Produktion großer Mengen Impfstoff aus Tabakpflanzen
Die Herstellung großer Mengen Impfstoff mithilfe von Tabakpflanzen ist amerikanischen Fraunhofer-Forschern gelungen. Das neue Verfahren soll vor allem die Produktion von Impfstoffen aus Hühnereiern ersetzen, das bei weltweiten Notfällen nicht schnell und leistungsfähig genug ist.
300 Kilogramm Biomasse kann die Anlage des Fraunhofer Center for Molecular Biotechnology (CMB) im amerikanischen Newark jeden Monat produzieren. Daraus lassen sich 2,5 Millionen Impfstoffeinheiten herstellen. Herz der Anlage sind Tabakpflanzen, die sich aber nicht in Rauch auflösen sollen, sondern die Impfstoffe produzieren – in fast beliebiger Menge und vor allem in kürzester Zeit. Engpässe bei der Impfstoffversorgung wie 2009 beim Ausbruch der weltweiten Schweinegrippe soll es durch die Impfstoffproduktion mit Tabakpflanzen nicht mehr geben.
Den beiden Fraunhofer-Forschern Professor Vidadi Yusibov und Professor Andre Sharon ist nun auch im großen Maßstab gelungen, was bislang nur im Labormaßstab funktionierte. Die Impfstoff-Anlage in Newark funktioniert vollautomatisch und nutzt die besondere Eigenschaft Tabakpflanzen, dass sie Virenvektoren hervorragend vervielfältigen können.
Mit Molecular Farming zum Impfstoff
Die Forscher lassen die Tabakpflanzen in Hydrokulturen aus Mineralwolle wachsen. In speziell hergerichteten Wachstumsmodulen werden sie mit Licht, Wasser und Nährstoffen versorgt. Angefangen beim Einsetzen der Samen über Vakuumfiltration bis hin zur Ernte und Extraktion werden die Pflanzen von speziell entwickelten Robotern von der jeweiligen Station zur nächsten gebracht. Dieses Verfahren zur Proteinbildung wird Molecular Farming genannt.
Nach vier Wochen Wachstum werden die Virenvektoren mit Hilfe einer Vakuuminfiltration in die Pflanzen eingeschleust. Ein Roboter greift einen Einsatz, dreht ihn und taucht die Tabakpflanzen kopfüber in Wasser. „In diesem Wasser ist der biologische Überträger, der die genetischen Informationen enthält. Diese sagen den Pflanzen, welches Protein sie produzieren sollen“, erklärt Professor Sharon. „Dann wird ein Vakuum erzeugt – sprich, wir ziehen die Luft ab – aus dem Wasser und aus den Pflanzen. Sobald man es abstellt, saugen die Pflanzen das Wasser samt dem Vektor ein. Das dauert nur wenige Sekunden.“ Dabei nutzen die Forscher die Besonderheit des Tabaks, dass er eine ähnliche Proteinsynthese wie Menschen aufweist und daher auch komplexe Proteine produzieren kann.
Eine Woche nach Zugabe der Virenvektoren wachsen Proteine
Zurück im Wachstumsregal produzieren die Tabakpflanzen schon nach einer Woche Proteine. Dann werden sie geerntet und vollautomatisch in Stücke geteilt und homogenisiert. Aus diesem Gemisch werden die Proteine extrahiert, die eine klare Flüssigkeit bilden. Auf diese Weise können in der Pilotanlage bereits bis zu 300 Kilogramm Biomasse im Monat hergestellt werden, um etwa 2,5 Millionen Impfstoffeinheiten zu produzieren. Mit einer Vielzahl solcher Anlagen ließen sich künftig Engpässe in der Versorgung mit Impfstoffen vermeiden.
Die gab es 2009 nach Ausbruch der Schweinegrippe. Damals zeigte sich, dass im Notfall eine Produktion aus Hühnereiern zu lange dauert und zudem nicht ausreichend Impfstoff liefert. Daraufhin beauftragte die amerikanische Defence Advanced Research Projects Agency (DARPA) der US-Regierung die amerikanischen Fraunhofer-Forscher, nach einem neuen Verfahren zu suchen.
Keine Engpässe mehr bei weltweiten Erkrankungen
„Die größte Herausforderung für uns als Ingenieure war es sicherlich, die biologischen Prozesse zu verstehen – und auch die Biologen mussten lernen, was aus Sicht der Ingenieure machbar ist“, berichtet Prof. Sharon. „Doch gemeinsam gelang es uns, die automatisierte Pflanzenproduktionsanlage aufzubauen. Wir haben jetzt Pflanzen, die zu jeder Zeit, an jedem Ort, immer wieder in der gleichen vorhersagbaren Qualität wachsen und Proteine herstellen.“
Da das neue Verfahren die Godd Manufacturing-Process-Richtlinien zur Qualitätssicherung in der Arzneimittelproduktion erfüllt, kann es nun auch in größerem Maßstab angewandt werden. Damit es Engpässe bei Impfstoffen künftig nicht mehr gibt.
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