Mikroroboter sollen Wirkstoffe zum Krankheitsherd schleudern
Amerikanische Wissenschaftler testen Magnetismus, um Miniroboter und magnetische Bakterien im Blutkreislauf zu steuern. Sie sollen Nanopartikeln den Übergang von den Blutgefäßen ins Gewebe erleichtern.
Für Medikamente trifft in den meisten Fällen die Regel zu: Je wirksamer sie sind, desto mehr Nebenwirkungen treten auf. Das ist vor allem dann problematisch, wenn die zu erwartenden Begleiterscheinungen den Körper so erheblich schädigen könnten, dass ein Einsatz der Medikamente nur in einem begrenzten Maße möglich ist. Ein typisches Beispiel sind Chemotherapien bei Krebserkrankungen. Anders sieht es aus, wenn es gelänge, die Inhaltsstoffe exakt an den Krankheitsherd zu transportieren und somit die Folgen für den übrigen Organismus deutlich zu minimieren. Forscher des Massachusetts Institut of Technology (MIT) setzen dafür Magnetismus ein. Sie arbeiten sowohl mit Minirobotern als auch mit magnetischen Bakterien – abhängig vom jeweiligen Tumortyp.
Spätestens seit dem Science-Fiction-Klassiker „Die phantastische Reise“ aus den 1960er Jahren träumen Wissenschaftler davon, eine U-Boot-Besatzung zu verkleinern und für Reparaturarbeiten in den Körper zu schicken. Die Forscher vom MIT erschaffen zwar keine Miniatur-Handwerker, aber zumindest Roboter, die so winzig sind, dass sie durch den Blutkreislauf schwimmen und die Medikamentenabgabe beeinflussen können. Denn Nanopartikel von Medikamenten müssen ein großes Hindernis überwinden, um an die richtige Position gelangen zu können: Sie werden durch Blutgefäße transportiert, müssen diese aber verlassen, um beispielsweise in Tumorzellen zu gelangen. „Unsere Idee war es, mit Magnetismus Strömungskräfte zu erzeugen und so Nanopartikel in das anvisierte Gewebe zu drücken“, sagt Simone Schuerle vom MIT.
Winzige Roboter erzeugen Gegenstrom im Blutfluss
Die Nanopartikel sollen meistens Krankheitsherde wie Tumoren erreichen, die von „undichten“ Blutgefäßen umgeben sind. Die Partikel können die Blutgefäße unter diesen Umständen zwar leichter verlassen, aber der Abgabeprozess ist immer noch nicht effektiv genug. Das soll sich durch die Miniroboter ändern. Sie sind nur 35 hundertstel Millimeter lang, also etwa so groß wie eine einzelne Zelle und können durch Anlegen eines äußeren Magnetfelds gesteuert werden. Ein Roboter besteht aus einer einzigen schraubenförmigen Struktur (Helix) und ähnelt damit den fadenförmigen Gebilden, die viele Bakterien als Antrieb verwenden. Die Forscher nennen ihn daher „künstliches Bakterienflagellum“. Die Roboter werden mit einem hochauflösenden 3D-Drucker hergestellt und anschließend mit Nickel beschichtet, wodurch sie magnetische Eigenschaften annehmen.
Für ihren Test entwickelten die Forscher ein Mikrofluidsystem, das die Blutgefäße imitiert, also dünne Kanäle, die einen Durchmesser zwischen 0,05 und 0,2 Millimeter haben und mit einem Gel ausgekleidet sind. Dieses hat einige Löcher, um die beschädigten Blutgefäße in der Umgebung der Tumoren zu simulieren. Nun legen die Forscher Magnetfelder an und steuerten damit den Roboter durch den Kanal – entgegen der Strömungsrichtung. Die Kräfte, die dabei entstehen, führen dazu, dass die Nanopartikel, vereinfacht gesagt, vom Blutfluss mitgerissen werden und durch ihren Schwung leichter die Blutgefäße verlassen und ins Gewebe des künstlichen Modells eindringen können. Für die Wissenschaftler wäre es denkbar, solch ein System beispielsweise in Gefäßhülsen (Stents) einzubauen und über Magnete von außen zu steuern. So könnte Entzündungen im Bereich der Stents besser vorgebeugt werden.
Magnetische Bakterienschwärme als Alternative
Als Variante setzen die Forscher natürliche magnetotaktische Bakterien statt der Mikroroboter ein. Das Bakterium namens Magnetospirillum magneticum produziert auf natürliche Weise Ketten von Eisenoxid. Über Magnetfelder versetzten die Wissenschaftler diese Bakterien in Bewegung – sie drehten sich synchron und rissen Nanopartikel aus ihrer Nähe mit sich. Auch dadurch entstand eine Schubkraft, mit der die Nanopartikel schließlich dreimal so schnell in das Modellgewebe eindrangen wie ohne magnetische Unterstützung. Solch ein Bakterienschwarm könnte Kräfte in den Gefäßen eines ganzen Tumors erzeugen. Eventuell wäre dieses System für die Bekämpfung eines Tumors also noch besser geeignet als der Mikroroboter.
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