Medizintechnik-Branche 11.11.2011, 12:04 Uhr

Medizintechnik im Ruhrgebiet

Brancheninsider konstatierten vor nicht allzu langer Zeit, dass das Ruhrgebiet kaum medizintechnische Güter exportiere, wohl aber Ingenieure der Medizintechnik. Doch inzwischen findet der Nachwuchs auch im heimischen Revier interessante Arbeitsplätze. Eine wichtige Karriereoption ist zudem die Firmengründung.

Das Ruhrgebiet als riesiges Einzugsgebiet.

Das Ruhrgebiet als riesiges Einzugsgebiet.

Foto: Jochen Schlutius/Ruhr Tourismus

Erfolgsstorys junger Unternehmen haben manchmal – auch – mit glücklichen Zufällen zu tun, berichtet Philipp Mayer von der Ilias-medical GmbH. Als das Gründerteam der vier Aachener Hochschulabsolventen, darunter mit der Informatikerin Hayat Koubaa zumindest eine Frau, im Dezember 2006 den 1. Preis bei dem bundesweiten Businessplanwettbewerb der Medizinwirtschaft „Startbahn – MedEcon – Ruhr“ gewann, wurde gerade das BioMedizinZentrum auf dem Campus der Ruhr-Universität Bochum gebaut. „Wir hatten als einer der ersten Mieter den Vorteil, uns dort vollkommen nach unseren Bedürfnissen einrichten zu können. Zudem gab es noch eine Investitionsförderung von Geräten, die wir uns so gar nicht hätten leisten können: Drehmaschine und Fräse, eine CNC-Anlage und die Laborausstattung.“

Bis zum Einzug in das Gründerzentrum Mitte 2008 war das Firmenkapital durch mehrere Investoren gesichert, die Produktion einer kleinen, mobilen künstlichen Lunge, konnte beginnen. Immerhin zwölf feste Mitarbeiter arbeiten nun für Ilias-medical. Und die kommen direkt aus den Studiengängen der Fachhochschulen und Universitäten im Ruhrgebiet. „Das ist gerade für ein junges Unternehmen ein sehr wichtiger Standortvorteil, direkt vor Ort Zugriff auf die Studierenden zu haben“, erläutert Philipp Mayer. Und dann biete das Ruhrgebiet diese enorme Infrastruktur mit sehr hoher Kunden- und Krankenhausdichte. Essen, Dortmund sowie Duisburg sind insgesamt ein riesiges Einzugsgebiet mit Unikliniken, Krankenkassen etc.

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Ruhrgebiet steigt deutschlandweit zum drittwichtigsten Standort für Medizintechnik auf

Deutschlandweit sieht Philipp Mayer das Ruhrgebiet neben Zentren in Baden-Württemberg und Bayern als drittwichtigsten Standort für Medizintechnik in Deutschland. Gerade in den vergangenen fünf Jahren sei im Bereich der technischen Infrastruktur im Ruhrgebiet viel passiert, bestätigt Uwe Kremer, Geschäftsführer der MedEcon (Medicine Economy) Ruhr GmbH, die sich, aus einer regionalen Initiative hervorgegangen, mit Projektentwicklung und Standortmarketing beschäftigt. „Wir haben mit den Technologiezentren in Dortmund und Bochum und seit zwei Jahren auch mit dem Zahnmedizinisch-Biowissenschaftlichen Forschungs- und Entwicklungszentrum an der Universität Witten/Herdecke, in denen hauptsächlich kleine medizintechnische Unternehmen ihren Sitz genommen haben, erhebliche Fortschritte erzielt. Dass solche Zentren den Austausch untereinander nachhaltig intensivieren können, um insgesamt voranzukommen, hat sich bewahrheitet“, erläutert Kremer.

Ein zweiter wichtiger Aspekt seien die deutlich intensiveren Kontakte zu den regionalen Kliniken, die in dem Prozess der Ideenentwicklung, der Gründung und der Startphase von Unternehmen eine wichtige Rolle spielen. Vor zehn Jahren wären die Ingenieure noch mehr unter sich gewesen. Vor allem medizinische Mikrotechnologien waren damals stark mit dem Standort Bochum verbunden und auch die medizinische IT begann sich im kleinen Maßstab zu etablieren. „Das hat sich seitdem prächtig entwickelt. Firmen wie die Visus GmbH und die Phenox GmbH fingen damals mit einer Handvoll Leuten an und haben jetzt zwischen 50 und 100 Mitarbeiter“, berichtet Uwe Kremer.

In Essen-Stoppenberg, auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei Zollverein, hat zudem das 2005 gegründete Erwin L. Hahn Institut für Magnetresonanz einen der weltweit seltenen Magnetresonanztomographen mit einer Feldstärke von 7 Tesla im Einsatz, um die Möglichkeiten dieser Technologie zur Abbildung des ganzen Körpers zu erforschen. Erste Erfolge gibt es bei der Darstellung von Brusttumoren. Dass der europäische Marktführer für mobile Lösungen in der bildgebenden Diagnostik, die Alliance Medical Group, ihre Nord- und Mitteleuropazentrale in Castrop-Rauxel hat, und das vor Ort entstandene Tochterunternehmen „Tomovation“ an der Entwicklung von Bildgebungstechnologien arbeitet, ist vielleicht typisch für die Medizintechnikszene an Ruhr und Emscher. „Mut zur Nische ist die Devise, nach der hier gearbeitet wird. Irgendwann stellt sich die Frage: Ist die Nische so interessant, dass die Großen kommen und alles schlucken oder kommt es zu Kooperationen – zu eigenständigen Entwicklungen? Ich habe beides schon erlebt, wobei die eigenständigen Entwicklungen überwiegen“, erläutert Uwe Kremer.

Medizintechnik ist trotzdem kein Jobmotor im Ruhrgebiet

Als Jobmotor kann die Medizintechnik trotz einzelner erfolgreicher Firmengründungen nicht gesehen werden. Das Dortmunder Werk der Boehringer Ingelheim microParts GmbH mit rund 430 Mitarbeitern ist da schon eine Ausnahme, denn dort sind unter anderem für die Produktion von Inhalatoren auch Nichtakademiker beschäftigt.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat nun mit der Einrichtung des Clusters „MedizinTechnik.NRW“ signalisiert, bei der noch wachsenden Bedeutung der Medizintechnik nichts unversucht zu lassen, um die entsprechenden Wertschöpfungsketten – ausgehend vom Bedarf, über die Forschung bis zur produzierenden Industrie – im Land halten und weiterentwickeln zu können. Als erste Aufgabe sieht Clustermanager Oliver Lehmkühler daher eine umfassende Bestandsaufnahme. Dann geht es natürlich auch ums Geld. „Deutschland ist an europäischen Fördertöpfen meist weniger beteiligt, da bisher genügend regionale Förderungen aus Bundes- und Landesmitteln vorhanden waren. Die Medizintechnik wird auch weiterhin mit Fördermitteln rechnen können, aber sie werden zum Teil aus anderen Töpfen stammen“, erläutert Oliver Lehmkühler.

Stärker als bisher wird die Medizintechnikbranche ihren Beitrag zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen leisten müssen. „Das ist ein erklärtes Ziel und mit ein Grund, den Dialog aller Beteiligten zu intensivieren“, konstatiert Lehmkühler. Potenziale sieht der Clustermanager beispielsweise in der Frühphase der Diagnostik, wo ohne Qualitätsverlust mithilfe neuer Verfahren effizienter gearbeitet werden könnte. Das Ruhrgebiet mit seiner Einwohnerdichte, den Kliniken und den Entscheidungsstrukturen sei sicherlich eine Art Testmarkt, der Modellcharakter für NRW und Deutschland insgesamt haben könnte. Für als Medizintechniker ausgebildete Ingenieure, sowohl von den Fachhochschulen als auch von den Universitäten, gäbe es viel zu tun.

 

Ein Beitrag von:

  • Dr. Manfred Bergheim

    Der Autor und Karriereexperte gibt in seinen Artikeln Tipps wie Ingenieure und Ingenieurinnen Ihre Karrierechancen richtig nutzen.

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