Querschnittsgelähmter machte symbolischen Anstoß zur Fußball-WM 2014
Diese technische Sensation hätte bei der Eröffnungsfeier mehr Aufmerksamkeit verdient: Der Querschnittsgelähmte Juliano Pintos steuerte Kraft seiner Gedanken ein Exoskelett und machte damit den symbolischen Anstoß zur WM 2014. Allerdings nur abseits am Spielfeldrand, im Rampenlicht tobte sich nämlich Jennifer Lopez aus.
Rund eine Milliarde Menschen schauten sich die Eröffnungsfeier der Fußballweltmeisterschaft im Stadion von Sao Paulo an. Sie sollten eigentlich Zeuge werden, wie der 28-jährige querschnittsgelähmte Juliano Pintos ganz allein zum Anstoßpunkt läuft und gegen den WM-Ball Brazuca tritt. Und zwar mit Hilfe eines Exoskeletts, ein Anzug, dessen elektromechanische Antriebe die Funktion der Beine übernehmen.
Die große Demonstration sollte bei hunderttausenden Leidensgenossen in aller Welt die Hoffnung nähren, dass auch sie sich irgendwann wieder ohne Rollstuhl bewegen können. Doch tatsächlich war sie bei der WM-Feier eher enttäuschend. Der junge Mann war nur kurz im Fernsehen zu sehen. Dann schwenkten die Kameras auf die brasilianische Sängerin Claudia Leitte und ihre amerikanische Kollegin Jennifer Lopez. Pintos blieb an der Seitenlinie, weitestgehend unbemerkt vom Milliardenpublikum. Immerhin trat er noch gegen den Ball, der daraufhin ein paar Meter aufs Spielfeld kullerte.
Querschnittsgelähmter steuert Exoskelett mit Gehirnströmen
Entwickelt haben den Anzug Miguel Nicolelis, brasilianischer Neurowissenschaftler und Professor an der amerikanischen Duke University und Gordon Cheng, Professor am Institut für Cognitive Systeme an der Technischen Universität München. Die Bewegungen steuert der Patient mit seinem Gehirnströmen. Dazu ist dessen Kopf mit Sensoren gespickt, die die Signale aufnehmen und an die Steuerelektronik weitergeben. Das funktioniert allerdings erst nach langem Training.
Eine Behindertengruppe in Brasilien hatte seit Februar trainiert, Pintos wurde ausgewählt, weil er den Anzug am besten beherrschte. Walk again Projekt heißt das ehrgeizige Vorhaben, an dem fast 200 Wissenschaftler aus mehreren Institutionen auf der ganzen Welt beteiligt sind.
Robotertherapie für Behinderte in Bochumer Zentrum
Das Zentrum für Neurorobotales Bewegungstraining (ZMB) in Bochum geht einen anderen Weg, um Querschnittsgelähmte und Schlaganfallpatienten zu rehabilitieren. „Sie sollen selbstständig laufen lernen“, sagt Olivia Heidrich von Cyberdyne Care Robotics, der Tochter eines japanischen Unternehmens, das ZMB vor zwei Jahren gegründet hat. Es setzt einen Anzug ein, den Yoshiyuki Sankai entwickelt hat, Professor an der Tsukuba University in Japan. Das Hybrid Assistance Limb (HAL) genannte Exoskelett ist nicht für den Dauereinsatz gedacht. Es soll die übrig gebliebenen Bewegungsfähigkeiten der Patienten stärken.
Gesteuert wird der Anzug von den Elektromyografie-Signalen (EMG), die vom Gehirn ausgehen und normalerweise die Muskeln reizen, sodass sie die gewünschten Bewegungen machen. HAL soll helfen, deren Funktion dauerhaft wiederherzustellen. Bei Patienten mit verkümmerten Muskeln reichen die EMG-Signale allerdings nicht aus, sie zu mobilisieren.
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