KI-Tool ermittelt Risiko für Blutvergiftungen – und gibt Therapieempfehlungen
Forschende haben ein KI-Tool entwickelt, das Ärzten und Ärztinnen dabei hilft, das Risiko für Blutvergiftungen besser einzuschätzen. Anders als bisherige Systeme stellt das neue Tool das menschliche Fachpersonal in den Mittelpunkt – mit Erfolg.
Ein neues KI-Tool namens SepsisLab soll die Einschätzung des Risikos für eine Blutvergiftung (Sepsis) bei Patienten und Patientinnen grundlegend verbessern. Das neuartige Tool, das auf Künstlicher Intelligenz basiert, zeichnet sich durch seine Fähigkeit aus, Unsicherheiten zu berücksichtigen und aktiv nach zusätzlichen Informationen zu suchen. Dafür analysiert es demografische Daten, Vitalparameter und Laborergebnisse, um seine Vorhersagegenauigkeit kontinuierlich zu optimieren.
Das KI-Tool ermittelt das Sepsis-Risiko innerhalb von vier Stunden. In dieser Zeit identifiziert es auch fehlende Patientendaten und bewertet deren Relevanz. Noch dazu, zeigt es Ärzten und Ärztinnen, wie sich spezifische Informationen auf die finale Risikoprognose auswirken könnten. Experimente mit einer Kombination aus öffentlich zugänglichen und eigenen Patientendaten demonstrierten eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit des neuen KI-Systems: Durch die Ergänzung von lediglich acht Prozent der empfohlenen Daten verbesserte sich die Vorhersagegenauigkeit um beachtliche elf Prozent.
Unzufriedenheit bei bisherigem KI-Tool
Bei einer Sepsis oder septischen Erkrankung handelt es sich um eine lebensbedrohliche Reaktion des Körpers auf eine Infektion. Dabei bekämpft das Immunsystem nicht nur die Krankheitserreger, sondern greift auch körpereigenes Gewebe an. Dies führt zu Entzündungen im Körper, die zu Organversagen und im schlimmsten Fall zum Tod führen können. Um das Risiko frühzeitig einschätzen zu können, haben Forschende der Ohio State University SepsisLab entwickelt.
Das KI-Tool basiert auf intensivem Feedback von Ärzten und Ärztinnen sowie Pflegekräften aus Notaufnahmen und Intensivstationen, wo Blutvergiftungen am häufigsten auftreten.
Diese medizinischen Fachkräfte äußerten Unzufriedenheit mit einem bereits existierenden KI-Tool, das Risikobewertungen ausschließlich anhand elektronischer Patientenakten erhob, ohne klinische Eingaben. „Das bestehende Modell stellt eher ein traditionelles Paradigma für den Wettbewerb zwischen Mensch und KI dar. Es erzeugt zahlreiche lästige Fehlalarme auf Intensivstationen und in Notaufnahmen, ohne auf die Ärzte zu hören“, sagt Ping Zhang, Professor für Informatik und Ingenieurwesen und biomedizinische Informatik an der Ohio State University.
Neues KI-Tool: Mensch steht im Mittelpunkt
Im Gegensatz zu herkömmlichen KI-Systemen, die oft als Konkurrenz zur menschlichen Expertise wahrgenommen werden, setzt das neue KI-Tool auf echte Kollaboration, erklärt Zhang.
„Die Idee ist, dass wir die KI in jeden Zwischenschritt der Entscheidungsfindung einbeziehen müssen, indem wir das Konzept ‚KI im menschlichen Kreislauf‘ übernehmen. Wir entwickeln nicht nur ein Tool, sondern haben auch Ärzte und Ärztinnen in das Projekt einbezogen. Dies ist eine echte Zusammenarbeit zwischen Informatikern und Klinikpersonal, um ein menschenzentriertes System zu entwickeln, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt.“
Eine Besonderheit von SepsisLab liegt in seiner Fähigkeit, stündlich aktualisierte Risikovorhersagen zu generieren, basierend auf neu hinzugefügten Patientendaten. Anders als herkömmliche KI-Modelle, die fehlende Werte durch simple Imputation ersetzen, entwickelte das Team einen innovativen Active-Sensing-Algorithmus. Dieser identifiziert kritische fehlende Werte und empfiehlt den Ärzten und Ärztinnen gezielt, welche zusätzlichen Variablen erhoben werden sollten, um die Vorhersagegenauigkeit zu maximieren.
KI-Tool muss vertrauenswürdig sein
SepsisLab geht damit über die reine Datenanalyse hinaus und liefert dem Fachpersonal konkrete Handlungsempfehlungen. Es priorisiert Labortests nach ihrer diagnostischen Relevanz und prognostiziert, wie sich verschiedene klinische Interventionen auf das Sepsisrisiko auswirken könnten.
Zhang sieht in der menschenzentrierten KI einen wichtigen Fortschritt in der Medizin. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie so mit den Ärzten und Ärztinnen interagiert, dass diese dem System vertrauen können. „Es geht nicht darum, ein KI-System zu bauen, das die Welt erobern kann“, sagte Zahng. „Das Zentrum der Medizin ist das Testen von Hypothesen und das Treffen von Entscheidungen im Minutentakt, die nicht nur ‚ja‘ oder ’nein‘ lauten. Wir stellen uns einen Menschen im Zentrum der Interaktion vor und nutzen KI, um diesem Menschen zu helfen, sich übermenschlich zu fühlen.“
Die Experimente geben dem Forscher recht. Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine konnte die Genauigkeit der Sepsis-Risikoeinschätzung bereits um 11 Prozent verbessern.
Die neu gewonnenen Forschungsergebnisse wurden auf der diesjährigen Konferenz SIGKDD (Conference on Knowledge Discovery and Data Mining) veröffentlicht.
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