Neurologische Erkrankungen mit KI und VR besser erkennen und behandeln
Fortschritte in der Diagnose und Behandlung neurologischer Erkrankungen meldet die Hochschule Ruhr West in Bochum. VR und KI spielten bei den Forschungsprojekten eine entscheidende Rolle.
Die Hochschule Ruhr West hat in enger Zusammenarbeit mit ihren Partnern – dem RUB Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum, dem RUB Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum und der SNAP GmbH – erstaunliche Fortschritte in der neurologischen Rehabilitation erzielt. In den Forschungsprojekten „VAFES“ und „REXO“ wurden innovative Technologien entwickelt, die das Potenzial haben, die Lebensqualität von Patient*innen mit neurologischen Erkrankungen deutlich zu verbessern. Zum Einsatz kommen dabei Künstliche Intelligenz (KI) und Virtual Reality (VR).
VAFES: Diagnose der Hand- und Armfunktion
Einschränkungen der Hand- und Armfunktion stellen bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Schlaganfall oder Rückenmarksverletzungen eine große Herausforderung dar. Diese Beeinträchtigungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität und die soziale Teilhabe der Betroffenen. Eine genaue Diagnose dieser Funktionen ist daher sowohl für eine gezielte Therapie als auch für die Früherkennung unerlässlich. Vor diesem Hintergrund hat das Forschungsteam einen virtuellen Test für Arm- und Handbewegungen entwickelt, der neurologische Bewegungsstörungen mit Hilfe von maschinellem Lernen erfasst (VAFES).
Ziel des Projektes war es, eine standardisierte Testumgebung zu schaffen, die konventionelle medizinische Tests in die Virtuelle Realität (VR) überträgt. Dabei werden objektive Bewegungsparameter und ausgewählte Biosignale erfasst. Dies ermöglicht eine umfassende Diagnostik und Therapiekontrolle von neurologischen Erkrankungen, die die Hand- und Armfunktionen beeinträchtigen. Durch den Einsatz modernster Machine-Learning- und Deep-Learning-Techniken können auch bisher nicht erkennbare Klassifikationen und Muster identifiziert werden.
VR-Applikation realisiert
Im Rahmen des Projekts wurde eine VR-Anwendung entwickelt, die zentrale Elemente neurologischer Assessments integriert. Diese sind insbesondere für Parkinson- Patient*innen geeignet. Eine erste Version dieser Anwendung, die auf der Sensorik herkömmlicher VR-Geräte basiert, wurde auf der STEAM-Plattform bereitgestellt. Die Daten dieser Anwendung werden datenschutzkonform auf einen Server der SNAP GmbH übertragen und in einem eigens entwickelten Datenbankmanagementsystem gespeichert.
Zusätzlich wurde eine Laborversion des VAFES-Tests entwickelt. Diese Version verfügt über eine erweiterte Bewegungssensorik, einen Sensorhandschuh und ermöglicht die gleichzeitige Erfassung von EEG- und EMG-Biosignalen. Die zugehörige Software bietet eine integrierte Machine-Learning-Analyse, die bereits in der Lage ist, Handbewegungen auf Basis der EEG-Daten präzise vorherzusagen.
Erfolgreiche Laborversuche
Während der Laboruntersuchungen analysierten die Forschenden gründlich die Bewegungsbahnen der oberen Extremitäten und modellierten sie in 3D. Dies dient als Grundlage für eine erweiterte Bewegungsklassifikation und die Identifizierung pathologischer Muster. Darüber hinaus führten sie spezifische Analysen durch, um aus den EEG-Signalen Muster zu erkennen, die die Fehlerverarbeitung im Gehirn betreffen. Das heißt, es wurden sogenannte Fehlerpotentiale als neuronale Indikatoren identifiziert, die auftreten, wenn ein Fehler erkannt oder beobachtet wird.
Ergänzend wurde eine Prozesskette zur Erstellung von 3D-Avataren entwickelt, die das Eintauchen der Patient*innen in die VR-Umgebung während des Tests oder Spiels intensiviert. Zusätzlich implementierte das Forschungsteam einen theoretischen Ansatz zur Kompensation des Tremors durch antagonistische Stimulation in die Laboruntersuchungen. Damit wurden erfolgreich die Grundlagen für eine systematische und digitale Erfassung eines umfangreichen Satzes qualifizierter Bewegungs- und Biosignaldaten gelegt.
Verwertbare Datenerhebung fehlt noch
Aufgrund der durch die Pandemie bedingten Einschränkungen und regulatorischen Anforderungen im Bereich der Medizinprodukte war es bisher leider nicht möglich, eine aussagekräftige Datenerhebung in der Patientenanwendung durchzuführen. Die beteiligten Partner planen jedoch Folgeprojekte, um dieses Ziel zu erreichen. Aufgrund der bereits geschaffenen Grundlagen und der bestehenden Kooperationsstruktur sind diese Projekte nach Meinung der Forschenden als sehr vielversprechend einzustufen.
REXO: Smarte Rehabilitation der oberen Extremitäten
Im Rahmen des Forschungsprojektes „REXO“ hat die Hochschule Ruhr West gemeinsam mit ihren Partnern ein innovatives Soft-Exoskelett für die Rehabilitation der oberen Extremitäten entwickelt. Prof. Dr. Ioannis Iossifidis, Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Informatik und Künstliche Intelligenz an der HRW und Konsortialführer des REXO-Projekts, ist begeistert von den Möglichkeiten des Projekts:
„Im Rahmen des Projektes REXO haben wir an der HRW einen ersten Prototyp eines Soft-Exoskelett zur Rehabilitation der oberen Extremität entwickelt. Das Gesamtsystem wertet EMG- und EEG-Signale der Patient*innen aus und erlaubt eine individuell angepasste Unterstützung und Korrektur, basierend auf den Bedürfnissen der Patient*innen. Ausgewiesenes Ziel ist es, die Arm- und Greiffunktionen von Patient*innen mit neurologischen Erkrankungen zu verbessern. Ein Folgeprojekt wurde bereits beantragt und wird zurzeit begutachtet.“
Exoskelette für Hand und Oberarm helfen bei der Reha
Im Rahmen des Projekts wurden signifikante Fortschritte erzielt und wesentliche Elemente erfolgreich realisiert. Die Prototypen des Oberarm- und Hand-Exoskeletts sind voll funktionsfähig und bieten sowohl aktive als auch passive Bewegungsunterstützung. Das aktive Exoskelett verfügt über eine innovative Gravitationskompensation, die das Gewicht des Arms in jeder Position selbstständig ausgleicht. Eine Besonderheit des Projekts ist das KI-basierte Assistenzsystem, das Menschen mit Bewegungseinschränkungen im Alltag unterstützt.
Neurologische Erkrankungen können zu erheblichen Beeinträchtigungen der Arm- und Greiffunktion führen, was die Betroffenen im Berufs- und Alltagsleben stark einschränkt und die Rehabilitation erschwert. REXO wurde so konzipiert, dass eine intelligente sensorische und aktorische Integration möglich ist, die immer genau die Unterstützung oder Korrektur bietet, die in der jeweiligen Situation der Patient*innen erforderlich ist.
Exoskelette bislang nur im Labor erprobt
Um das gesteckte Ziel zu erreichen, wurden insbesondere am Beispiel der Armlähmung nach Schlaganfall wichtige Forschungsergebnisse und Entwicklungen erzielt: Kernelemente des Systems sind ein biomechanisch ausgelegtes, adaptives Oberarm- und Hand-Exoskelett, kombiniert mit einem intelligenten, auf Biosignalen basierenden Dekodiersystem und einem KI-basierten Assistenzsystem.
Die Prototypen des Oberarm- und Hand-Exoskeletts sind voll funktionsfähig und bieten aktive Bewegungsunterstützung durch Motoren sowie passive Unterstützung durch Federkraft und elastische Komponenten. Aufgrund der strengen regulatorischen Anforderungen an solche aktiven Medizinprodukte wurde das Exoskelett bisher nur in einer Laborversion realisiert und noch nicht an Patient*innen getestet. Die Erprobung an Patient*innen steht im Mittelpunkt zukünftiger Projekte.
KI-Assistenzsystem unterstützt Patient*innen
Im Zuge von REXO entwickelten die Forschenden ein KI-gestütztes Assistenzsystem, um Patient*innen mit Bewegungseinschränkungen im Alltag zu unterstützen. Dieses System erkennt Objekte und kann in Kombination mit dem vorgenannten Decoder bestimmte Aktionen identifizieren und unterstützen, wie beispielsweise das Helfen bei einer Trinkaufgabe.
Die Weiterentwicklung eines praxisnahen Rehabilitationssystems stellt angesichts verschärfter regulatorischer Anforderungen eine erhebliche Herausforderung für das Konsortium dar. Dank der neu etablierten Datenmanagementstrukturen sowie der Simulationstechniken und Virtual-Reality-Szenarien ergeben sich umfangreiche Möglichkeiten für weitere Forschungen im neurologischen und neurowissenschaftlichen Bereich. Dies bietet vielversprechende Perspektiven für die Zukunft und ist von großer Bedeutung für die Patientenversorgung.
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