Neues Antibiotikum soll gegen resistente Bakterien helfen
Resistente Bakterien sind ein Problem. Pro Jahr sterben mehr als fünf Millionen Menschen an ihnen, weil eine Behandlung mit verfügbaren Antibiotika nicht mehr hilft. Ein Forscherteam der Universität Zürich hat nun ein neues Antibiotikum entwickelt, das gegen genau diese resistenten Bakterien wirken soll.
Die Entdeckung des Penicillins 1928 durch Alexander Fleming war ein medizinischer Durchbruch. Er lässt sich durchaus als eine der wichtigsten Meilensteine in der Medizin des 20. Jahrhunderts bezeichnen. Dank des schottischen Mediziners und Bakteriologen ließen sich fortan zahlreiche ernsthafte Erkrankungen erfolgreich behandeln. Das trug auch dazu bei, dass in den folgenden Jahrzehnten deutlich weniger Menschen aufgrund von Infektionen unterschiedlicher Arten verstarben. Doch schon Fleming ahnte, dass seine Entdeckung nur dann langfristig ein Erfolg sein würde, wenn beim Einsatz bestimmte Kriterien berücksichtigt werden: Zum einen sollte Penicillin nur bei einer Infektion mit Bakterien verabreicht werden, die empfindlich auf das Mittel reagieren. Zum anderen sei auch die Dosierung entscheidend: Die Behandlung müsse ausreichend lang und mit entsprechend hohen Dosen erfolgen.
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Diese Empfehlungen veränderten sich im Laufe der Zeit hin zu einer Behandlung, die so kurz wie möglich und so lang wie nötig sein sollte. Das gilt auch für alle Antibiotika, die nach Penicillin entwickelt wurden. Das wird jedoch nicht immer eingehalten. Antibiotika werden heute auf der einen Seite oft unnötig verordnet und auf der anderen Seite halten sich nicht alle Patienten und Patientinnen an die verschriebene Einnahme. Das Ergebnis: Es entwickelten sich zahlreiche resistente Bakterien, die mit gängigen Antibiotika nicht mehr bekämpft werden können. Und das mit fatalen Folgen. Denn weltweit sterben pro Jahr mehr als fünf Millionen Menschen aufgrund von resistenten Bakterien. Forschende arbeiten deshalb seit Jahren daran, neue Wirkstoffe zu entwickeln, die genau bei solch resistenten Bakterien die gewünschte Wirkung zeigen. Doch seit mehr als 50 Jahren wurden keine neuen Antibiotika mehr zugelassen, die in diese Zielgruppe passen. Ein Forscherteam der Universität Zürich will dies nun ändern.
Neues Antibiotikum gegen resistente Bakterien – Basis ist ein natürliches Eiweiß
Der Chemiker Oliver Zerbe, Leiter des NMR-Labors der Universität Zürich hat sich mit der Entwicklung einer hochwirksamen Antibiotika-Klasse beschäftigt. Sie soll vor allem die sogenannten Gram-negativen Bakterien wirksam bekämpfen. Diese Gruppe von Bakterien gilt als besonders gefährlich. Die WHO stuft sie entsprechend ein. Der Grund: Ihre doppelte Zellmembran macht diese Bakterien besonders widerstandsfähig. Das Team der Universität Zürich erhielt bei ihren Forschungen Unterstützung von der Pharmafirma Spexis AG. Finanzielle Unterstützung gab es auch durch Innosuisse, einer Schweizer Agentur, die sich darauf spezialisiert hat, Start-ups zu fördern.
Das Forscherteam fokussierte sich auf das Eiweiß Thanatin. Es ist ein natürlich vorkommendes Eiweiß, Insekten setzen es ein, um Infektionen abzuwehren. Denn das Thanatin sorgt dafür, dass eine wichtige Transportbrücke unterbrochen wird. Über diese Brücke findet normalerweise der Austausch einer essentiellen Lipid-Zuckerkomponente zwischen der inneren und äußeren Membran der Gram-negativen Bakterien statt. Indem der Transport unterbrochen wird, entsteht ein Stau im Zellinneren. Die Stoffwechselprodukte können sich nicht mehr bewegen und das Bakterium stirbt dadurch ab. Das Thanatin an sich ist in seiner Wirksamkeit allerdings relativ schwach. Deshalb eignet es sich in seiner reinen Form nicht als Antibiotikum. Würde man es einsetzen, entstünden sicherlich rasch neue Resistenzen.
Erste Tests zeigen: neues Antibiotikum zeigt gewünschte Wirkung
Das natürliche Thanatin musste also verändert werden. Genau das nahmen die Forschenden in den Fokus und starteten mit einer Untersuchung der Struktur. Das Team setzte gezielt die unterschiedlichen Komponenten des bakteriellen Transportweges synthetisch zusammen. Auf diese Art und Weise ließ sich dann in einer Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) darstellen, wie und wo sich das Eiweiß anlagert und den Transport unterbricht. Mit diesem Ergebnis konnten nun die Mitarbeitenden der Pharmafirma eine chemische Modifikation vornehmen, mit der eine stärkere antibakterielle Wirkung erreicht werden kann. Darüber hinaus veränderten sie die Struktur auch noch dahingehend, das Eiweiß stabiler zu gestalten.
Erste Tests ergaben ausgezeichnete Resultate. „Vor allem bei Lungeninfektionen erwiesen sich die neuartigen Antibiotika als sehr wirksam“, erklärt Oliver Zerbe. „Insbesondere sind sie hocheffektiv bei Carbapenem-resistenten Enterobakterien, gegen die fast alle erhältlichen Antibiotika machtlos sind.“ Auch hinsichtlich der Nebenwirkungen konnten die Forschenden sehr zufrieden sein: Die Wirkstoffe waren nicht toxisch, es zeigten sich keine Nierenschäden und sie hielten sich über eine lange Zeit im Blut stabil. Dies alles sind relevante Eigenschaften, die man benötigt, um für ein Medikament eine Zulassung zu erhalten. Weitere Untersuchungen folgen. Möglicherweise könnte diese Entwicklung ein großer Durchbruch sein: „Wir sind zuversichtlich, dass dies die Ausbildung von zukünftigen Resistenzen maßgeblich verlangsamen wird. Jetzt besteht die Aussicht, dass bald eine neue Klasse von Antibiotika auf den Markt kommt, welche auch gegen resistente Bakterien wirksam ist“, sagt Zerbe.
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