Long Covid: Risiko gesunken, keine gezielte Heilung in Sicht
Long Covid bleibt eine Herausforderung: Das Risiko ist gesunken, doch eine gezielte Heilung gibt es nicht. Forschende setzen auf Prävention und symptomorientierte Therapien.
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Gerade in der Anfangsphase der Corona-Pandemie sind viele Menschen an Long Covid erkrankt. Nach wie vor lässt sich die Krankheit nicht gezielt behandeln, das Risiko ist jedoch gesunken, daran zu erkranken.
Foto: PantherMedia / Boris Zerwann
Vor rund vier Jahren wurde klar: Eine Infektion mit Sars-CoV-2 kann weitreichende Folgen haben. Viele Menschen erlebten anhaltende Symptome, die Wochen oder Monate nach der akuten Erkrankung fortbestanden. Der Begriff Long Covid fasste dieses Phänomen zusammen. Trotz intensiver Forschung gibt es bislang keine gezielte Heilungsmethode. Allerdings erkranken mittlerweile weniger Menschen an Long Covid im Vergleich zur Anfangsphase der Corona-Pandemie.
Inhaltsverzeichnis
Geringeres Risiko dank Immunisierung
Eine positive Entwicklung ist zu verzeichnen: Dank Impfungen, natürlicher Immunität und weniger aggressiver Virusvarianten ist das Risiko, Long Covid zu entwickeln, gesunken. Laut der „Virus Watch“-Studie des University College London weisen neuere Omikron-Varianten ein ähnliches Langzeitfolgen-Risiko auf wie andere Atemwegserkrankungen. Omikron ist seit Anfang 2022 die weltweit dominierende Corona-Variante.
Andreas Stallmach vom Universitätsklinikum Jena (UKJ) erklärt, dass das Risiko für mehr als zwölf Wochen anhaltende Beschwerden zu Beginn der Pandemie bei etwa 6–8 % lag. Heute sei dieser Wert wahrscheinlich auf 1–2 % gesunken.
Dauerhafte Symptome verschlechtern die Prognose
Carmen Scheibenbogen von der Charité Berlin betont: „Der Anteil derer, bei denen sie innerhalb eines halben Jahres wieder verschwinden, ist recht hoch.“ Wer allerdings länger als sechs Monate unter Symptomen leidet, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese auch nach ein oder zwei Jahren bestehen bleiben.
Besonders häufig betroffen sind Frauen sowie jüngere Menschen. Ein aktiveres Immunsystem könnte eine Rolle spielen. Auch Vorerkrankungen wie Übergewicht oder Autoimmunerkrankungen erhöhen das Risiko für Long Covid.
Keine gezielte Therapie verfügbar
Bis heute gibt es keine ursächlich wirkende Behandlung. Mediziner setzen auf symptomorientierte Ansätze: Bewegungstherapie, Atemtraining, Schmerzmanagement oder kognitive Übungen. In schweren Fällen ist es essenziell, Überlastung zu vermeiden.
Diagnose bleibt schwierig
Ein Kernproblem ist die Diagnosestellung. Es existiert kein eindeutiger Biomarker, der Long Covid klar bestätigt. Viele Symptome sind unspezifisch und überschneiden sich mit anderen Erkrankungen. Stallmach, der das Post-Covid-Zentrum am UKJ leitet, erklärt: „Viele Symptome lassen sich unterschiedlich bewerten – zudem kann aus dem Verdacht auf Long Covid eine ganz andere Diagnose werden.“
Die häufigsten Beschwerden haben sich seit Pandemiebeginn kaum verändert. Müdigkeit, kognitive Einschränkungen, Atemnot, Brustschmerzen sowie psychische Probleme wie Angststörungen und Schlaflosigkeit sind typisch. Eine Studie der Universität Freiburg ergab, dass über ein Drittel der Betroffenen anhaltende Einschränkungen bei körperlicher Belastung angibt.
Die schwerste Form: ME/CFS
Die gefürchtetste Variante von Long Covid ist das chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Dabei leiden Betroffene unter extremer Erschöpfung und körperlicher Schwäche. Bereits geringe Anstrengungen können die Beschwerden erheblich verschlimmern. Bundesweit geht man von 150.000 bis 200.000 Betroffenen aus. Einige Erkrankte sind so schwer eingeschränkt, dass sie ihren Alltag kaum bewältigen können. Stallmach warnt: „Manche sind so schwer krank, dass sie ihr vorheriges Leben komplett verloren haben.“
Prävention als Schlüssel
Neben Therapien rückt auch die Prävention stärker in den Fokus. Carmen Scheibenbogen betont: „Wie lässt sich gezielt verhindern, dass sich nach einer Infektion Long Covid entwickelt?“ Medikamente wie Metformin oder histaminhaltige Nasensprays könnten vielversprechende Ansätze sein. Langfristig könnte dies auch bei anderen Infektionen helfen.
Long Covid ist kein völlig neues Phänomen. Ähnliche Langzeitfolgen sind aus der Medizingeschichte bekannt. Die Pandemie hat das Thema jedoch massiv in den Vordergrund gerückt. Aktuelle Zahlen zu Betroffenen in Deutschland sind schwer zu ermitteln, doch Expertinnen und Experten gehen von mehreren Hunderttausend aus. Viele kämpfen nach zwei Jahren mit finanziellen und gesundheitlichen Folgen – eine Entwicklung, die dringend mehr Aufmerksamkeit erfordert. (mit dpa)
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