Mit maschinellem Lernen Kreislaufversagen vorhersagen
Bei einem Kreislaufversagen auf der Intensivstation geht es um Minuten, die über Leben und Tod entscheiden. Nun haben Forschende aus der Schweiz eine Methode entwickelt, die viele Leben retten kann: Sie sagt das Kreislaufversagen frühzeitig und zuverlässig vorher.
Die Forscher der ETH Zürich und des Inselspitals (Universitätsspital Bern,) beweisen mit ihrer Methode, dass maschinelles Lernen im Klinikalltag wertvolle Unterstützung bieten kann. Mit einer Studie belegen sie, dass viele Fälle von Kreislaufversagen früher erkannt werden können. Im Vergleich zu heute wäre das ein erheblicher Fortschritt: Bisher gibt es zwar eine Vielzahl an Alarmen, aber die meisten stellen sich als Fehlalarme heraus. Das bindet in umfangreichem Maß personelle Ressourcen. Bei einem tatsächlichen Kreislaufversagen kommen die Ärzte dagegen oftmals zu spät. Mit ihrer Methode des maschinellen Lernens wollen die Forscher das ändern.
Vielzahl der vorhandenen Daten in Echtzeit analysieren
Auch wenn medizinische Geräte auf Intensivstationen ständig sämtliche Vitalwerte messen und im Notfall Alarm schlagen, sterben viele Patienten an Kreislaufversagen. Messwerte reichen nicht immer aus, um eine exakte Vorhersage eines möglichen Kreislaufkollaps vorherzusehen. Neben Vitalwerten wie Puls, Blutdruck und Blutsauerstoffsättigung, sollten weitere Aspekte berücksichtigt werden. Dazu zählen das Alter und die eingenommenen Medikamente. Diese Fülle an Patientendaten liegt den Kliniken zwar vor, aber individuell je Patient lassen sich diese bisher nicht auswerten. Genau hier setzt das Forscherteam an: Ihre Methode kombiniert die vielfältigen Daten zu einer zuverlässigen Prognose mehrere Stunden zuvor. Ihr Ziel ist es nun, dass diese Methode künftig in Echtzeit sämtliche Daten analysiert und das medizinische Personal informiert.
Studie mit umfangreichem Datensatz: Maschinelles Lernen überzeugt
Als Grundlage für diese Studie zog das Forscherteam zahlreiche Patientendaten heran. Diese stammen von der Universitätsklinik für Intensivmedizin des Inselspitals, die seit 2005 als erste Intensivstation der Schweiz detaillierte Daten von Patienten digital gespeichert hat. Insgesamt umfassen sie 36.000 Klinikaufenthalte. Diese Sammlung erfolgte anonymisiert und mit dem Einverständnis der Patienten. Die Analyse dieser Daten initiierte Forschungsmitarbeiter Tobias Merz, der heute am Auckland City Hospital arbeitet und früher Leitender Arzt in der Intensivmedizin am Inselhospital Bern war. Eine Gruppe um die beiden ETH-Professoren Gunnar Rätsch und Karsten Borgwardt nahmen sich dem an.
Das Ergebnis überrascht: Mit der Methode des maschinellen Lernens entwickelten sie Algorithmen sowie Modelle und unterzogen sie anhand der Datensätze einer eingehenden Prüfung. Laut Gunnar Rätsch, der Professor für Biomedizintechnik an der ETH Zürich ist, konnten sie in 82 % aller Fälle das Kreislaufversagen mindestens zwei Stunden im Voraus prognostizieren. Diese Zeitspanne lässt genügend Raum, um mit einem medizinischen Eingriff Todesfälle verhindern zu können. Bei weiteren Fällen dauerte es etwas länger, bis die Warnung kam. Insgesamt lag die Methode in 90 % aller Fälle richtig.
Begrenzte Anzahl an Messgrößen genügen für Prognose
Ein weiteres erstaunliches Ergebnis dieser Studie ist, dass die Methode die drohende Gefahr anhand weniger Faktoren erkannte. Darauf weist Karsten Borgwardt als Professor für Data Mining an der ETH Zürich hin. Grundsätzlich standen den Forschern Hunderte verschiedener Messgrößen sowie medizinischer Informationen zur Verfügung. Die Prognosen beruhten auf 20 davon. Darunter finden sich der Blutdruck, der Puls, mehrere Blutwerte, das Alter der Patienten und die verordneten Arzneimittel.
Forscher setzen ihre Arbeit fort
Die erfolgreiche Studie betrachtet das Forschungsteam nur als einen Zwischenschritt. Ein Prototyp der Methode existiert bereits, die klinischen Studien folgen. Zudem möchten die Wissenschaftler Datensätze von anderen Kliniken heranziehen, um auf dieser Grundlage noch bessere Resultate zu erzielen. Ihnen ist klar: Für dieses neuartige Frühwarnsystem bedarf es noch zusätzlicher Entwicklungsarbeit, damit es in der Praxis ihren Dienst leisten kann.
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