Nahrungsmittelallergien im Fokus 16.10.2024, 07:00 Uhr

Neuer Allergietest sorgt für bessere Diagnosen

Allergien, vor allem gegen Nahrungsmittel, nehmen immer mehr zu. Jetzt gibt es einen neuen Test, der die klinische Diagnostik von Allergien grundlegend verbessern könnte. Entwickelt hat ihn ein Forschungsteam der Universität Bern und des Inselspitals, Universitätspitals Bern, um damit eine präzisere Diagnose von Nahrungsmittelallergien zu ermöglichen

Arm eines Patienten, auf dem Zahlen und Kreise aufgemalt sind. Es wird eine Flüssigkeit in die Kreise geträufelt. Das Bild zeigt einen herkömmlichen Allergietest.

Diesen sogenannten Prick-Test kennen viele Menschen mit Allergien. Forschende haben nun einen neuen Test entwickelt, mit präziseren Ergebnissen.

Foto: panthermedia.net/nito103

Bis zu 10 Prozent der Weltbevölkerung ist heute von Nahrungsmittelallergien betroffen – besonders Kleinkinder. Die Erdnussallergie zählt dabei zu den häufigsten und schwersten Formen, die oft mit lebensbedrohlichen Reaktionen einhergehen. Die Belastung durch Nahrungsmittelallergien hat weitreichende Auswirkungen auf Betroffene, deren Familien, das Gesundheitssystem und die Lebensmittelindustrie. Bisher galt der sogenannte orale Provokationstest als Goldstandard in der Diagnostik. Bei diesem Test werden Allergene unter Aufsicht eingenommen. Das funktioniert meistens nur im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes, ist also aufwendig, und birgt zugleich einige gesundheitliche Risiken. Daneben gibt es noch einen Prick-Hauttest und Bluttests. Beide gelten jedoch als zu ungenau und es kann zu Fehldiagnosen kommen. Das Resultat: Menschen vermeiden unnötig Nahrungsmittel, weil sie sich fälschlich als Allergene herausgestellt haben.

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Forschende der Universität Bern und des Inselspitals haben 2022 einen alternativen Allergietest entwickelt, der die allergische Reaktion im Reagenzglas nachahmt. In einer klinischen Studie wurde bereits die Wirksamkeit des Tests an Proben von Kindern und Jugendlichen mit bestätigter Erdnussallergie sowie einer gesunden Kontrollgruppe überprüft. Die Ergebnisse zeigen eine höhere Genauigkeit des neuen Tests im Vergleich zu bisherigen Methoden. Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Partnern vom Hospital for Sick Kids in Toronto, Kanada, durchgeführt.

Vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Allergietests

Bei Nahrungsmittelallergien handelt es sich in der Regel um sogenannte Typ-I-Allergien. Der Körper bildet dann Antikörper der Klasse Immunglobulin E (IgE) als Reaktion auf eigentlich für ihne harmlose Stoffe (Allergene). Diese Antikörper binden sich an spezifische Rezeptoren auf Mastzellen. Das sind spezialisierten Zellen des Immunsystems, die eine wichtige Rolle bei allergischen Reaktionen und Entzündungen spielen. Bei erneutem Kontakt mit dem Allergen binden diese sich direkt an die mit Antikörpern beladenen Mastzellen, wodurch eine allergische Reaktion ausgelöst wird. „Bei dem von uns entwickelten Hoxb8 Mastzellaktivierungstest (Hoxb8 MAT) werden im Labor gezüchtete Mastzellen mit Blutserum von Allergikerinnen und Allergikern in Kontakt gebracht. Die Mastzellen binden die IgE-Antikörper aus dem Serum und werden dadurch sensibilisiert. Anschließend können wir die Mastzellen mit verschiedenen Mengen der zu testenden Allergene stimulieren“, sagt Alexander Eggel, Forschungsleiter an der Universitätsklinik für Rheumatologie und Immunologie Inselspital, Universitätsspital Bern.

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Die Quantifizierung der aktivierten Mastzellen im Hoxb8 Mastzellaktivierungstest lässt Rückschlüsse auf den Schweregrad der Allergie zu, ohne dass Betroffene das Nahrungsmittel einnehmen müssen. Für die Studie hat das Team Serumproben von 112 Kindern und Jugendlichen verwendet, bei denen bereits eine Erdnussallergie festgestellt worden war. Die Forschenden verwendeten die im Labor gezüchteten Mastzellen als Grundlage, sensibilisierten diese mit den Serumproben und stimulierten sie anschließend mit Erdnussextrakt. Vorteil dieser Methode: Sie ist einfach durchzuführen und lieferte innerhalb von zwei Tagen Ergebnisse für alle Proben. Die Daten zeigten bei Seren von Allergikern, dass sich die Mastzellen aktiviert hatten, was bei Proben von nicht allergischen Kontrollen eben nicht erfolgte.

Neuer Allergietest mit fast 100-prozentiger Genauigkeit

„Aus diesen Daten konnte eine außergewöhnlich hohe diagnostische Genauigkeit von 95 Prozent berechnet werden“, bilanziert Eggel. Im direkten Vergleich mit anderen etablierten diagnostischen Methoden wies der neue Test eine deutlich höhere Genauigkeit auf. „Der Quervergleich mit anderen klinischen Tests war enorm wichtig, um herauszufinden, welcher von diesen die allergische Reaktion der Betroffenen am verlässlichsten abbildet. Der neue Mastzellaktivierungstest hat den Vorteil, dass er funktionell ist und dadurch viele Parameter, die für die Auslösung der Allergie wichtig sind, mit einbezieht“, ergänzt Thomas Kaufmann vom Institut für Pharmakologie der Universität Bern. Darüber hinaus wird nur ein stabiles Blutserum benötigt, das sich durch eine einfache Blutentnahme gewinnen lässt. Es lässt sich gefroren lagern, wodurch logistische Herausforderungen entfallen.

Die Studie ergab, dass der „Hoxb8 Mastzellaktivierungstest“ weniger falsch negative Ergebnisse liefert als andere Methoden. Ferner lasse sich dieses Prinzip auch auf andere Allergien übertragen. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie Grundlagenforschung aus der Universität in die klinische Anwendung gelangt und letztendlich Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzten das Leben erleichtert. Inzwischen haben sich die Forschenden Technologie und Methodik des Tests patentieren lassen. Daraus ist bereits ein Spin-off-Unternehmen entstanden: ATANIS Biotech AG. Ziel ist die Zertifizierung und weltweite Vermarktung des neuen Allergietests.

Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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