnelle Übergang von der Entdeckung der P5-Technologie bis zur klinischen Erprobung in einem potenziellen Medikament unterstreicht das Potenzial, das Grundlagenforschung für die angewandte Forschung haben kann.
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