Mit künstlicher Intelligenz zum perfekten Medikament – wie das funktioniert
Arzneimittelhersteller nutzen schon länger Algorithmen, um neue Wirkstoffe zu entwickeln – teils ohne großen Erfolg. Eine neue Technik der künstlichen Intelligenz schlägt nur solche Molekülkandidaten vor, die im Labor tatsächlich hergestellt werden können.
Zu früheren Zeiten wurden etliche Medikamente von Naturstoffen abgeleitet – oder waren Zufallsentdeckungen aus chemischen Laboratorien. Seit etwa 40 Jahren arbeiten forschende Hersteller mit großen Substanzbibliotheken, in denen sie nach Molekülen mit bestimmten Eigenschaften suchen. Heute nutzen Unternehmen die künstliche Intelligenz (KI), um ihre Entwicklung zu beschleunigen. Computer arbeiten mit Modellen des maschinellen Lernens, um neue Moleküle mit spezifischen Eigenschaften vorschlagen. Ihr Ergebnis liegt innerhalb weniger Minuten vor; Forschende bräuchten Monate dafür.
Doch die Herangehensweise führt nicht immer zum Erfolg. In-silico-Modelle schlagen oft neue Molekülstrukturen vor, die sich im Labor nur schwer oder gar nicht herstellen lassen. Chemikerinnen oder Chemiker scheitern schlichtweg bei der Synthese. Diese Schwachstelle beheben Ingenieurinnen und Ingenieure am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge mit einem neuen Tool. Ihre Software schlägt nur Molekülstrukturen vor, die sich auch herstellen lassen – und zwar aus einfachen, kommerziell erhältlichen Chemikalien.
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Mit künstlicher Intelligenz zur perfekten Synthese
Ein Blick auf Details: Um neue Wirkstoffe zu erstellen, simuliert das Modell zusätzlich den Prozess der Synthese eines Moleküls. Grundlage sind weitere Datenquellen, die mit späteren pharmazeutischen Anwendungen nichts zu tun haben. Dazu gehören Verzeichnisse mit kommerziell verfügbaren Chemikalien und eine Liste bekannter Reaktionen, mit denen man später im Labor arbeitet. Diese chemischen Vorlagen werden von Expertenteams manuell erstellt. Durch die Kontrolle von Eingaben, indem nur bestimmte Chemikalien oder spezifische Reaktionen zugelassen werden, können Forscherinnen und Forscher die Größe des Suchraums für ein neues Molekül begrenzen.
Das Modell verwendet alle Eingaben, um einen schematischen „Baum“ zu erstellen, indem es Bausteine auswählt und sie mehrfach durch chemische Reaktionen miteinander verbindet, um das endgültige Molekül zu bilden. Bei jedem Schritt wird das Molekül komplexer, da zusätzliche Chemikalien und Reaktionen hinzugefügt werden.
Um ihr Modell zu trainieren, geben die Forscher eine vollständige Molekülstruktur sowie eine Reihe von Bausteinen und chemischen Reaktionen ein, und das Modell lernt, einen „Baum“ zu erstellen. Nachdem es Hunderttausende von Beispielen gesehen hat, kann die Software neue Synthesewege selbständig entwickeln.
Optimierung der Moleküle mit künstlicher Intelligenz
Damit nicht genug. Wie die MIT-Forschergruppe berichtet, kann ihre Anwendung chemische Synthesen auch optimieren. Dazu werden bestimmte Bausteine und chemische Reaktionsvorlagen vorgegeben, und das Modell schlägt eine synthetisierbare Molekülstruktur vor.
„Es war überraschend, wie viele Moleküle man mit einer so kleinen Menge an Vorlagen tatsächlich reproduzieren kann“, kommentiert Rocío Mercado vom MIT. „Man braucht gar nicht so viele Bausteine, um eine große Menge an chemischem Raum zu erzeugen, den das Modell durchsuchen kann.“ Mercado testete das Modell, indem er überprüfte, wie gut es bekannte, synthetisierbare Moleküle rekonstruiert. Es war in der Lage, 51 Prozent dieser Strukturen aufzubauen, jeweils in weniger als eine Sekunde: ein deutlicher Gewinn an Zeit, verglichen mit anderen Methoden.
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Künstliche Intelligenz verbessert die spätere Anwendbarkeit
Doch der Algorithmus leistet noch mehr. Als die Forschenden ihr Modell verwendeten, um Moleküle mit bestimmten biologischen Eigenschaften zu entwickeln, schlug ihre Methode qualitativ hochwertigere Molekülstrukturen vor, die stärkere Bindungsaffinitäten aufwiesen als die von anderen Methoden. Das bedeutet: Moleküle binden effizienter an ein bestimmtes Eiweiß, etwa ein virales Protein, um Infektionen zu stoppen. Generell handelt es sich um theoretische Vorhersagen. Untersuchungen in Tierexperimenten und in klinischen Studien bleiben keinem Hersteller erspart.
Das MIT-Modell könnte auch bestehenden Pipelines mit neuen Wirkstoffkandidaten verbessern. Wenn ein Unternehmen ein bestimmtes Molekül identifiziert hat, welches die gewünschten Eigenschaften aufweist, sich aber nicht herstellen lässt, könnten Forschende anhand des Algorithmus nach ähnlichen – aber leicht synthetisierbaren – Molekülen suchen.
Wie geht es jetzt weiter? Nach der Validierung ihres Ansatzes plant das Team, die chemischen Reaktionsvorlagen weiter zu verbessern, um die Leistung des Algorithmus aus der künstlichen Intelligenz weiter zu steigern. Mit zusätzlichen Vorlagen können sie mehr Tests für bestimmte Zielstrukturen im Körper durchführen und die Software anhand der Vorgaben von Herstellern testen.
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