Robert Koch-Institut: Kommunikations-Fail oder Fels in der Brandung? Ein Kommentar
Das Robert Koch-Institut spielt in der Coronakrise eine prominente Rolle. Doch gerät die Bundesbehörde immer öfter in die Kritik. Zu Recht?
Das Robert Koch-Institut (RKI) ist in der Coronakrise eine feste Größe. Täglich gibt es Updates zu den neuen Infektionszahlen mit Covid-19 sowie Statistiken zu Todesfällen und Genesungen.
Doch das RKI gerät immer wieder auch in die Kritik. Macht das Institut in der Krise einen guten Job? Oder schwächelt es gewaltig? Eine Pro-Contra-Argumentation unserer Redakteure Sarah Janczura und Peter Sieben:
Pro
Jeden Morgen richten Millionen Menschen ihren Blick auf die neuesten Zahlen des Robert Koch-Instituts. Wie viele Neuinfizierte gibt es? Wie viele Menschen sind an Covid-19 gestorben? Diese Konstante gibt Orientierung und valide Auskunft in der Coronakrise. Am Montag verkündete Lothar Wieler „einen Trend, dass sich die exponentielle Wachstumskurve etwas abflacht“.
Der Präsident des RKI sei deshalb “optimistisch, dass diese Maßnahmen jetzt schon sichtbar sind“. Das bedeutet, dass sich die Maßnahmen der Bundesregierung, wie die weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens, schon positiv in den Statistiken bemerkbar machen. Zwei Tage später kommunizierte Wieler allerdings, dass Deutschland erst „am Anfang“ stehe und es sei „völlig offen, wie sich diese Epidemie weiterentwickelt“. Genau für solche widersprüchlichen Aussagen wird das RKI kritisiert.
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Aber für einen Wissenschaftler ist es herausfordernd, mit der breiten Öffentlichkeit zu kommunizieren. Schließlich sitzt vor den Kameras kein Medienprofi, sondern ein Forscher. Natürlich präsentiert er in seiner Funktion das Robert Koch-Institut als Bundesbehörde, dennoch vermittelt Wieler geprüfte Informationen und bezieht sich auf die Statistik. Ein Faktenmensch, kein Kommunikationsmensch. Die Anzahl von Neuinfektionen bewertet das RKI zum Beispiel nicht. Bürger fragen sich daher: “Sind diese Zahlen nun gut oder schlecht?” Doch diese Frage zu beantworten ist nicht zwingend die Aufgabe des Instituts. Denn die dortigen Wissenschaftler stehen für Fakten. Vermutungen und Ratschläge erteilen in diesen schwierigen Zeiten andere – und das nicht immer sinnvoll.
Das Robert Koch-Institut (RKI) ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. 1891 wurde das Institut mit Hauptsitz in Berlin gegründet. Das RKI stellt die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention dar. Zur Kernaufgabe des Instituts gehören die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten. Zentrale Aufgaben liegen in der wissenschaftlichen Untersuchung, der medizinischen Analyse und Bewertung von Krankheiten mit hoher Gefährlichkeit. Das RKI berät darüber hinaus die zuständigen Bundesministerien. Es informiert auch die Öffentlichkeit – wie aktuell in der Coronakrise. Präsident des RKI ist Lothar H. Wieler.
Contra
In den sozialen Medien gibt es ein Emoji für Fälle wie diesen: Facepalm. Man möchte bisweilen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen angesichts der Kommunikationsstrategie des Robert Koch-Instituts.
Nehmen wir die Sache mit dem Mundschutz. Vor wenigen Wochen noch hieß es: Nein Nein, solche Masken sind völlig nutzlos für den Ottonormalbürger. Ende letzter Woche dann plötzlich die Kehrtwende in Form eines kleines Hinweises auf der Webseite des RKI: So ein Mundschutz kann unter Umständen doch hilfreich sein – muss er aber nicht. RKI-Chef Lothar Wieler legte dann noch mit einem glasklaren “Jein” nach: Die “textilen Behelfsmasken” könnten helfen, andere zu schützen, sie könnten unter Umständen Tröpfchen beim Husten zurückhalten – im permanenten Konjunktiv steckt schon die Einschränkung: vielleicht aber auch nicht. Es gebe jedenfalls keinen klaren wissenschaftlichen Beweis.
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Ja was denn nun? Besonnenheit ist ohne Frage wichtig und die Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts geben sicherlich ihr Bestes in dieser Krise. Aber das Robert Koch-Institut ist nicht irgendein Hinweisgeber, sondern eine Bundesbehörde. Die Bevölkerung muss in einer Situation, in der plötzlich Grundrechte eingeschränkt werden, einigermaßen klare und verlässliche Aussagen erwarten dürfen. Wenn die Möglichkeit besteht, dass man durch das Tragen eines behelfsmäßigen Mundschutzes, den man ohne weiteres selbst herstellen kann, andere schützt, dann ist die logische Schlussfolgerung: Je mehr Menschen einen Mundschutz tragen, desto besser.
Wenn das RKI nicht in der Lage ist, diese eindeutige Antwort auf die recht simple Frage “Soll ich einen Mundschutz tragen oder nicht?” zu geben, muss es dringend seine Kommunikationsstrategie überdenken. Das ewige “Jein” im verschwurbelten Beamtendeutsch führt eher zu Verunsicherung. Ähnlich verhält es sich mit den Fallzahlen, die das RKI täglich veröffentlicht. Sie sind kaum aktuell, hinken meilenweit hinter den Zahlen her, die zum Beispiel die Johns-Hopkins-University in den USA bereithält. Während die US-Uni Daten nahezu in Echtzeit Daten online aus verschiedensten Quellen sammelt, macht das RKI den Eindruck, als lasse es sich die behördlichen Meldungen mit der Postkutsche liefern.
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