Pilotanlage im Test 23.04.2020, 07:01 Uhr

Neues Händedesinfektionssystem für öffentliche Orte entwickelt

Greifwalder Forscher haben ein neues Desinfektionsmittel entwickelt und dazu eine Pilotanlage präsentiert, die bereits in einem Einkaufszentrum getestet wird – die Anlage ist für Orte mit einem hohen Aufkommen an Besuchern gedacht.

Desinfektionsanlage

Die Desinfektionsanlage ist für insgesamt 18 Personen ausgelegt. Derzeit wird sie noch mit herkömmlichen Mitteln betrieben.

Foto: Carsten Desjardins, INP

Ein sehr wichtiger Schutz vor Infektionskrankheiten ist das regelmäßige und sorgfältige Reinigen der Hände. Das Waschen mit Seife und warmem Wasser oder das fachgerechte Benutzen eines Desinfektionsmittels beseitigen Viren und Bakterien gleichermaßen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist das Thema stark in den Vordergrund gerückt. Denn auch Covid-19 ist auf Oberflächen wie Türklinken oder Griffen von Einkaufswagen für eine gewisse Zeit überlebensfähig. So haften die Viren an der Hand des nächsten Benutzers, der sich früher oder später unbewusst durchs Gesicht reibt – wodurch die Viren an die Schleimhäute gelangen. Das lässt sich nur vermeiden, wenn die Hände häufig desinfiziert werden. Mit einem neuen Desinfektionsmittel und einer dazugehörigen Anlage wollen Greifswalder Forscher des Leibniz-Institutes für Plasmaforschung und Technologie e. V. (INP) dafür bessere Voraussetzungen schaffen.

Grundlage ist ein neues Verfahren der Firma Nebula Biocides GmbH, bei der es sich um eine Ausgründung des INP handelt. „Seit 2016 erforschen wir einen hochwirksamen Desinfektionswirkstoff, der innerhalb von 30 Sekunden sowohl gegen hartnäckige Bakteriensporen als auch gegen widerstandsfähige Viren wirkt“, sagt Jörn Winter, Forscher am INP und einer der Geschäftsführer der Nebula Biocides GmbH. „Auf Basis dieses Verfahrens arbeiten wir an einer neuartigen Desinfektionsanlage, die Händedesinfektionen an hochfrequentierten Orten wie zum Beispiel an Bahnhöfen, Flughäfen, Schulen oder auch Krankenhäusern erlaubt.“ Die Anlage besteht also aus zwei Komponenten: einem neuen Desinfektionsmittel und einem Spendersystem.

Desinfektionsmittel ist vollständig biologisch abbaubar

Herkömmliche Desinfektionsmittel basieren in der Regel auf Alkohol. In den vergangenen Wochen haben entsprechende Medienberichte die Runde gemacht – diverse Spirituosen-Hersteller haben ihre Produktion umgestellt oder Alkohol an andere Unternehmen gespendet, weil diese ihn für die Herstellung von Desinfektionsmitteln dringend benötigten. Knappheit ist zwar normalerweise nicht das Problem, aber Alkohol ist verhältnismäßig teuer und zudem leicht entzündlich.

Die Greifswalder Forscher haben daher ein ganz neues Desinfektionsmittel entwickelt, dessen Hauptbestandteil Wasser ist. Es ist daher nicht entflammbar und deutlich günstiger. Die Wissenschaftler geben als Preis etwa zehn Cent pro Liter an. Alkoholbasierte Desinfektionsmittel würden etwa 100 Mal so viel kosten. Die einzelnen Bestandteile ihres Konzentrats haben die Forscher zwar nicht veröffentlicht, aber sie weisen darauf hin, dass nach dem Gebrauch nur Wasser und natürliche Rückstände übrig blieben, weswegen das Mittel vollständig biologisch abbaubar sei. Das heißt also auch: Das Desinfektionsmittel kann nur über spezielle Anlagen verwendet werden. Diebstahl über unrechtmäßiges Abfüllen, womit durch die Corona-Krise viele Krankenhäuser zu kämpfen hatten, ist nicht möglich.

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Forscher hoffen auf schnelle Zulassung

Die Wirksamkeit, die grundsätzliche Verträglichkeit sowie die Sicherheit des Verfahrens sind nach Angaben der Forscher bereits von akkreditierten Laboren bestätigt worden, offiziell zugelassen ist das System aber noch nicht. Aufgrund der aktuellen Lage hoffen die Wissenschaftler auf ein beschleunigtes Zulassungsverfahren oder eine Sondergenehmigung für ihr Mittel. Die Anlage selbst kann auch mit herkömmlichen Desinfektionsmitteln betrieben werden. „Das ist längst nicht so effizient und kostengünstig wie mit unserem Wirkstoff, aber schon mal ein wichtiger Schritt für die Hygiene an öffentlichen Orten“, sagt Winter. Denn die Ausmaße wurden speziell für öffentliche Orte mit hoher Besucherfrequenz konzipiert.

Eine Pilotanlage wird gerade im Einkaufszentrum Elisen Park Greifswald getestet. Dort können sich 18 Personen gleichzeitig die Hände desinfizieren. Das System muss lediglich an eine Wasserleitung angeschlossen werden und arbeitet ansonsten autark. Die Desinfektion erfolgt über Konzentrate, die in der Anlage automatisch mit Wasser zum ausgabefertigen Mittel gemischt werden. Das führt zu einer größeren Effizienz. Eine Befüllung soll für etwa eine Million Händedesinfektionen ausreichend sein.

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Ein Beitrag von:

  • Nicole Lücke

    Nicole Lücke macht Wissenschaftsjournalismus für Forschungszentren und Hochschulen, berichtet von medizinischen Fachkongressen und betreut Kundenmagazine für Energieversorger. Sie ist Gesellschafterin von Content Qualitäten. Ihre Themen: Energie, Technik, Nachhaltigkeit, Medizin/Medizintechnik.

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