Gamechanger für die Gesundheit 27.03.2025, 12:00 Uhr

Neuer Sensor liefert Echtzeitdaten vom Stoffwechsel wie nie zuvor

Chemische Prozesse in Echtzeit messen: Ein neuer Sensor misst erstmals kontinuierlich über 800 Stoffwechselprodukte direkt im Körper.

Der von der UCLA entwickelte TMR-Sensor ermöglicht die Echtzeitüberwachung einer Vielzahl von Metaboliten

Der von der UCLA entwickelte TMR-Sensor ermöglicht die Echtzeitüberwachung einer Vielzahl von Metaboliten. Inset: Ein spektroskopisches Bild zeigt Moleküle auf der Elektrode, die die Reaktionen zur Erfassung von Metaboliten steuern.

Foto: Xuanbing Cheng and Zongqi Li/Emaminejad Lab

Ein neu entwickelter Sensor ermöglicht die kontinuierliche Messung zahlreicher Stoffwechselprodukte im Körper. Und das in Echtzeit. Das eröffnet neue Perspektiven für Medizin, Forschung und industrielle Anwendungen.

Metaboliten: Molekulare Wegweiser des Körpers

Im Körper laufen ständig chemische Prozesse ab, die unser Leben ermöglichen. Treibstoff für diese Vorgänge sind sogenannte Metaboliten – kleine Moleküle, die bei der Energiegewinnung, der Zellregulation oder beim Erhalt lebenswichtiger Gleichgewichte eine zentrale Rolle spielen. Ihre Analyse erlaubt Rückschlüsse auf die Gesundheit, das Fortschreiten von Krankheiten und die Wirkung von Therapien.

Doch der Blick auf diese biologischen Prozesse ist bislang eingeschränkt. Meist basieren die Messmethoden auf Blut-, Speichel- oder Gewebeproben, die im Labor analysiert werden. Das Ergebnis: punktuelle Momentaufnahmen. Eine kontinuierliche Erfassung, wie sie etwa bei Blutzuckersensoren bereits existiert, gibt es bislang kaum – und wenn, dann nur für sehr wenige Stoffwechselprodukte.

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Ein Forschungsteam der University of California, Los Angeles (UCLA) hat nun einen Sensor entwickelt, der diese Lücke schließen könnte.

Sensorplattform nutzt natürliche Stoffwechselprozesse

Die neue Technologie entstand am California NanoSystems Institute (CNSI). Entwickelt wurde sie unter Leitung von Sam Emaminejad, Professor für Elektrotechnik an der UCLA. Das Ziel: eine Plattform, die flexibel auf verschiedene Stoffwechselprodukte anwendbar ist – und das zuverlässig im Körper.

„Um zu verstehen, wie Metaboliten biologische Prozesse beeinflussen oder die Gesundheit widerspiegeln, müssen wir verschiedene Gruppen von Metaboliten basierend auf unserem spezifischen Interesse überwachen“, erklärt Emaminejad. „Deshalb wollten wir eine Sensorplattform entwickeln, die auf eine Vielzahl von Metaboliten angewendet werden kann und gleichzeitig einen zuverlässigen Betrieb im Körper gewährleistet – und dafür haben wir uns natürliche Stoffwechselprozesse zunutze gemacht.“

Dabei sehen die Forschenden ihre Entwicklung nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung bestehender Analysemethoden wie der Massenspektrometrie. Diese könne weiterhin zur Identifikation interessanter Moleküle dienen – der neue Sensor ermögliche hingegen deren kontinuierliche Beobachtung in lebenden Systemen.

Biochemie auf kleinstem Raum

Kern der Technologie sind winzige Sensoren, die auf Kohlenstoff-Nanoröhren basieren. Diese Röhrchen bestehen aus einemlagigem Kohlenstoff und bieten eine große Oberfläche für chemische Reaktionen. Darauf platzierte Enzyme und Cofaktoren – also Hilfsmoleküle – stoßen Reaktionen an, die natürlichen Stoffwechselprozessen ähneln.

Je nach Zielmolekül erkennt der Sensor den Metaboliten direkt oder wandelt ihn in eine andere Form um, die sich elektrisch nachweisen lässt. Die dabei entstehenden Ströme liefern präzise Informationen über Konzentrationen der Moleküle.

Der Clou: Mehrere Enzyme können parallel oder nacheinander wirken. Dabei verhindern manche Enzyme gezielt Störungen durch andere Moleküle – ganz ähnlich wie Entgiftungsvorgänge im menschlichen Körper.

Das Team nennt seine Entwicklung deshalb „Tandem-Metabolismusreaktionssensoren“, kurz TMR-Sensoren.

Über 800 Metaboliten in Echtzeit erfassen

Durch die gezielte Kombination von Enzymen und Cofaktoren lassen sich laut Emaminejad deutlich mehr Stoffwechselprodukte detektieren als mit bisherigen Methoden. Herkömmliche enzymatische Sensoren erkennen meist nur einzelne Substanzen. Die neue Technik hingegen erfasst über 800 Metaboliten direkt – und mit einem zusätzlichen Reaktionsschritt sogar mehr als zwei Drittel aller bekannten Moleküle im menschlichen Stoffwechsel.

Xuanbing Cheng, Co-Erstautor der Studie und Postdoktorand an der UCLA, ergänzt: „Die TMR-Elektrode verfügt über zusätzliche spezielle Funktionen für die Hochleistungs-Biosensorik. Sie besteht aus einwandigen Kohlenstoff-Nanoröhren und bietet eine große aktive Fläche für die Beladung mit Enzymen und Cofaktoren.“

Die Sensoren arbeiten zudem bei niedriger elektrischer Spannung. Das verringert Nebenreaktionen und erhöht die Genauigkeit.

Erste Tests in Schweiß und Speichel erfolgreich

In einer Reihe von Tests untersuchte das Team die Sensorleistung anhand von Schweiß- und Speichelproben. Dabei analysierten sie unter anderem Stoffwechselprodukte von Epilepsie-Patientinnen und -Patienten sowie von Personen mit Diabetes-ähnlichen Erkrankungen. Auch ein Metabolit, der von Darmbakterien gebildet wird und bei zu hoher Konzentration neurologische Schäden verursachen kann, ließ sich im Gehirn nachweisen.

Die kontinuierliche Messung solcher Moleküle könnte künftig wichtige Hinweise auf Krankheitsprozesse liefern – weit früher als bisherige Diagnostikmethoden.

Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten

Die Sensorplattform ist nicht nur für die Medizin interessant. Sie bietet auch Potenzial in der Grundlagenforschung, bei der Medikamentenentwicklung und in industriellen Prozessen.

In der personalisierten Medizin könnten Therapien besser auf den individuellen Stoffwechsel abgestimmt werden. In der Sportmedizin ließe sich analysieren, wie effizient der Körper unter Belastung Energie nutzt. In der pharmazeutischen Forschung könnten Wissenschaftler live verfolgen, wie Medikamente biochemische Prozesse beeinflussen.

Auch industrielle Anwendungen sind denkbar. Etwa bei der Produktion von Biokraftstoffen oder Medikamenten mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen könnten die Sensoren helfen, Stoffwechselwege zu optimieren und Ausbeuten zu steigern.

Blick in die Zukunft: Darm-Hirn-Achse besser verstehen

Besonders spannend findet Emaminejad die Möglichkeit, die sogenannte Darm-Hirn-Achse genauer zu untersuchen – ein Forschungsfeld, das in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat.

„Eine große Herausforderung beim Verständnis, wie sich Darm und Gehirn gegenseitig beeinflussen, besteht darin, Veränderungen im Laufe der Zeit zu erfassen“, sagt er. „Ein Instrument, das Metaboliten kontinuierlich verfolgt, anstatt sich auf einzelne Labormessungen zu verlassen, könnte dazu beitragen, diese wechselseitige Kommunikation aufzudecken.“

Die Forschenden arbeiten nun daran, ihre Sensorplattform weiterzuentwickeln und gezielt auf offene Fragen in der Biomedizin anzuwenden.

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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