Künstliches Blut aus der Stammzellfabrik
Spenderblut, das den Rohstoff für Blutkonserven liefert, wird immer knapper. Schottische Forscher wollen nun erstmals größere Mengen menschlichen Blutersatzes mithilfe der Gentechnik gewinnen.
Blutersatz wird immer nötiger, denn der Bedarf ist riesig. Nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes werden 15 000 Blutspenden von jeweils 0,5 l benötigt, um Kliniken hierzulande einen Tag lang mit Blutersatz zu versorgen. In Spitzenzeiten, etwa in den Ferienmonaten, ist Spenderblut trotz eingeplanter Sicherheitsreserven zeitweilig so knapp, dass nicht unbedingt nötige Operation hinausgezögert werden müssen.
Mit unterschiedlichen Methoden versucht man deshalb, menschliches Blut auf künstlichem Weg zu ersetzen oder zu erzeugen. Dem sind Forscher in Schottland einen großen Schritt nähergekommen. Im Labor erzeugen sie menschliche Blutbestandteile mit Hilfe von Stammzellen.
Erstmals großtechnische Produktion von menschlichem Blutersatz
Mit der behördlichen Betriebserlaubnis fürs Blutmachen in der Tasche will das in Edinburgh beheimatete Konsortium aus Scottish Centre for Regenerative Medicine und der Gentechnikfirma Roslin Cells, einem Ableger des Roslin Institutes, das das Klonschaf Dolly erzeugte, erstmals die großtechnische Produktion von menschlichem Blutersatz aufbauen.
Um die für klinische Tests erforderlichen Mengen roter Blutzellen aus Stammzellen zu produzieren, werde die Kapazität der neuen Zellfabrik erweitert, teilt deren Betreiber, Roslin Cells, mit. „Wenn wir dabei erfolgreich sind, könnte das zu einem regelmäßigen Einsatz von synthetischem Blut führen“, zitierte kürzlich die BBC den schottischen Kabinettssekretär für Gesundheitsfragen, Alex Neil.
Kosten müssen gesenkt werden
Die nächste Herausforderung wird sein, konkurrenzfähig zu Spenderbluterzeugnissen zu werden. Dazu müssen die Kosten für den transfusionsfähigen Blutersatz aus gentechnischer Herstellung unter 500 £ (rund 587 €) pro Halbliterbeutel gebracht werden. Doch so weit sind die schottischen Forscher noch lange nicht.
Bis vor Kurzem hatten sie sich bei ihren Bemühungen, rote Blutkörperchen künstlich herzustellen, auf den Einsatz von Stammzellen konzentriert, die aus menschlichen Embryonen gewonnen werden. In Großbritannien ist es erlaubt, bei einer künstlichen Befruchtung mehr Embryonen zu erzeugen, als in die Gebärmutter eingepflanzt werden.
Die überzähligen Embryonen werden tiefgefroren und stehen nach Ablauf einer Frist der Forschung zur Verfügung. Sie enthalten embryonale Stammzellen. Aus ihnen entstehen im Normalfall sämtliche 200 verschiedenen Gewebe des menschlichen Organismus, darunter auch Blutzellen.
Ausprägung der Blutgruppe nicht frei wählbar
Durch Zugabe eines Cocktails von Wachstumsfaktoren und mithilfe gentechnischer Manipulation gelang es Forschen von Roslin Cells 2010 tatsächlich, die begehrten roten Blutzellen zu gewinnen. Diese sind Träger des Blutfarbstoffs Hämoglobin, der lebenswichtige Funktionen wie den Austausch und Transport von Sauerstoff und Kohlendioxid im Körpergewebe übernimmt.
Die Sache aber hat einen Haken: Bei einer Bluttransfusion ist die Blutgruppe entscheidend, was sich in bestimmten molekularen Merkmalen auf der Zellmembran der roten Blutkörperchen ausdrückt. Sie bestimmen die Verträglichkeit. „Eines der Probleme mit der Nutzung dieser Zellenlinien ist, dass Sie nicht frei wählen können, welche Blutgruppe ausgeprägt wird“, erläutert Marc Turner, Projektleiter und medizinischer Direktor beim schottischen National Blood Transfusion Service.
Deshalb wandten sich die Forscher der Blutzellengewinnung mithilfe adulter Stammzellen zu. Diese bilden gewissermaßen die natürliche Reserve, auf die der Körper bis ins hohe Alter zurückgreift, um verletzte Gewebe oder verbrauchte Blutzellen zu ersetzen. „Das macht das Leben in gewisser Weise viel einfacher. Wir können nämlich adulte Stammzellen aus einer Haut- oder Blutprobe jener Personen isolieren, die die gewünschte Blutgruppe hat“, sagt Turner.
Blutzellen in bester Qualität in zwei bis drei Jahren
In zwei bis drei Jahren sollen genügend Blutzellen in bester Qualität hergestellt werden können, sodass mit der klinischen Erprobung am Menschen begonnen werden kann.
Mit synthetischem Blutpigment auf der Basis flüssiger Perfluorkohlenstoffe (PFC) wurden bereits Versuche am Menschen unternommen. Die Blutersatzstoffe zeichnen sich durch eine gute Aufnahmefähigkeit für Sauerstoff und CO2 aus. Die Verwendung solcher Blutersatzstoffe war eine Zeit lang in einigen Ländern für bestimmte Notsituationen zugelassen, doch musste der Einsatz wegen unerwünschter Nebenwirkungen schließlich aufgegeben werden.
Biotechnik kommt auch bei der Herstellung von menschlichem Blutalbumin zum Einsatz. Die lebenswichtige Eiweißverbindung gewinnen Forscher der Wuhan Universität in China mithilfe von braunem Reis, in den sie das menschliche Gen für Albumin eingeführt haben. Nach ihren Angaben liegt die Ausbeute nach Reinigungs- und Verarbeitungsschritten bei gut 8 mg/kg Reis. Angesichts eines weltweiten Bedarfs von jährlich 600 t Humanalbumin liegt wohl noch ein weiter Weg vor den Forschern.
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