Spezielles Interface ermöglicht natürliche Bewegungen mit Prothesen
Forschende haben ein neues Verfahren namens Agonist-Antagonist-Myoneural-Interface entwickelt, durch das Menschen mit Beinamputationen mehr neuronales Feedback erhalten. Auf diese Weise können sie ihre Prothese intuitiv steuern und ihren Gang deutlich besser kontrollieren.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben in Zusammenarbeit mit Forschenden vom Brigham and Women’s Hospital in Boston ein neues Operationsverfahren entwickelt, das Menschen mit Amputationen dabei helfen soll, ihre Prothesen natürlicher und effektiver zu steuern. Bei dieser Methode, die als Agonist-Antagonist-Myoneural-Interface (AMI) bezeichnet wird, werden die Muskeln im Beinstumpf wieder miteinander verbunden. Dies soll Patienten und Patientinnen eine genauere Wahrnehmung über die Position der Prothese (propriozeptives Feedback) ermöglichen.
In der Studie, in der sich insgesamt sieben Personen dieser Operation unterzogen haben, stellten die Forschenden fest, dass sie schneller wieder gehen und Hindernissen ausweichen konnten als Menschen mit herkömmlichen Amputationen. „Dies ist die erste Prothesenstudie in der Geschichte, die eine Beinprothese unter vollständiger neuronaler Modulation zeigt, bei der ein biomimetisches Gangbild entsteht“, sagt Studienautor Hugh Herr, Professor am MIT.
AMI-Verfahren stellt Informationsaustausch her
Normalerweise steuern Muskelpaare die Bewegungen der Gliedmaßen durch abwechselndes Anspannen und Entspannen. Bei einer klassischen Amputation wird dieses natürliche Zusammenspiel zwischen Agonist und Antagonist gestört. Für das Nervensystem ist es dann schwierig, die Position und Geschwindigkeit der Muskeln zu erfassen – Informationen, die für die Bewegungssteuerung essenziell sind. Die AMI-Operation stellt diese natürliche Muskelinteraktion wieder her. Die chirurgische Methode kann sowohl bei einer ersten Amputation als auch nachträglich durchgeführt werden.
Bisher waren Menschen mit Amputation auf robotische Steuerungen und Sensoren in der Prothese angewiesen. Mit der AMI-Operation können sie die Prothese nun intuitiv über ihr eigenes Nervensystem steuern. „Mit dem AMI-Amputationsverfahren versuchen wir, so weit wie möglich die nativen Agonisten mit den nativen Antagonisten auf physiologische Weise zu verbinden, so dass eine Person nach der Amputation ihre gesamte Phantomgliedmaße mit einem physiologischen Maß an Propriozeption und Bewegungsumfang bewegen kann“, erklärt Herr.
AMI-Amputation reduziert Schmerzen und Muskelschwund
Die AMI-Patienten und Patientinnen profitierten nach der Operation auch von weniger Schmerzen und einem geringeren Muskelschwund im Stumpf. Weltweit wurde der Eingriff bereits bei etwa 60 Menschen durchgeführt, darunter auch Menschen mit Armamputation. Eine frühere Studie des MIT-Teams hat bereits gezeigt, dass AMI-Patienten und Patientinnen ihre Stumpfmuskulatur präziser steuern können und ähnliche elektrische Signale erzeugen wie mit der gesunden Gliedmaße. In der aktuellen Studie untersuchten die Forschenden nun zusätzlich, ob sich diese elektrischen Signale nutzen lassen, um Neuroprothesen zu steuern und gleichzeitig ein sensorisches Feedback zu liefern. Die Ergebnisse bestätigen: Mit der AMI-Schnittstelle ist eine flüssige, fast natürliche Bewegungssteuerung möglich. „Dank der neuroprothetischen Schnittstelle AMI waren wir in der Lage, diese neuronale Signalübertragung zu verstärken und so viel wie möglich zu erhalten“, sagt Studienautor Hyungeun Song.
Verbessertes Gangbild mithilfe von Neuroprothesen
In verschiedenen Tests verglichen die Forschenden das Gangbild von sieben Personen, die sich einer AMI-Operation unterzogen haben mit sieben Personen, die eine herkömmliche Amputation hatten. Alle trugen eine Beinprothese mit Knöchelantrieb und Elektroden zur Muskelableitung. Bei Aufgaben wie Gehen, Treppensteigen und Hindernissen ausweichen waren die AMI-Personen deutlich schneller und zeigten natürlichere Bewegungen. Sie hoben beispielsweise die Zehen der Prothese beim Treppensteigen an und koordinierten die Prothese flüssig mit dem gesunden Bein.
„Bei der AMI-Kohorte konnten wir beobachten, dass sich natürliche biomimetische Verhaltensweisen herausbildeten“, sagt Herr. „Die Kohorte ohne AMI-Aputation konnte zwar gehen, aber die Bewegungen der Prothese waren nicht natürlich, und ihre Bewegungen waren im Allgemeinen langsamer.“ Bemerkenswert ist, dass die AMI-Personen ein natürliches Gangbild zeigten, obwohl das sensorische Feedback nur 20 Prozent des Feedbacks eines gesunden Beins entsprach.
Die Studie demonstriert damit eindrucksvoll das Potenzial des neuen AMI-Verfahrens in Verbindung mit Neuroprothesen. Eine vom körpereigenen Nervensystem gesteuerte Beinprothese kann Menschen ein Stück Normalität zurückgeben und die Lebensqualität deutlich verbessern.
Die Forschenden planen nun, die neuromuskuläre Schnittstelle zu optimieren, um die Signalübertragung und Bewegungskontrolle weiter zu verbessern. Langfristiges Ziel ist es, Prothesen zu entwickeln, die sich nahtlos in das körpereigene Nervensystem integrieren und wie natürliche Gliedmaßen funktionieren.
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