Per Anhalter durch den Körper
Diagnostische Verfahren sind für Patienten mitunter recht belastend, etwa die Endoskopie. Auch bei der Therapie greifen Ärzte oft zum Skalpell. Beide Bereiche könnten Mikroroboter übernehmen.
Unser Darmmikrobiom, sprich die Gesamtheit aller Bakterien im Darm, wird mit zahlreichen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Dazu zählen Entzündungen, Tumore, aber auch Stoffwechselstörungen. Da sich der Darm in mehrere Abschnitte gliedert, war es bislang nur mit belastenden Koloskopien (Darmspiegelungen) möglich, die räumliche Verteilung von Bakterien zu untersuchen. Ingenieure der Tufts University in Boston zeigen jetzt, dass eine Hightech-Pille Proben nehmen kann, ohne Patienten zu beeinträchtigen.
Per 3D-Druck zur nicht invasiven Diagnostik
Die Pille wird über 3D-Druckverfahren hergestellt. Sie besteht aus feinsten Kanälchen, bekannt als Mikrofluidik, um Flüssigkeiten mit Bakterien aufzunehmen. Als Oberfläche kommt eine pH-sensitiven Beschichtung zum Einsatz. Ziel der Entwickler ist, dass nicht im sauren, bakterienfreien Milieu des Magens Proben genommen werden, sondern erst im basischen Bereich des Dünndarms. Bei pH-Werten deutlich über 7,0 löste sich die Beschichtung auf. Erst dann liegen die Kanälchen frei.
Eine semipermeable Membran trennt zwei Kammern in der Pille – eine mit spiralförmigen Kanälen, die die Bakterien aufnehmen, und die andere mit einer Calciumverbindung gefüllt. Die Salzkammer hilft, einen osmotischen Fluss durch die Membran zu erzeugen, um Bakterien in die spiralförmigen Kanäle zu ziehen. Und ein kleiner Magnet in der Pille ermöglicht es, sie zu steuern. Der zweite Magnet wird von außen an den Körper gehalten, um das Tool im Inneren des Darms zu positionieren.
Die Bedeutung von Darmbakterien besser verstehen
Anschließend verlässt die Pille auf ganz natürlichem Weg den Körper und wird im Labor mithilfe molekularbiologischer Methoden untersucht. Erste Tests zur Sicherheit verliefen bereits erfolgreich, wenn auch nur im Tiermodell.
„Wir verfügen schon lange über fortschrittliche Technologien zur Analyse von Bakterienpopulationen mithilfe der DNA-Sequenzierung, konnten bislang aber keine Bakterien im gesamten Magen-Darm-Trakt auf nicht-invasive Weise sammeln“, sagt Hojatollah Rezaei Nejad von der Tufts University. Durch diese besondere Art der Probenahme könnte die Pille dazu beitragen, die Rolle verschiedener Darmbakterien für Gesundheit und Krankheit besser zu identifizieren und zu verstehen, so die Forscher.
Angriff auf den Tumor
Das System eignet sich derzeit dazu, flüssige Proben zu nehmen und später zu untersuchen. Nahezu zeitgleich stellten Forscher des California Institute of Technology einen Mikroroboter vor, der Medikamente gezielt an bestimmten Stellen im Körper abgibt, etwa an einen Tumor.
Ihre Mikroroboter werden ebenfalls per 3D-Druck hergestellt. Sie bestehen aus mikroskopisch kleinen Kugeln. Hier kommt elementares Magnesium zum Einsatz. Das Leichtmetall wird mit dünnen Schichten aus Gold überzogen. Danach folgt Parylen, ein Polymer, das von Verdauungssäften nicht angegriffen wird. Unter dem Parylen könnten sich später beispielsweise Arzneistoffe befinden, was aber noch nicht gezeigt wurde. An einer Stelle haben die Gold- und Kunststoffschichten ein Fenster. Dort reagiert Magnesium später mit den Flüssigkeiten im Verdauungstrakt. Bei der Oxidation des Metalls entsteht Wasserstoff. Dabei entstehen kleine Gasblasen. Sie wirken wie ein Strahl und treibt sie Kugel per Rückstoß an. Schließlich landet sie im Gewebe, etwa in einem Tumor.
Behandlung per „Schrotschuss“
Das allein hätte noch nicht ausgereicht. Im Experiment kam deshalb die Photoakustische Tomografie zum Einsatz. Sie arbeitet berührungslos mit sehr schnellen Laserpulsen, die im Gewebe Ultraschall erzeugen. Das Verfahren hilft nicht nur beim Aufspüren von Krebs im Verdauungstrakt. Vielmehr lässt sich die Position von Mikrorobotern genau verfolgen.
Sobald diese sich einem Tumor nähern, werden sie mit einem Hochleistungs-Dauerstrich-Nahinfrarot-Laser aktiviert. Da Mikroroboter Infrarotlicht sehr stark absorbieren, erwärmen sie sich. Ihre Wachshülle schmilzt, die Bläschenbildung wird aktiviert, und die Mikroroboter gelangen in den Tumor. Diesen letzten Schritt beschreiben Wissenschaftler als „Schrotschuss“. Die Roboter treffen nicht alle genau die richtige Stelle. Da Tumoren aber eine gewisse Ausdehnung haben, vor allem in fortgeschrittenen Stadien, sei das unproblematisch, schreiben die Wissenschaftler. Viel entscheidender sei, dass man höhere Konzentrationen an Arzneistoffen geben könne, weil diese nur gezielt und lokal zur Anwendung kämen. Bei klassischen Chemotherapien erhalten Patienten Wirkstoffe als Infusion oder als Tablette. Der gesamte Körper wird belastet.
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