Notfallmediziner schlagen Alarm: Klimawandel wird Gesundheitskrise
Der Klimawandel bedroht die Notfallmedizin weltweit. Extreme Wetterereignisse und neue Krankheitsbilder stellen Rettungsdienste vor immer größere Herausforderungen.
Der Klimawandel hat nicht nur dramatische Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die menschliche Gesundheit und die medizinischen Versorgungssysteme. Vor allem die Notfallmedizin steht weltweit vor einer zunehmenden Belastung. Extreme Wetterereignisse, veränderte Krankheitsverläufe und eine wachsende Zahl an Patientinnen und Patienten erfordern schnelle und gezielte Maßnahmen, um die Gesundheitssysteme auf diese Herausforderungen vorzubereiten. Doch trotz dieser klaren Warnungen scheinen viele Länder unzureichend vorbereitet. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie.
Inhaltsverzeichnis
Notfallmedizin zeichnet alarmierendes Bild
Auf dem European Emergency Medicine Congress wurde in einer Sondersitzung ausführlich darüber gesprochen, wie der Klimawandel die Notfallmedizin beeinflusst. Luis Garcia Castrillo, emeritierter Professor für Notfallmedizin am Hospital Marqués de Valdecilla in Spanien, präsentierte die Ergebnisse einer umfassenden Studie. 42 Fokusgruppen in 36 Ländern, verteilt auf 13 UN-Regionen, hatten an einer Umfrage teilgenommen, um das Bewusstsein für den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Notfallmedizin zu ermitteln.
Die Ergebnisse zeigen ein alarmierendes Bild: Auf einer Skala von 0 bis 9 bewerteten die befragten Experten und Expertinnen die Schwere der Auswirkungen des Klimawandels auf die Notfallversorgung im Durchschnitt mit 7. Castrillo erklärt: „Das ist ein hoher Wert, insbesondere da einige Regionen, wie Nordeuropa, dies als weniger problematisch betrachten als andere Länder, wie z. B. Australien.“ Es wird deutlich, dass die Risiken je nach geografischer Lage unterschiedlich wahrgenommen werden. In Australien oder Zentralamerika schätzt man die Bedrohung durch den Klimawandel als besonders gravierend ein, während Nordeuropa diese eher als gemäßigt empfindet.
Dringender Handlungsbedarf
Trotz der erkennbaren Risiken haben nur wenige Länder konkrete Maßnahmen ergriffen, um sich auf die bevorstehenden Herausforderungen vorzubereiten. Laut der Umfrage haben lediglich 21 % der befragten Länder Bewertungen der Auswirkungen des Klimawandels auf die Notfallversorgung durchgeführt. Noch gravierender ist, dass nur 38 % der Länder überhaupt Vorbereitungen getroffen haben, um auf diese zukünftigen Belastungen reagieren zu können.
Besonders besorgniserregend ist das mangelnde Bewusstsein in vielen Regionen. „Von allen Befragten der Fokusgruppen gaben 62 % an, dass ihre Regierungen keine Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Notfalldienste vorgenommen hätten, 55 % gaben an, dass nichts unternommen worden sei, um sich auf die Auswirkungen vorzubereiten“, berichtete Castrillo. Es zeigt sich, dass der Klimawandel zwar zunehmend als Problem erkannt wird, jedoch der politische Wille und die Ressourcen fehlen, um konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Geografische Unterschiede in der Wahrnehmung
Der Klimawandel trifft die Regionen der Welt unterschiedlich. Während einige Länder wie Australien oder auch Staaten in Zentralafrika bereits die Auswirkungen des Klimawandels spüren, nehmen Länder in Nordeuropa oder im östlichen Mittelmeerraum die Bedrohung oft weniger intensiv wahr. Die Forschenden stellten fest, dass in wohlhabenden Ländern vor allem Hitzewellen, Kälteeinbrüche und Waldbrände als die größten Risiken für die Notfallmedizin angesehen werden. Diese Regionen befürchten eine steigende Patientenzahl durch extreme Wetterereignisse.
Länder mit niedrigerem und mittlerem Einkommen sehen sich hingegen mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert. Hier werden vor allem die Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion und die Unterbrechung der medizinischen Versorgung als größte Bedrohung wahrgenommen. In diesen Ländern ist die Infrastruktur oft weniger robust, was zu erheblichen Versorgungsengpässen führen kann, wenn der Klimawandel extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen, Dürren oder Wirbelstürme auslöst.
Umweltverschmutzung, Überschwemmungen und Hitzewellen sind die größten Risiken
Die Umfrage der Fokusgruppen identifizierte drei Hauptgefahren, die durch den Klimawandel verstärkt werden: Umweltverschmutzung, Überschwemmungen und Hitzewellen. Diese Bedrohungen werden nicht nur häufiger auftreten, sondern auch schwerwiegendere Folgen haben. Für die Notfallmedizin bedeutet dies eine höhere Zahl an Patientinnen und Patienten, die schnelle Hilfe benötigen, aber auch zusätzliche Belastungen durch veränderte Krankheitsbilder.
Neben diesen großen Gefahren wurden Kälteeinbrüche, Waldbrände und durch Vektoren übertragene Krankheiten wie Malaria als weitere Risiken genannt. Besonders tropische und subtropische Regionen müssen sich auf eine verstärkte Ausbreitung von Krankheiten einstellen, die durch veränderte klimatische Bedingungen begünstigt werden. Diese neuen Herausforderungen könnten das Gesundheitswesen vieler Länder überfordern, wenn nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Strategische Pläne für die Vorsorge
Ein zentrales Ergebnis der Befragung war, dass strategische Pläne zum Umgang mit Klimafolgen dringend notwendig sind. Die Expertinnen in den Fokusgruppen betonten, dass vor allem Bildung und Ausbildung eine zentrale Rolle im Umgang mit klimabedingten Risiken spielen. Notfallmedizinerinnen müssen auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet werden, um im Ernstfall schnell und effektiv reagieren zu können.
Dr. Roberta Petrino, Leiterin der Notaufnahme am Ente Ospedaliero Cantonale in der Schweiz und Co-Vorsitzende der Session „Klimawandel ist auch ein Gesundheitsnotstand“, betonte die Bedeutung dieser Maßnahmen: „Unsere Umfrage hat insbesondere gezeigt, dass die Notfallmedizin und die Ausbildungsprogramme für Medizinstudierende und Notärzte sowie die Forschung gestärkt werden müssen.“
Globale Bedrohung durch den Klimawandel
Die Studie macht deutlich, dass der Klimawandel ein globales Problem ist, das alle Länder betrifft. Insbesondere Regionen wie Australasien, Südasien und Subsahara-Afrika müssen sich auf die schwerwiegendsten Auswirkungen einstellen. Der WorldRiskIndex, ein Modell zur Bewertung der Katastrophenanfälligkeit von 193 Ländern, zeigt, dass Länder mit ohnehin schwacher Infrastruktur einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sind. Aber auch wohlhabendere Staaten sind vor den Folgen des Klimawandels nicht gefeit.
„Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Klimawandel wahrscheinlich erhebliche Auswirkungen auf die medizinischen Notfalldienste haben wird“, warnte Dr. Petrino. Sie forderte mehr politische Aufmerksamkeit und die dringende Entwicklung von Strategien, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.
Ein Beitrag von: