Neues KI-Werkzeug erkennt Hirntumore schneller als der Arzt
Ein Team des Forschungszentrums Jülich hat einen Deep-Learning-Algorithmus entwickelt, der Hirntumore in PET-Scans automatisch identifizieren und bewerten kann. Das schafft die Künstliche Intelligenz in einem Bruchteil der Zeit und mit Ergebnissen, die mit denen eines erfahrenen Arztes vergleichbar sind.
Um Hirntumore richtig einschätzen zu können, braucht es bislang einen erfahrenen Arzt und es ist zeitintensiv. Das könnte sich künftig ändern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben im „Journal of Nuclear Medicine“ ein neues Verfahren vorgestellt, das auf Deep-Learning basiert. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz lassen sich PET-Aufnahmen sehr viel schneller auswerten als es jeder Arzt kann. Das alles soll genauso zuverlässig funktionieren, als wenn Menschen sich die Scans anschauen. Das Forschungsteam erwartet sich von diesem Ansatz einiges – so soll das neue KI-Werkzeug den Arzt unterstützen aber auch dabei helfen, die PET-Messungen besser zu standardisieren.
PET-Scans auszuwerten, kostet viel Zeit
Für eine präzise Erstdiagnose und während der Therapie ist es wichtig, die Größe und das Volumen eines Gehirntumors genau zu erfassen. Dies hilft bei Entscheidungen wie der Operierbarkeit oder der Reaktion des Tumors auf die Behandlung. Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist die bevorzugte Methode, da sie Strukturveränderungen im Gehirn genau abbilden kann.
Allerdings können strukturelle Auffälligkeiten nicht immer das wahre Ausmaß des Tumors widergeben. Untersuchungen haben gezeigt, dass in vielen Fällen die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) andere Ergebnisse als die MRT liefert. Das Auswerten der PET-Scans hinsichtlich des Tumorvolumens ist jedoch zeitaufwendig, weshalb es in Krankenhäusern kaum routinemäßig angewandt wird.
Deep-Learning-Algorithmus detektiert Tumore automatisch
Vor diesem Hintergrund hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Philipp Lohmann vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-4) in Jülich einen neuen Deep-Learning-Algorithmus entwickelt. Dieser kann Tumore in PET-Daten automatisch erkennen und deren Volumen präzise bestimmen.
Laut einer Pressemitteilung des Forschungszentrums lässt sich durch diesen Algorithmus die Analyse beschleunigen, ohne dass Einbußen in der Qualität der Ergebnisse zu verzeichnen sind. Lohmann betont: „Das von uns entwickelte KI-Werkzeug könnte Mediziner dabei unterstützen, wichtige diagnostische Informationen zu erhalten, die bisher nur selten vorliegen“.
So funktioniert PET
Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) nutzt radioaktiv markierte Biomoleküle, um spezifische Stoffwechselvorgänge im Körper zu visualisieren. Bei der Darstellung von Hirntumoren sind besonders radioaktiv markierte Aminosäuren effektiv. Dies liegt daran, dass sich schnell wachsende Krebszellen diese Aminosäuren zügiger einverleiben als gesunde Gehirnzellen.
Im Fachjargon bezeichnet man dies als „metabolisches Tumorvolumen“, da die Messung auf den Stoffwechselprozessen der Zellen basiert. Für die Analyse muss ein Arzt die Konturen des Tumors auf zahlreichen Schichtaufnahmen eines PET-Scans genau bestimmen. Lohmann erläutert: „Das kostet viel Zeit, weshalb die Methode, trotz ihrer hohen Aussagekraft, in der klinischen Praxis selten durchgeführt wird“.
So wurde der Algorithmus trainiert
Damit der Deep-Learning-Algorithmus PET-Aufnahmen zuverlässig im Hinblick auf das metabolische Tumorvolumen auswerten kann, musste er vorher trainiert werden. Das Training von „JuST BrainPET“ (Juelich Segmentation Tool for Brain Tumor PET) erfolgte anhand von 476 PET-Datensätzen, anschließend wurde der Algorithmus an 223 Datensätzen getestet. Diese waren im Rahmen einer Erstdiagnose oder während Nachuntersuchungen von Hirntumorpatienten entstanden.
„Unsere KI hat gelernt, den Tumor auch von anderen Strukturen zu unterscheiden, die aus physiologischen Gründen die Aminosäuren ebenfalls vermehrt aufnehmen – etwa Gefäße oder Muskelgewebe“, sagt Robin Gutsche, Doktorand am INM-4 und Erstautor der Studie, der maßgeblich an der Entwicklung des KI-Algorithmus beteiligt war. „Das funktioniert selbst dann, wenn die Tumoren unmittelbar an diese Strukturen angrenzen.“
Dank des erfolgreichen Trainings ist die künstliche Intelligenz nun in der Lage, innerhalb weniger Minuten den Tumor zu detektieren und das metabolische Tumorvolumen zu bestimmen. Dabei stimmen die Ergebnisse sehr gut mit den Werten überein, die von Experten ermittelt wurden.
KI kann klinische Bewertung vornehmen
Das Forschungsteam hat den klinischen Wert ihres Algorithmus zusätzlich überprüft, indem sie die KI den Erfolg einer Chemotherapie bei Gliom-Patienten bewerten ließen. „Hier ging es etwa darum, folgende Fragen zu beantworten: Wie gut spricht ein Patient auf eine Therapie an, oder wie ist seine Prognose?“ so Lohmann. „Wir konnten zeigen, dass die KI die klinische Bewertung genauso gut wie ein Facharzt erledigt – jedoch in einem Bruchteil der Zeit.“ Dabei unterstreicht die Forschenden, dass die KI nicht das Ziel hat, den Arzt zu ersetzen, sondern vielmehr eine unterstützende Funktion einnimmt.
Darüber hinaus könnte dieser KI-basierte Ansatz helfen, die Auswertung von PET-Messungen zu standardisieren. Dadurch würden Ergebnisse zwischen unterschiedlichen Einrichtungen und Kliniken konsistenter und somit vergleichbarer. „Wir hoffen, dass unser Algorithmus die behandelnden Ärzte in den neuroonkologischen Zentren ermutigt, die Aminosäure-PET bei ihren Patienten häufiger einzusetzen – auch wenn sie wenig Erfahrung mit der Methode haben“, fügt Lohmann hinzu.
Ein Beitrag von: